Report-k.de: In der letzten Sitzung stellte Pro Köln 20 Anträge, die dann von der Partei auf die nächste Sitzung verschoben wurden. Das bedeutet ja für die nächste Sitzung noch mehr Anträge, als die, die es ohnehin geben würde. Gab es schon mal so eine Häufung an Anträgen?

Josef Wirges: Nein, so etwas gab es in der Bezirksvertretung Ehrenfeld noch nicht. Grundsätzlich ist es gutes Recht jeder Fraktion, so viele Anträge einzureichen, wie sie es für notwendig erachtet. Um aber zu verhindern, dass von einer Fraktion 10, 15 oder noch mehr Anträge hintereinander diskutiert werden, favorisiere ich das so genannte Rotationsmodell wie in den Ratssitzungen, d.h. unabhängig von der Anzahl der eingegangenen Anträge jeder Fraktion oder Einzelmitglieder wird nach der Stärke der Fraktion der 1. Antrag der stärksten Fraktion an 1. Stelle auf die Tagesordnung gesetzt, dann der Antrag der zweitstärksten Fraktion usw. usw. und das wiederholt sich dann auch bei weiteren Anträge der jeweiligen Fraktionen. Ich werde dieses Verfahren den Fraktionen vorschlagen, ob sie das auch so handhaben möchten.

Die Sitzungen werden auch immer wieder durch Zwischenrufe selbst aus dem Publikum gestört. Im Rat sind solche Zwischenrufe verboten. Wie ist das in der Bezirksvertretung geregelt?
Die Geschäftsordnung, die Zwischenrufe verbietet, gilt für den Rat und die Bezirksvertretung gleichermaßen, daher sind Zwischenrufe auch in Sitzungen der Bezirksvertretung nicht gestattet. Wer im Zuhörerraum Beifall oder Missbilligung äußert oder die Ordnung oder den Anstand verletzt, kann von mir zur Ordnung gerufen und auf meine Anordnung notfalls mit Gewalt entfernt werden. Bei permanenter Unruhe im Zuhörerraum kann der Bezirksbürgermeister die Sitzung unterbrechen und notfalls auch nach vorheriger Abmahnung den Zuhörerraum räumen lassen, wenn die störende Unruhe auf andere Weise nicht zu beseitigen ist.

Bei der Sitzung am 19. Mai waren Sicherheitskräfte zum ersten Mal im Einsatz. Wer trägt die Kosten?
Aufgrund meiner Einschätzung habe ich über die Stadt Köln eigene Ordnungskräfte angefordert. Ich nehme an, dass bei den zukünftigen Sitzungen auch diese Sicherheitskräfte weiterhin im Einsatz sein müssen. Letztendlich zahlen die Steuerzahler die Kosten für deren Einsatz. Die Verantwortung tragen die, welche die demokratischen Spielregeln missbrauchen möchten.

Wie reagieren die demokratischen Parteien auf diese Vorfälle?
Sie zeigen sich solidarisch. Nach den verschiedenen schlimmen Vorfällen habe ich E-Mails von Mitgliedern anderer Parteien und demokratischen Organisationen erhalten. Darin haben sie mein Vorgehen begrüßt. Klar ist: Diese schlimmen Vorkommnisse, z.B. vom 15. Mai dieses Jahres, wo Ordner von "Pro Köln" meinten, sie könnten auch Fraktionsmitgliedern anderer demokratischer Parteien den Zugang zu unserem Rathaus und deren Fraktionsräumen verweigern, darf sich nie mehr wiederholen. Dagegen müssen wir uns mit allen demokratischen Mitteln wehren. Das Rathaus ist ein neutrales Gebäude.

Das Ehrenfelder Thema wie der Bau der Ditib-Moschee wird ja nicht nur im Bezirk thematisiert. Die Rechtspopulisten  nutzen es ja auch für landesweite Kampagnen. Wie werten Sie dieses Vorgehen?
Das ist natürlich die Strategie der Rechtsextremisten. Sie haben sich den Neubau des DITIB-Gemeindezentrums in Ehrenfeld ausgesucht, um auf Stimmenfang zu gehen und die Menschen zu verunsichern. Dagegen hilft nur eines: Aufklärung. Ich vermute, dass es nach der Sommerpause in den weiteren Sitzungen unserer Bezirksvertretung ab August noch hoch hergehen wird. Im August wird der Bebauungsplan für den Neubau des Gemeindezentrums und die Moschee diskutiert und beschlossen und danach geht er zur abschließenden Entscheidung in den Rat. Ich hoffe, dass die dann bei dieser Sitzung recht zahlreich anwesenden Zuhörerinnen und Zuhörer sich jeglichen Beifalls oder Missbilligung enthalten. Größtenteils haben sie sich ja schon eine Meinung gebildet und im Übrigen hat die Bürgeranhörung ja auch schon stattgefunden. Daher werden auch entsprechende Vorkehrungen zum ordnungsgemäßen Sitzungsablauf durch mich zu treffen sein. Insgesamt, so denke ich, dass Störungen bis zur Kommunalwahl 2009 anhalten werden.

Fühlen Sie sich als Vorsitzender der Bezirksvertretung durch „Pro Köln“ instrumentalisiert?
Als Bezirksbürgermeister wird man schnell in eine Schublade gesteckt, aber instrumentalisieren kann man nur einen, der sich auch instrumentalisieren lässt. Wegen der Ordnungsmaßnahmen, die ich ergriffen habe, hieß es, ich hätte mich „undemokratisch“ verhalten. Die Strategie ist es, einen mürbe zu machen und zu versuchen, Veranstaltungen mit Störungen zu sprengen. Doch ich werde diesem Druck nicht nachgeben.

Inwieweit würden Sie sagen, ist konstruktive Politik unter diesen Umständen möglich?
Auch in dieser unruhigen Phase gilt es, kühlen Kopf zu bewahren. Es ist den Fraktionen überlassen, ob sie über Anträge diskutieren oder sie von der Tagesordnung absetzen. Laut Gemeindeordnung könnten wir beispielsweise auch Tagesordnungspunkte vorziehen. Grundsätzlich werde ich darauf achten, dass alle Damen und Herren unserer Bezirksvertretung das Recht haben, ungestört und frei reden zu können und daher die Geschäftsordnung weiterhin stringent anwenden. Positiv ist hierbei zu bemerken, dass die demokratischen Fraktionen in der Bezirksvertretung Ehrenfeld auch und gerade durch das Verhalten von "Pro Köln" näher gerückt sind. Dies ist ein gutes Zeichen. "Pro Köln" ist in der Bezirksvertretung Ehrenfeld isoliert.

Wie stellen Sie sich künftige Sitzungen in der Bezirksvertretung vor?
Ich habe das soeben ja schon einmal kurz skizziert. Besonders bei den Antragsberatungen gilt es, Ruhe zu bewahren und im Übrigen werden beleidigende Äußerungen etc. im Rahmen der Geschäftsordnung geahndet. Wer sich an unsere demokratischen Regeln nicht hält, hat daher auch mit Sanktionen zu rechen.

Welche Auswirkungen haben solche Vorfälle auf Sie persönlich?
Ich will nicht verhehlen, dass mich manche E-Mails, in denen ich zum Beispiel als „Helfershelfer linksradikaler Schläger“ bezeichnet werde, betroffen machen. Gleichzeitig aber wurde auch meine Art der Sitzungsleitung für angemessen und richtig befunden Die demokratischen Fraktionen haben dies auch in ihrer Resolution zur letzten Sitzung der Bezirksvertretung zum Ausdruck gebracht. Dies bestärkt mich, dass wir alle auf dem richtigen Weg sind. Im Grunde genommen stand ich schon immer von verschiedenen extremistischen Menschen unter politischem Feuer. Bedenklich ist jedoch, mit welcher Aggressivität manche Zeitgenossen auf mich zukommen und mich beschimpfen. Aber als Bezirksbürgermeister muss ich jedoch mehr vertragen können als andere. Das heißt aber nicht, dass diejenigen, die mich als ihren persönlichen Feind erkoren haben, auch weiterhin Unwahrheiten verbreiten können, da gibt es Grenzen. Das werde ich juristisch prüfen lassen. Wer Angst hat, hat schon verloren.

Vielen Dank für das Gespräch.

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Zur Person:
Josef Wirges ist seit 1970 Mitglied der SPD, seit 1979 Mitglied der Bezirksvertretung Ehrenfeld. Von 1980 bis 1996 war er stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD Ehrenfeld. Seit 1996 ist  Wirges Bezirksbürgermeister in Ehrenfeld. Der 55-Jährige ist verheiratet und hat eine Tochter. 

Das Gespräch führte Nadin Hüdaverdi für report-k.de/ Kölns Internetzeitung