Köln | Es sind die persönlichen Schicksale, die die Dimension des Verbrechens der Nationalsozialisten und ihres totalitären Regimes erst verdeutlichen und noch heute viele Jahrzehnte später immer wieder aufs Neue offenbar werden lassen. Wladimir Patrikejew ist einer von neun Gästen der 35. Gruppe aus dem Besuchsprogramm für ehemalige Zwangsarbeiter, der in Köln seine richtige Geburtsurkunde erhielt, denn er wurde 1943 in Deutschland geboren.

Die Geschichte von Wladimir Leonidowitsch Patrikejew

Einen Monat nach Besetzung der Stadt Lugansk am 17. Juli 1942 wurde seine Mutter, eine damals 21-jährige junge Frau nach Köln verschleppt und zur Zwangsarbeit verpflichtet. Sie kam in ein Lager in der Nähe von Köln und arbeitete bei einem Arzt in Lindenthal. Dort war sie aber nicht lange, denn durch eine Verletzung und ihre Schwangerschaft sei sie in das Lager, den Namen kennt Wladimir Leonidowitsch Patrikejew nicht mehr, zurückgeschickt worden. Nach seiner Geburt am 13. März 1943 kamen die beiden nach Wittenhorst am Niederrhein und kehrten 1945 schließlich nach Russland zurück. Wladimir Leonidowitsch Patrikejew war auch bedingt durch eine Lungenentzündung in einem Lager für Zwangsarbeiterkinder interniert. Durch die dort vorherrschenden grausigen starben von den 130 dort untergebrachten Kindern 99.

Das Programm

Es sind die Kinder, die in Deutschland geboren sind, die jetzt nach Köln kommen und übrigens nicht um ein touristisches Besuchsprogramm zu absolvieren, wie Dr. Jung, der Leiter des NS-DOK betont, sondern um einen Dialog über die damalige Zeit zu führen. Durch die Besuche konnten mittlerweile über 2.700 Fotos und 25.000 Datensätze zur Zwangsarbeit während der NS-Zeit in Köln gesichert werden. 647 ehemalige Zwangsarbeiter sind der Einladung gefolgt und 498 Interviews dokumentiert. Unter anderem nehmen die Gäste auch an einer Schulveranstaltung in der Willy-Brandt-Gesamtschule teil und werden am Samstag der Einweihung des Denkmals für ermordete Zwangsarbeiter in Köln-Ossendorf beiwohnen.

Walentina Wassilewna Dolgaja wurde mit ihrer Mutter und ihrem Bruder nach Köln verschleppt. Ihre Mutter musste in einer Apfelsaft Fabrik in Lindenthal arbeiten. In ihrer Erinnerung sind noch sehr stark die amerikanischen Luftangriffe verhaftet. Asja Andrejewna Gajewa wurde nur wenige Tage nach ihrer Geburt am 29. September 1943 mit ihren beiden Brüdern nach Köln, wo die Mutter zunächst in einem Lokomotiv-Depot arbeiten musste. Walentina Semjenowna Jeschtschenko wurde im Mai 1944 in Köln geboren, ihre Mutter bereits 1942 verschleppt und im Messelager interniert, wo sie bei der Bauhilfe DAF Zwangsarbeit leisten musste. Swetlana Jemeljanowna Parchomenko erinnert sich selbst nicht mehr an ihre Zeit in Köln, sondern nur noch an die Erzählungen ihrer Mutter, die bei Ford in Köln-Niehl arbeiten musste. Ihre Eltern fesselten sie tagsüber während der Zeit als sie arbeiten mussten ans Bett. Die Aufseher hätten ihrer Mutter immer wieder Essen zukommen lassen, da es für die Kinder keine Essensrationen gab. Soja Alexejewna Pimenowa und ihre ganze Familie wurden im Jahr 1942 nach Köln verschleppt. Auch ihre schwangere Mutter musste bei Ford Zwangsarbeit leisten. Galina Wassilewna Slepcowa wurde im Februar 1945 in Köln geboren. Ihre Mutter leistete Zwangsarbeit in einer Trikotagenfabrik und kam 1942 nach Köln.

[infobox]Das Austauschprogramm wurde initiiert von der Projektgruppe Messelager, einer unabhängigen, geschichtswissenschaftlich-politischen Initiative im Verein EL-DE-Haus, das finanziell von der Stadt Köln unterstützt wird. Der erste Austausch fand im Jahr 1989 statt.

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Autor: Andi Goral
Foto: Wladimir Leonidowitsch Patrikejew mit seiner Mutter im Jahr 1945