Das Pressefoto zeigt die Familie mit Unterstützern am Tag der Zwangsräumung am 17. Januar 2023. Foto: Recht auf Stadt Köln

Köln | Ein national agierender Wohnungsbaukonzern hat eine alleinerziehende Mutter mit fünf Kindern im Kölner Stadtteil Köln-Gremberghoven zwangsräumen lassen. Die Zwangsräumung wurde von Protesten begleitet, die sich später vor das Kölner Rathaus verlagerten. Aktuell ist die Familie bis zum Wochenende in einem Kölner Hotel untergekommen.

Die Räumung

Frau Winand und ihre fünf Kinder sind seit dem gestrigen Dienstag wohnungslos. Eine Gerichtsvollzieherin räumte die Wohnung der Frau mit ihren fünf Kindern. Die Räumung wurde von Protesten der „Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim“ (SSM) und „Recht auf Stadt Köln“ begleitet. Beide politisch aktiven Gruppierungen sind und waren nahe an dem Fall. Die Polizei vor Ort musste nicht eingreifen. Mit den Unterstützer:innen zogen Frau Winand und ihre Kinder vor das Kölner Rathaus in dem an diesem Tag der Sozialausschuss tagte. Sozialdezernent Rau stellte sich der Kritik und versprach sich den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln zu dem Fall noch einmal anzusehen. Zudem stellte er in Aussicht, dass die Stadt Köln eine Wohnung im rechtsrheinischen Köln zur Verfügung stellen könne. Diese soll 41 Quadratmeter Wohnfläche bieten. Mit dabei der Freund von Frau Winand. Es geht also um die Unterbringung von sieben Menschen. Das wären rechnerisch pro Person 5,85 Quadratmeter zum Leben, Schlafen, Kochen, Duschen, Spielen oder Hausaufgaben machen.

Rau betonte die Schwierigkeiten eine Wohnung für die Familie zu finden. Die Stadt Köln äußerte sich zu dem Fall und der Entscheidung des Verwaltungsgerichts schriftlich. Das Verwaltungsgericht ging in seinem Urteil nicht zimperlich mit der Stadt Köln um. Im Kern trifft es die Aussage, dass die Stadt Köln alles tun müsse, um Obdachlosigkeit zu vermeiden und unter Umständen Wohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt anmieten muss.

Die alternative Unterbringung

Nach der Zwangsräumung am gestrigen Dienstag wollte die Stadt die Familie in einem Obdachlosenhotel in Ehrenfeld zunächst unterbringen. Dies hätte bedeutet, dass die Familie täglich die Kinder von Ehrenfeld ins rechtsrheinische Porz hätte bringen müssen, wo diese die Kita oder Schule besuchen.  Zu diesem Unterbringungsvorschlag schreibt die Stadt Köln: „Die der Familie angebotene Wohnung mit einer Gesamtfläche von rund 85 Quadratmetern übererfüllt nach Einschätzung der Stadt die Flächenkriterien für die Unterbringung und beinhaltet in zwei Kleinappartements zwei Küchen und zwei Bäder. Allerdings verlängert sich durch die Lage des familienfreundlichen Objekts der Weg zu den Kinderbetreuungsstätten erheblich. Deshalb prüft die Stadt derzeit, die Möglichkeiten für die Gewährung von Mobilitätshilfen (Einrichtung eines Shuttles von und zu den Kinderbetreuungsangeboten) zur Überbrückung dieses Umstandes.“

Der Gerichtsentscheid

Zudem prüft die Stadt gegen den Eilentscheid des Verwaltungsgerichts Köln vorzugehen. Dieses hatte die Stadt angewiesen die Familie unterzubringen. Dazu schreibt die Verwaltung: „Die Stadt Köln erachtet es als fraglich, ob tatsächlich alle vorliegenden Merkmale der in Aussicht gestellten Unterbringung hinreichend gewürdigt wurden. Der zuständige Richter führt selbst in seiner Beschlussbegründung zudem an, dass er mangels Zeit nicht in der Lage war, den Sachverhalt vollständig zu ermitteln.“

Im schriftlichen Statement lässt Dr. Harald Rau, Beigeordneter für Soziales, Gesundheit und Wohnen der Stadt Köln, sich so zitieren: „Jeder einzelne Fall von drohender Obdachlosigkeit ist einer zu viel. Insbesondere, wenn Kinder betroffen sind, wie dies aktuell der Fall ist, betrifft und bekümmert mich eine solche Situation sehr. Nicht ausreichender Wohnraum und Überforderung mancher Menschen als Mieterin oder Mieter, sind immer größer werdende Hürden“.

Die Stadtverwaltung spricht davon, dass die Familie Winand seit 2017 von der Fachstelle Wohnen betreut werde. Diese habe erreichen können, dass die Zwangsräumung für die seit 2020 ein gerichtlicher Räumungsbeschluss bestehe, auf den 17. Januar 2023 verschoben werden konnte. Die Stadt spricht davon, dass eine Beschlagnahmung der Wohnung durch die Verwaltung rechtlich nicht durchsetzbar gewesen wäre.

Die Behauptung

Die Stadt wälzt die Verantwortung eine passende Wohnung zu finden, auf die alleinerziehende Mutter ab: „Zur Kündigung des Mietverhältnisses trugen nicht bezahlte Mietschulden und auch wiederkehrende Polizeieinsätze bei. Diese Vorkommnisse erschwerten der Klientin und den sie unterstützenden Ämtern und Organisationen das Finden eines Ersatzwohnraums erheblich.“ Zudem stellt sich die Frage woher potenzielle Vermieter:innen Kenntnis über Mietschulden und Polizeieinsätze haben sollten. Die Polizei Köln bestätigte gegenüber report-K mittlerweile, dass sie bei der Familie vor Ort war.*

Die Reaktion

Der Kölner SPD-Politiker Jochen Ott twittert zu dem Fall von Frau Winand und ihren fünf Kindern: „Ich schäme mich für diese Stadt. Ein grüner Sozialdezernent ohne Plan, keine Zusammenarbeit der beteiligten Ämter (Sozial-Wohnungs-, Jugendamt … Chancengleichheit für die Kinder? Ich erwarte eine sehr schnelle Lösung. Das soziale Köln, wo ist es hin…“

Die Familie ist derzeit in einem Hotel in der Kölner Altstadt untergekommen. Dort muss sie aber vor dem Wochenende wieder ausziehen, da dann alle Zimmer dort belegt sind.


*Hinweis der Redaktion: Die Polizei beantwortete mittlerweile die Anfrage von report-K. Die Redaktion veränderte die entsprechende Textpassage, wo darauf hingewiesen wurde, dass diese Frage noch offen war.

ag