Köln | Die Bürgerinitiative Zukunft Neumarkt hat eine Mail an die Parteien im Kölner Rat und an die Stadtverwaltung geschickt. Darin schildert die Initiative die Situation der Drogenszene am Kölner Neumarkt und stellt Fragen zur Handlungsweise der Stadtverwaltung aber auch zur Herkunft der Drogenabhängigen.
Ist die Frage der Herkunft von Drogenabhängigen legitim?
Die Bürgerinitiative ist der Auffassung, dass das Suchthilfesystem für die Bürger:innen der jeweiligen Stadt ausgelegt sei. Woher sie das nimmt, sagt sie nicht. Zwar spricht die Bürgerinitiative es nicht direkt aus, aber impliziert, ob das Kölner Hilfsangebot nur Kölner Drogenabhängigen zur Verfügung stehen sollte. So schreibt die Bürgerinitiative: „Bei der auffälligen Szene handelt es sich mehrheitlich um einen Personenkreis, die nicht aus der Kölner Bürgerschaft stammt.“
Dabei stellt etwa der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht und Drogenfragen fest, dass das Drogenproblem nicht vor nationalen Grenzen halt mache. So ist die inhaltliche Grundlage der gemeinsamen Sucht- und Drogenpolitik der Mitgliedstaaten in der EU-Drogenstrategie und dem EU-Drogenaktionsplan ausgelegt und näher definiert. Dort finden sich auch die von der Bürgerinitiative angesprochenen Drogenkonsumräume. Im EU-Strategiepapier heißt es: „Darüber hinaus ist es ist unerlässlich, dass zu diesem Zweck für alle Drogenhilfsdienste angemessene Ressourcen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene bereitgestellt werden.“
Harsch ist zudem die Ausgrenzung der von Sucht Betroffenen, indem die Bürgerinitiative ihnen mindere Qualifikation unterstellt. So schreibt die Bürgerinitiative: „Man kann davon ausgehen, dass dieser Personenkreis mit hoher Wahrscheinlichkeit niemals aufgrund seiner Ausbildung, Qualifikation und – verursacht durch exzessiven Drogen- und Alkoholkonsum – schlechten gesundheitlichen Zustand, seinen eigenen Lebensunterhalt bestreiten können wird.“ Schon bei der Frage nach der Herkunft bleibt offen, woher die Bürgerinitiative die Daten nimmt und sie stellt sich ebenfalls hier. Die von Sucht betroffenen Personen werden als wirtschaftlicher Faktor gesehen. Ist das legitim vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass Menschen die süchtig sind als Patienten mit einer Krankheit zu werten sind.
Kritik am Sozialdezernat
So irritierend die Ausgrenzungen der Bürgerinitiative gegenüber Menschen, die an einer Suchterkrankung leiden, so berechtigter erscheint die Kritik an der städtischen Behörde Sozialdezernat. So verweist die Bürgerinitiative auf einen Ratsbeschluss aus dem Jahr 2016. In diesem mahnt die Politik die Erweiterung des dezentralen Kölner Hilfsangebotes als Aufgabenstellung des Sozialdezernates an und fordert diese von der Verwaltung ein. Kritisch sieht die Bürgerinitiative, dass bis heute, also acht Jahre später, unter der Verantwortung von Sozialdezernent Rau, das Sozialdezernat nicht weiter ist, als sich ebenfalls dieser Forderung anzuschließen. Die Bürger:innen sehen das Sozialdezernat in der „Umsetzungsverantwortung“. Dazu schreibt die Initiative: „Bei konkreter Hinterfragung, warum der Ausbau der Hilfsangebote vom Ergebnis her sehr mager und über Jahre sehr schleppend verlaufen ist, wird immer wieder als Argument die mangelnde Bereitschaft Kölner Immobilienbesitzer benannt, die keine Räumlichkeiten für diese städtischen Hilfsangebote zur Verfügung stellen.“
Die Mitglieder der Bürgerinitative machten Fotos aus dem Umfeld des Drogenkonsumraums an der Lungengasse und stellen fest, dass private Vermieter nicht ein solches Umfeld für ihre Immobilie wünschten. Kritisch sehen die Bürger:innen die Arbeit der Security-Firma, die rund um die Substitutionsambulanz aktiv ist. Dazu schreibt die Initiative: „Die Gremien und Personen innerhalb der Stadt Köln, die für den Betrieb der Substitutionsambulanz sowie des Drogenkonsumraums verantwortlich sind, haben sich gemäß der jeweiligen Betreiberverordnung auch dem Thema der negativen Beeinträchtigung des Umfeldes nicht nur zu widmen, sondern vor allem diese auf jeden Fall zu verhindern. Wenn die Mindeststandards der Betreiberverordnung nicht eingehalten werden, kann es sogar durch die Landesregierung zum Widerruf der Betriebserlaubnis des Drogenkonsumraums führen. Darüber hinaus können gemäß BGH-Urteil nicht unwesentliche Schadensersatzforderungen von Seiten der wirtschaftlich Geschädigten gegen die Betreiber und Vermieter einer Suchthilfeeinrichtung eingefordert werden. Dass vor dem Hintergrund einer jahrelangen öffentlichen Diskussion um die Missstände rund um den Neumarkt diese katastrophalen Zustände gegenüber den betroffenen Bürgern und Gewerbetreibenden ignoriert und schlimmer noch billigend in Kauf genommen werden, ist absolut nicht nachvollziehbar.“
Weiter heißt es in dem Schreiben an Rat und Stadtverwaltung: „Der Druck der betroffenen Bürger wird immer größer. Daher stellt sich hier die Frage, ob der immer wiederkehrende Lösungsansatz (längere Öffnungszeiten im Drogenkonsumraum sowie zwei zusätzliche Mitarbeiter für das aufsuchende Suchtclearing) hier überhaupt zu einer sinnvollen Lösung beitragen kann.“