Jeder von ihnen erzählte heute seine eigene ganz besondere Lebensgeschichte – geprägt von Leid und Schmerz, das ihnen in Deutschland widerfahren ist. Alle waren sie unfreiwillig nach Deutschland gekommen und mussten hier unter unmenschlichen Lebensbedingungen für das fremde Land arbeiten. Iwan Juchimowitsch Ponomarenko beispielsweise musste den Krieg der Deutschen gegen sein Vaterland unterstützen, während sein Vater an der Ostfront für die Ukraine kämpfte. „Ich kämpfte gegen meinen Papa und er kämpfte gegen mich“, berichtete Ponomarenko heute auf Deutsch.

Mit 14 in ein fremdes Land
Auf Einladung von Oberbürgermeisters Fritz Schramma kamen gestern neun ehemalige Zwangsarbeiter zusammen mit ihren Kindern und Enkeln aus der Ukraine nach Köln. In seiner Vertretung begrüßte heute Bürgermeisterin Angela Spitzig die Gäste im Historischen Rathaus der Stadt. Dort brach aus vielen das erfahrene Leid wieder hervor. Mit Tränen in den Augen und aufgewühlten Stimmen erzählten sie davon, dass sie nachts transportiert wurden, um nicht zu sehen, wohin die Reise ging, dass sie mit den Deutschen nicht sprechen und nicht an einem Tisch sitzen durften, dass sie versuchten zu fliehen, weil sie das Leben in Deutschland nicht ertrugen. Man sah ihnen an, dass es gut tat, den Schmerz und das Leid einmal auszusprechen, der ihnen in dieser Stadt widerfahren ist.

Seit sie in die Ukraine zurückgekehrt sind, waren sie nicht mehr in Köln gewesen. Nun sind sie dankbar für die Reise. „Ich habe in meinen Erinnerungen viel an Deutschland gedacht. Ich hatte viele gute aber auch sehr viele schlechte Erinnerungen. Durch meinen Besuch hier habe ich jetzt das Schlechte vergessen. Köln ist eine schöne Stadt geworden“, sagt Anissija Filippowna Mostowaja. Mit 14 Jahren wurde sie 1942 nach Köln zur Zwangsarbeit verschleppt. Hier musste sie in der Chemischen Fabrik in Köln-Kalk arbeiten. 1945 wurde sie von den Amerikanern befreit und kehrte in die Ukraine zurück.


Foto: Aus Dankbarkeit für die ermöglichte Reise nach Köln überreichte
Iwan Juchimowitsch Ponomarenko Bürgermeisterin Angela Spitzig ein Buch.


Bitte erzählen Sie uns ihre Geschichte
Mindestens 100.000 weitere Zwangsarbeiter erlitten in Köln unter der Nazi-Diktatur ein ähnliches Schicksal wie Anissija Filippowna Mostowaja und ihre acht Begleiter. Sie mussten unter unmenschlichen Bedingungen in der Rüstungsindustrie oder in anderen Bereichen arbeiten. Seit 2001 organisiert das NS-Dokumentationszentrum in Zusammenarbeit mit der Projektgruppe Messelager die Besuche von ehemaligen Zwangsarbeitern. Morgen besuchen die neun Ukrainer ihre alten Haft- und Arbeitsstätten. Außerdem steht in dieser Woche noch ein Schulbesuch auf dem Programm. Bürgermeisterin Angela Spitzig betonte diesen wichtigen Teil ihrer Reise. „Bitte erzählen Sie uns Ihre Geschichte. Ihre Erzählungen berühren Kinder und Jugendliche mehr als Filme oder Dokumente“ so Spitzig. „Wir sind sehr dankbar, dass Sie unsere Einladung angenommen haben.  Ich möchte, dass Sie wissen, dass Sie hier Freunde haben“ entließ die Bürgermeisterin ihre Gäste.


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Natalia Zarudna, Botschafterin der Ukraine, trägt sich in das Gästebuch der Stadt Köln ein.


Bei dem Empfang war auch Natalia Zarudna, Botschafterin der Ukraine, anwesend. Zusammen mit den ehemaligen Zwangsarbeitern trug sie sich in das Gästebuch der Stadt Köln ein. Zarudna bekräftigte Spitzigs Worte. „Für uns, die nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurden, ist es schwer zu begreifen, was sie erlebt haben. Vergessen Sie ihre Geschichten nicht. Denn sie sind die Botschafter des Zweiten Weltkrieges. Unsere Aufgabe ist es, ihre Erzählungen nicht zu vergessen“, so Zarudna.

Cornelia Schlößer für report-k.de/ Kölns Internetzeitung