Köln | In einer Kölner Tageszeitung gibt es neue Aussagen der Bezirksregierung Köln, insbesondere von Regierungspräsidentin Walsken, die den Gastkommentar von Jörg Frank in dieser Internetzeitung stützen, dass Oberbürgermeisterin Henriette Reker bereits am 21. Juli informiert gewesen sei, dass die Kontrollbehörde die Besetzung des Dezernats IX mit Niklas Kienitz negativ bewerte. Die Linke im Kölner Rat spricht jetzt von einer „Reker-Affäre“.

Es ist ein bemerkenswerter Vorgang, da in der Kölner Tageszeitung davon gesprochen wird, dass es einen Austausch zwischen der Regierungspräsidentin Walsken und der Kölner Oberbürgermeisterin Reker am 21. Juli „über das Smartphone per SMS-Kurznachrichtendienst“ gab. Diese Aussage wirft auf die Vorgänge zwischen dem 21. und dem 26. Juli ein ganz neues Licht auf schriftliche Antworten auf Presseanfragen und Mitteilungen sowohl der Stadt Köln als auch der Bezirksregierung Köln.

Warum wurden Presseanfragen nicht korrekt beantwortet?

Am 26. Juli fragte diese Internetzeitung bei der Pressestelle der Bezirksregierung Köln, nach dem Kienitz-Rückzug, mit folgender Frage per Mail im Kontext der Prüfung der Besetzung des Dezernats IX an: „Hat die Bezirksregierung Köln die Stadt Köln oder die Oberbürgermeisterin persönlich vorab informiert, etwa fernmündlich? Wenn ja wann?“ Auf diese Frage antwortete der Pressesprecher der Bezirksregierung Dennis Heidel schriftlich: „Die Prüfung war noch nicht abgeschlossen und es gab noch kein Ergebnis. Dementsprechend konnte nicht vorab informiert werden. Frist wäre heute geendet.“ Es lag der Bezirksregierung Köln also eine Anfrage vor, die explizit auf „etwa fernmündlich“ – nach der Definition „mithilfe des Telefons, über das Telefon (erfolgend)“ fragte und die Bezirksregierung Köln verwies nicht auf den SMS-Kontakt zwischen Walsken und OB Reker?

Der Stadt Köln stellte diese Internetzeitung am 26. Juli folgende Anfrage: „Nach unserer Kenntnis wurde die Stadt Köln am 22. Juli über die Ablehnung der Bezirksregierung Köln zur Berufung von Niklas Kienitz als Dezernent für Stadtentwicklung, Digitales, Wirtschaft und Regionale Zusammenarbeit informiert. Ist das so korrekt? Wenn es ein anderer Termin gewesen sein sollte, bitten wir um Angabe, wann die Stadt Köln informiert wurde?“ Der Pressesprecher der Kölner Oberbürgermeisterin Alexender Vogel antwortete am gleichen Tag darauf: „Bitte richten Sie alle Fragen, die das Prüfverfahren der Bezirksregierung betreffen an die zuständige Bezirksregierung. Für die Stadt Köln ist das Verfahren mit der Erklärung von Herrn Kienitz gegenüber der Oberbürgermeisterin am Samstag, dem 24. Juli 2021 und der Unterrichtung des Rates seitens der Oberbürgermeisterin am selbigen Tag beendet.“ Mit seiner Antwort ließ Rekers Pressesprecher auch eine andere Frage offen, die bis heute ungeklärt ist und die am gleichen Tag von dieser Internetzeitung gestellt wurde: „Hat die Stadt Köln Herrn Kienitz darüber informiert und wenn ja, wer und wann?“

Welche Wirkung hatte der SMS-Kontakt zwischen Regierungspräsidentin und der Kölner OB?

Die jetzt in der Kölner Tageszeitung angesprochene SMS wirft eine interessante Frage auf: Was bedeutete die Information von Walsken an Reker und ab wann hätte Reker den Kölner Rat und seine Mitglieder informieren müssen? Durch die SMS-Kommunikation zwischen Walsken und Reker müsste der OB, die ja auch Verwaltungsjuristin ist, sofort klar gewesen sein, dass die Wahl von Niklas Kienitz am 24. Juni zu beanstanden sein müsste. Die Gemeindeordnung des Landes NRW ist hier eindeutig und lässt der OB bei Beanstandungen keinen wirklich breiten rechtlichen Entscheidungsspielraum: „Verletzt ein Beschluss des Rates das geltende Recht, so hat der Bürgermeister den Beschluss zu beanstanden. Die Beanstandung hat aufschiebende Wirkung. Sie ist schriftlich in Form einer begründeten Darlegung dem Rat mitzuteilen. Verbleibt der Rat bei seinem Beschluss, so hat der Bürgermeister unverzüglich die Entscheidung der Aufsichtsbehörde einzuholen. Die aufschiebende Wirkung bleibt bestehen.“ (§ 54 GO NRW, Abs. 2) In Kenntnis der Bedenken der Bezirksregierung hätte die OB nicht sofort den Rat informieren und seinen Beschluss vom 24. Juni beanstanden müssen? Also von sich heraus als kommunales Organ beanstanden und agieren müssen?

Stattdessen hat Reker den Kölner Rat über den Kontakt mit Walsken und die Bedenken der Bezirksregierung nicht informiert, sondern erst am 24. Juli. Auch die Öffentlichkeit informierte Reker erst am 24. Juli mit einer Pressemitteilung, die per Mail um 13:53 Uhr verschickt wurde. Auch diese Pressemitteilung wirft im Licht des SMS-Kontakts viele Fragen auf. Rekers Sprecher Alexander Vogel zitiert die Kölner Oberbürgermeisterin mit folgendem schriftlichen Statement, nachdem Kienitz sich aus persönlichen Gründen zurückzog: „Ich habe diese Entscheidung zu respektieren, aber ich bedaure sie sehr. Niklas Kienitz wäre ein sehr guter Beigeordneter geworden. Durch seine Vernetzung, seine Erfahrung und langjährigen Kenntnisse der Stadtentwicklung wäre er ein Gewinn für den Verwaltungsvorstand und die Stadt Köln gewesen. Den Rat der Stadt habe ich bereits über seine Entscheidung informiert.“ Dabei kannte Reker die Einschätzung der Bezirksregierung durch den SMS-Kontakt vom 21. Juli. Stadtsprecher Vogel, der in der Kölner Tageszeitung davon spricht, dass es keine finale Einschätzung gab und Unterlagen noch nach dem SMS-Kontakt nachgereicht wurden, suggeriert nun, dass dieser SMS Kontakt zwischen Reker und Walsken keine Bedeutung gehabt habe. Auch das ein Vorgang der Fragen aufwirft. Hat die Stadt Köln zur Prüfung nicht alle Unterlagen von vornherein vollständig und umfassend eingereicht? Vier Tage vor Fristablauf werden dann Unterlagen nachgereicht?

Eine weitere Frage ist zudem, wie so eine SMS von der Regierungspräsidentin an Kölns Oberbürgermeisterin zu werten ist? Handelt es sich dabei womöglich schon um eine Anweisung nach §122 GO NRW? Dies regelt das Beanstandungs- und Aufhebungsrecht und dort heißt es in Absatz 1: „Die Aufsichtsbehörde kann den Bürgermeister anweisen, Beschlüsse des Rates und der Ausschüsse, die das geltende Recht verletzen, zu beanstanden (§ 54 Abs. 2 und 3). Sie kann solche Beschlüsse nach vorheriger Beanstandung durch den Bürgermeister und nochmaliger Beratung im Rat oder Ausschuss aufheben.“ Die Idee dahinter ist, dass das Organ Rat eine Selbstkorrektur vornehmen kann, wenn ein Fehler geschehen ist. Die Vorgänge in der Affäre Kienitz hebeln aber eigentlich genau diese Möglichkeit zur Selbstkorrektur des Rates aus, da der Rat seine womöglich rechtswidrige Entscheidung vom 24. Juni nicht mehr korrigieren kann.

Stadtverwaltung gibt irritierende Antwort auf Anfrage der Linken

Die Linke im Kölner Rat stellte zu den Vorgängen eine Anfrage (AN/1578/2021), die die städtische Verwaltung am 18. August zur Ratssitzung schriftlich beantwortete (2928/2021, 17.8.2021). Hier nimmt die Linke Bezug auf den Gastkommentar von Jörg Frank in dieser Internetzeitung, der damals schrieb: „Bereits am 22. Juli hat die Kölner Regierungspräsidentin Walsken in ihrer Funktion als Kommunalaufsicht Oberbürgermeisterin Henriette Reker informiert, dass eine Ernennung von Niklas Kienitz nicht erfolgen kann und die Oberbürgermeisterin dem Rat die Überprüfung des gesamten Verfahrens vorlegen muss. Dies hat die OB nicht öffentlich gemacht, wäre aber spätestens am 26.07. mit der Genehmigung für die Ernennung der beiden anderen gewählten Beigeordneten öffentlich geworden.“ Die Linke wollte wissen: „Treffen diese Aussagen, insbesondere die Zeitaussagen bezüglich einer Information am 22. Juli 2021 zu? Wenn nein, warum hat die Oberbürgermeisterin diesen Aussagen nicht widersprochen, ggf. mit rechtlichen Mitteln?“ Darauf antwortete die städtische Verwaltung: „Die zitierten Aussagen des ehemaligen Ratsmitgliedes Herrn Frank treffen nicht zu. Im Allgemeinen äußert sich die Oberbürgermeisterin nicht über die Presse zu persönlichen Schlussfolgerungen Dritter. Der mit der Mehrheit des Rates gewählte Beigeordnete hat gegenüber der Oberbürgermeisterin und der Verwaltung per E-Mail erklärt, für das Amt nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Die Inanspruchnahme „rechtlicher Mittel“ ist daher nicht mehr möglich.“ Auch die Anfrage nach Kontakten zwischen Bezirksregierung und der städtischen Verwaltung bis hin zur Oberbürgermeisterin ließ die städtische Verwaltung offen und antwortete lediglich allgemein: „Die Bezirksregierung hat für Ihre Prüfung weitere Informationen angefordert, die übersandt worden sind. Es besteht hier die Möglichkeit von Ratsmitgliedern auf Akteneinsichtsnahme.“ Aber es gab am 21. Juli den von Regierungspräsidentin Walsken bestätigten SMS Kontakt.

Die Linke spricht von einer Reker-Affäre

Die Linke kritisiert, dass OB Reker bisher den Kontakt mit der Regierungspräsidentin bestritt und dass die Anfrage der Ratsfraktion bis heute zu diesem Thema unbeantwortet blieb.

Heiner Kockerbeck, Sprecher der Fraktion, erklärt hierzu: „Frau Reker hat offensichtlich die Unwahrheit gesagt: Sie hat sehr wohl vor dem Rückzug von Herrn Kienitz durch die Bezirksregierung eine Bewertung erhalten. Damit ist die Glaubwürdigkeit der Oberbürgermeisterin schwer beschädigt.“

Güldane Tokyürek, Sprecherin der Fraktion, ergänzt: „Aus der Kienitz-Affäre ist eine Reker-Affäre geworden. Um das Vertrauen in Frau Reker wieder herzustellen, müssen alle Fakten auf den Tisch. Wir verlangen eine umfassende und eindeutige Stellungnahme der Oberbürgermeisterin.“

Autor: Andi Goral