Köln | Das NS-Dokumentationszentrum (NS-DOK) hat nach dem Ausscheiden ihres bisherigen Leiters Dr. Jung seit November 2021 keine neue Leitung. Die Stelle ist noch nicht einmal ausgeschrieben. Der Ausschuss Kunst und Kultur traf eine Entscheidung, die die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker nicht akzeptiert. Der Fall schlägt jetzt in überregionalen Medien Wellen.
Die bisherige Berichterstattung bei report-K
Reker sieht sich und die Verwaltung in der Rolle der Bestimmerin
Es prallen zwei Ansichten aufeinander: Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker ist der Auffassung, dass alleine nach Satzung und NRW-Gemeindeordnung an ihr und ihrer Verwaltung liegt die Entscheidung zu treffen, wie und wann die Leitungsposition des NS-DOK nachbesetzt wird. Dies ließ Sie am 5. April auch dem Ausschuss Kunst und Kultur schriftlich und über den neuen Kölner Kulturdezernenten Stefan Charles mitteilen. Der Ausschuss traf mit den Stimmen von Grünen, auf Antrag von SPD und Linke eine andere Entscheidung. Damit scherten die Grünen aus dem Ratsbündnis mit CDU und Volt aus. Der Beschluss und Auftrag an die Verwaltung: „Die Verwaltung wird mit der sofortigen Einleitung des Neubesetzungsverfahrens der vakanten Stelle der Leitung des NS-Dokumentationszentrums Köln beauftragt. Weiterhin hat die Verwaltung den Kulturausschuss und die Öffentlichkeit transparent über alle weiteren Schritte des Besetzungsverfahrens in Kenntnis zu setzen.“
Kann das NS-DOK Teil der „Historischen Mitte“ werden?
Dies sieht die Oberbürgermeisterin anders und streitet dem Ausschuss die Kompetenz ab, eine solche Personalentscheidung zu fällen. Reker will daher die Leitungsstelle des NS-DOK erst dann ausschreiben wenn ein Anforderungsprofil der Stelle definiert ist. Dies soll dann erfolgen, wenn die am 14. Dezember 2021 beschlossene Konzeptentwicklung für mehrere Kölner Museen unter dem Stichwort „Historische Mitte“ abgeschlossen ist. Reker teilt dazu mit, dass die Ausschreibung wahrscheinlich in KW 22 erfolgen könne und vor den Sommerferien abgeschlossen sein könnte. Im Herbst 2022 will die Oberbürgermeisterin die Stelle dann neu besetzt sehen. Der Ausschuss Kunst und Kultur nahm die Mitteilung der Oberbürgermeisterin zur Kenntnis. Aber er widersprach dieser Mitteilung nicht.
Das NS-DOK ist mehr als nur ein Museum
Gegen die Einbindung des NS DOK in die Kölner Museenlandschaft und Gleichsetzung etwa mit dem Kölnischen Stadtmuseum regt sich schon länger Widerstand. Denn das NS-DOK ist nicht nur Museum, sondern Forschungseinrichtung, Bildungsstelle, Gedenkstätte und beherbergt die Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus (ibs). Auf der Website der Stadt Köln findet sich folgende Definition: „Das NS-Dokumentationszentrum ist eine der größten lokalen Gedenkstätten in der Bundesrepublik Deutschland. Als ehemaliger Sitz der Kölner Gestapo ist es zum einen eine Gedenkstätte für die Opfer des NS-Regimes, zum anderen aber auch ein Ort für eine Dauerausstellung sowie für zahlreiche wechselnde Sonderausstellungen. Das NS- DOK versteht sich als Forschungs-, Dokumentations- und Bildungseinrichtung.“
Die CDU, die im Ausschuss gegen die sofortige Neubesetzung des NS-DOK stimmte, ist Treiber hinter der Idee einer übergeordneten Leitung für die Kölner Museen, die sich mit der Stadtgeschichte befassen, wie Kölnisches Stadtmuseum, Römisch-Germanisches Museum, NS-DOK und MiQua/Jüdisches Museum. Dies irritiert alleine schon daher, da die Stadt vertraglich die Leitung des MiQua/Jüdisches Museum gar nicht innehat, sondern der Landschaftsverband Rheinland. Die Stadt Köln ist lediglich für das Gebäude zuständig.
Verlust der Eigenständigkeit des NS-DOK befürchtet
Jörg Frank, der langjährige Fraktionsgeschäftsführer der Grünen im Kölner Rat a.D., sieht durch die aktuellen Entwicklungen rund um die Neubesetzung der vakanten Leitungsposition folgende Problematik: „Die Gefahr des Verlustes der Eigenständigkeit des NS-DOK ist also keineswegs gebannt. Eine Ausschreibung kann den Fokus gegebenenfalls deutlich verändern und damit fachlich kompetente und geeignete Interessierte von einer Bewerbung abhalten. Es ist unklar, ob die Verwaltung die Ausschreibung vor Veröffentlichung den Vertreter*innen
der Ratsfraktionen vorlegt, so dass sie Einfluss nehmen könnten.“ Frank merkt an, dass es auffällig sei, dass sich weder Oberbürgermeisterin Reker, der neue Kulturdezernent Stefan Charles noch die CDU und das Gestaltungbündnis mit den Grünen und Volt zur Bedeutung des NS-DOK bekennen würden. Frank: „Entsprechende Aussagen der
Fraktionsführungen aus dem „Gestaltungsbündnis“ sind bislang auch nicht erfolgt. Letztlich werden politische Entscheider an ihren Taten gemessen und nicht an Sonntagsreden gegen „Rechtsextremismus und Antisemitismus“ gemessen.“
Über die Art und Weise des Umgangs mit dem NS-DOK wird mittlerweile bundesweit kritisch berichtet. Der Arbeit und dem weltweit exzellenten Ruf des NS-DOK hilft die aktuelle Debatte sicher nicht.