Kiew | Bei den Protesten in der Ukraine ist erstmals seit der jüngsten Eskalation auch ein Journalist ums Leben gekommen. Ein Reporter der Tageszeitung Westi wurde in der Nacht auf Mittwoch in Kiew zusammengeschlagen und angeschossen. Wenige Stunden später erlag er seinen Verletzungen, teilte „Reporter ohne Grenzen“ am Mittwoch mit.

Nach Angaben seiner Zeitung hatten ihn mehrere Maskierte in Tarnkleidung angegriffen, als er zusammen mit einem Computerspezialisten des Blattes in einem Taxi auf dem Heimweg war. Die Angreifer warfen Molotow-Cocktails auf das Auto, zerrten die Insassen heraus und schlugen auf sie ein. Offenbar konnte sich der 32-Jährige zunächst losreißen und davonlaufen, wurde aber nach wenigen Metern in den Rücken geschossen.

„Dass nun zum ersten Mal ein Journalist bei den Protesten getötet wurde, ist eine traurige Konsequenz der Gewaltspirale der vergangenen Wochen“, sagte ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske. Insgesamt sind in den letzten Stunden mindestens 25 Menschen bei den Protesten in der Ukraine ums Leben gekommen.

Schröder: Nur Vereinte Nationen können im Ukraine-Konflikt vermitteln

Der ehemalige Bundeskanzler ist der Ansicht, dass nur die Vereinten Nationen Vermittler im Ukraine-Konflikt sein können. „Die Vermittlung im Ukraine-Konflikt kann keine Einzelperson übernehmen“, sagte er im Interview mit „Spiegel Online“. „Man wird in der jetzigen Situation eine Institution brauchen, die mit beiden Seiten reden kann“.

Die Europäische Union komme dafür jedoch nicht in Frage: „Die einseitige Unterstützung der Europäer für die Opposition macht es unmöglich, dass die EU in dem Konflikt noch vermitteln kann. Europa hat den Fehler gemacht, sich auf eine Seite zu schlagen, sie ist nun selbst Partei.“ Zuvor hatte Linken-Fraktionschef Gregor Gysi den Ex-Kanzler als Vermittler in der Ukraine ins Gespräch gebracht.

Schröder selbst lehnte diese Rolle ab. Auch in der CSU stieß der Vorschlag auf Widerstand. „Wegen seiner großen Nähe zum russischen Präsidenten Putin wird Schröder auf wenig Akzeptanz bei der ukrainischen Opposition stoßen“, so der Vize-Vorsitzende der Deutsch-Ukrainischen Parlamentariergruppe, Hans Michelbach (CSU), im Interview mit „Handelsblatt-Online“.

Barroso rechnet mit EU-Sanktionen gegen Ukraine

Der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, rechnet mit Sanktionen der EU gegen die ukrainische Führung. Am Mittwoch verurteilte er die Ereignisse der vorangegangenen Nacht. Nichts könnte derartige Vorgänge rechtfertigen.

Angesichts der Verschlechterung der Lage rechne er bald mit gezielten Maßnahmen der Mitgliedsstaaten gegen die Verantwortlichen für die Gewalt. Unterdessen sind die EU-Außenminister von der Außenbeauftragten Catherine Ashton für den Donnerstagnachmittag zu einer Sondersitzung nach Brüssel einberufen worden.

Steinmeier ruft zu Gewaltverzicht in der Ukraine auf

Angesichts der Gewalteskalation in der Ukraine hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier Sicherheitskräfte und Demonstranten zu einem Gewaltverzicht aufgerufen. „Jedem muss klar sein, dass Gewalt überhaupt keine Lösung ist, sondern alles nur viel schlimmer macht“, so Steinmeier am Mittwoch. „Die Verzögerungstaktik von Präsident Janukowitsch hat die Ukraine teuer bezahlt. Seine Verweigerung ernsthafter Gespräche über eine friedliche Konfliktlösung und Verfassungsreform ist ein großer Fehler.“ Nun brauche es dringend eine Atempause. „So schwer das angesichts des gestrigen Gewaltausbruchs auch ist: Jetzt muss es darum gehen, die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme eines politischen Verhandlungsprozesses herzustellen.“

Bereits am Dienstagabend hatte der Außenminister mit Sanktionen gedroht. „Wer in diesen Stunden Entscheidungen zu verantworten hat, die zu weiterem Blutvergießen führen, der muss auch wissen, dass die Zurückhaltung, die sich Europa bei der Entscheidung über persönliche Sanktionen auferlegt hat, mit Sicherheit überdacht werden wird“, so Steinmeier.

Regierung wirft Opposition versuchten Staatsstreich vor

Nach der Gewalteskalation in der ukrainischen Hauptstadt Kiew in der Nacht zum Mittwoch hat die Regierung der Opposition einen versuchten Staatsstreich vorgeworfen. Der geschäftsführende Ministerpräsident Serhij Arbusow sagte, die Proteste seien kein Zeichen der Demokratie, sondern der Versuch, gewaltsam an die Macht zu kommen. Unterdessen gehen die Proteste in Kiew und auch in anderen Städten des Landes weiter.

Die Demonstranten auf dem Unabhängigkeitsplatz bereiten sich offenbar auf neue Zusammenstöße mit der Polizei vor. Bei den Unruhen in der Nacht waren offiziellen Angaben zufolge mindestens 25 Menschen ums Leben gekommen, rund 1.000 Menschen wurden verletzt. Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch forderte die Oppositionsführung auf, sich von radikalen Kräften zu distanzieren.

Nach einem gescheiterten Krisentreffen in der Nacht machte der Oppositionspolitiker Vitali Klitschko Janukowitsch für die Gewalteskalation verantwortlich. Der habe keine zielführenden Gespräche zugelassen.

Autor: dts