Düsseldorf | aktualisiert | Die Plagiatsaffäre um ihre 33 Jahre alte Doktorarbeit wird immer mehr zu einer Gefahr für Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU). Nach langen Beratungen hat die Universität Düsseldorf am Dienstag ein offizielles Verfahren zur Aberkennung des Doktortitels eingeleitet. An dessen Ende könnte ausgerechnet die für Forschung zuständige Ministerin ihren akademischen Titel verlieren. Aktualisiert: Es gibt erste Rücktrittsforderungen und lesen Sie hier die Dokumentation des Statements des Fakultätsrates der Düsseldorfer Universität.

Fast sechs Stunden lang tagte der Fakultätsrat der Düsseldorfer philosophischen Fakultät. Nach der nichtöffentlichen Sitzung verkündete Dekan Bruno Bleckmann das Ergebnis: Mit 14 Ja-Stimmen und einer Enthaltung votierte das Gremium für die Einleitung eines Verfahrens. Das aus Hochschullehrern, Studenten und wissenschaftlichen Mitarbeitern zusammengesetzte Gremium folgte damit der Linie des Promotionsausschusses, der ein offizielles Verfahren empfohlen hatte.

Dekan Bleckmann stellte klar, dass ein Verfahren noch nicht automatisch den Verlust des Doktortitels bedeuten muss. „Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass das Verfahren ergebnisoffen ist“, sagte der Professor. In den nächsten Wochen würden sich alle Mitglieder des Fakultätsrates „intensiv“ mit den Unterlagen sowie Schavans Stellungnahme befassen. Für den 5. Februar sei eine weitere Sitzung einberufen worden.

Dass es in dem Fall um die Bundesforschungsministerin geht, spielt nach Meinung der Universität keine Rolle. „Wenn wir als Fakultät substanzielle Anzeichen eines solchen wissenschaftlichen Fehlverhaltens erkennen, müssen wir dem konsequent nachgehen – und zwar unabhängig von der Person und ihrer Position“, sagte Bleckmann. Alle Sachverhalte seien „ausführlich diskutiert“ worden.

Den Stein ins Rollen gebracht hatte im Frühjahr ein anonymer Blogger. Im Internet warf er der CDU-Politikerin vor, an mehreren Stellen ihrer Doktorarbeit abgeschrieben und Quellen nicht genannt zu haben. In der 1980 verfassten Arbeit widmete sich die junge Schavan dem Thema „Person und Gewissen“.

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe nahm sich die Heinrich-Heine-Universität dem Fall an. In einem Vorverfahren befasste sich zunächst der Promotionsausschuss damit. Er empfahl dem Fakultätsrat, ein offizielles Verfahren gegen die baden-württembergische Bundestagsabgeordnete einzuleiten. In einem im vergangenen Oktober bekannt gewordenen internen Prüfbericht wurde Schavan eine „leitende Täuschungsabsicht“ vorgeworfen.

Opposition fordert Schavans Rücktritt

Für den Fall, dass Schavan den Titel verliert, wird der Druck auf die Ministerin weiter steigen. Ausgerechnet im Jahr der Bundestagswahl könnte die Ministerin damit zur Belastung für die Bundesregierung werden. Die Opposition hat bereits im Vorfeld einen Rücktritt ins Spiel gebracht. „Wenn sie das wissenschaftliche Handwerk nicht ordnungsgemäß ausgeübt hat, muss sie Konsequenzen ziehen“, sagte kürzlich SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) steht allem Anschein nach allerdings fest zu ihrer Vertrauten. Laut „Spiegel“ heißt es aus der Regierungszentrale, dass ein Rücktritt nicht infrage komme.

Ungeachtet der Plagiatsaffäre will Schavan in diesem Jahr erneut in den Bundestag. Am Freitag wählt der CDU-Kreisverband Alb-Donau/Ulm seinen Kandidaten für die Bundestagswahl und Schavan will erneut antreten. Sie vertritt seit 2005 den Wahlkreis im Bundestag. Der Kreisverband steht hinter ihr. Gegenkandidaten hat Schavan keine. Sie sei „unangefochten“, hieß es am Dienstag aus dem Kreisverband.

Nicht nur politisch birgt der Plagiatsfall jede Menge Zündstoff. Ob die Forschungsministerin tatsächlich plagiiert hat und ob sie ein ordentliches Verfahren erhält, entzweit auch die Wissenschaft. Kritik kommt dabei auch an der Universität Düsseldorf auf. „Das Verfahren der Aberkennung weist Defizite auf, die sich aus allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen ergeben“, zitierte die „Rheinische Post“ am Dienstag aus dem Gutachten eines Berliner Juristen. In einem eigens in Auftrag gegeben Bericht wird die Hochschule hingegen entlastet. Während sich einige führende Wissenschaftsorganisationen zugunsten der Bildungsministerin aussprechen, wird dies von anderen Vertretern aus den Reihen der Wissenschaft als Parteinahme kritisiert.

Plagiatsjäger Heidingsfelder fordert Rücktritt Schavans

Plagiatsjäger Martin Heidingsfelder fordert in der Plagiatsaffäre einen Rücktritt von Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU). Der Gründer der Webseite „VroniPlag“, auf der Doktorarbeiten nach Plagiaten durchsucht werden, ist der Ansicht, dass es klar erwiesen ist, dass Schavan unsauber gearbeitet habe. „Das ist untragbar“, sagte das ehemalige SPD-Mitglied, das inzwischen der Piratenpartei angehört, am Dienstagabend der Nachrichtenagentur dapd. Das gelte speziell für eine Bildungsministerin, die ein Vorbild sein sollte.

Heidingsfelder will sowohl in der Doktorarbeit als auch in drei weiteren Büchern der CDU-Politikerin Plagiate entdeckt haben. Ein Werk stamme aus dem Jahr 2002. „Da ist nichts verjährt.“ Manche der mutmaßlichen Plagiate hätten sich wiederholt. Ob es sich um Vorsatz gehandelt habe, sei allerdings schwer nachzuweißen. Das sei jedoch irrelevant. „Hier wurde mindestens unsauber gearbeitet.“

Die Auffälligkeiten in der Doktorarbeit Schavans waren von anonymen Betreibern der Seite „Schavanplag“ entdeckt worden. Ihr wird vorgeworfen, in ihrer 1980 verfassten Dissertation Textpassagen unsauber übernommen und Quellen nicht klar gekennzeichnet zu haben. Sie selbst bestreitet die Vorwürfe.

Die Universität Düsseldorf leitet nun ein offizielles Verfahren zur Aberkennung des akademischen Titels ein, wie sie am Dienstagabend mitteilte. Heidingsfelder findet es „mutig“, dass die Universität diesen Schritt gegangen ist. Der Druck auch von Forschungseinrichtungen sei zuletzt sehr groß gewesen.

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Statement der Universität Düsseldorf zum Verfahren gegen Schavan

Nach stundenlangen Beratungen hat der Fakultätsrat der philosophischen Fakultät an der Universität Düsseldorf am Dienstag ein Verfahren gegen Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) wegen Plagiatsvorwürfen eröffnet. Die Nachrichtenagentur dapd dokumentiert im Folgenden die Stellungnahme von Dekan Bruno Bleckmann:

„Im Mai 2012 wurde in der Öffentlichkeit der Vorwurf erhoben, es befänden sich in der Dissertation von Frau Prof. Dr. Schavan Plagiate. Wenn wir als Fakultät substantielle Anzeichen eines solchen wissenschaftlichen Fehlverhaltens erkennen, müssen wir dem konsequent nachgehen – und zwar unabhängig von der Person und ihrer Position. Das Recht sieht für solche Fälle auch keine Verjährung vor.

Die Philosophische Fakultät hat daher zu überprüfen, ob der Doktortitel seinerzeit zu Recht verliehen worden ist.

Im Rahmen des Verfahrens hat der Promotionsausschuss der Philosophischen Fakultät zunächst eine Vorprüfung durchgeführt und hierfür die schriftliche Promotionsleistung von Frau Schavan untersucht sowie auch die Betroffene angehört.

Aufgrund der Empfehlung des Promotionsausschusses habe ich dem Fakultätsrat in der heutigen Sitzung die Frage vorgelegt, ob ein entsprechendes Hauptverfahren einzuleiten ist oder nicht.

Der Fakultätsrat hat alle Sachverhalte der Vorprüfung ausführlich diskutiert und heute in geheimer Abstimmung mit 14 Ja-Stimmen und einer Enthaltung entschieden, dass das Hauptverfahren zu eröffnen ist.

In den nächsten Wochen werden sich die Mitglieder des Rates intensiv mit den Unterlagen des Promotionsausschusses und der Stellungnahme der Betroffenen auseinandersetzen. Für den 5. Februar werde ich eine weitere Sitzung des Fakultätsrates einberufen, in der die Fortsetzung des Verfahrens auf der Tagesordnung stehen wird.

Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass das Verfahren ergebnisoffen ist.

Aus diesem Grund bitte ich Sie um Verständnis, wenn es bei dieser Erklärung, die den Verfahrensstand erläutert, bleibt und ich keine weiteren Auskünfte geben kann.“

Autor: Christian Wolf, dapd | Foto: Deutscher Bundestag/Thomas Trutschel/photothek.net