Köln | Yann Kerninon betreibt Philosophie auf Youtube, liebt Heidegger und Heavy Metal und schickt Studierende der französischen Elitehochschule ESSEC in Zentren für Drogenabhängige und Asylanten. Nach Köln kommt er für ein philosophisches Gespräch über Europa. Wir stellen den Mann vor und fragen, was Philosophen zu Europa sagen können.
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Hinweis der Redaktion: Am Ende des deutschen Interviews finden Sie eine Version auf Französisch.
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Interview: Christoph Mohr

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„L’Europe kidnappée“: Conversation et discussion philosophique
„Das entführte Europa“ Philosophisches Gespräch und Diskussion

Institut français Köln,
25. September 2020, 19h30 – 22h
Eintritt frei,
Reservierung notwendig
Info.koeln@institutfrancais.de
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Ein französischer „philosophe“ ist nicht dasgleiche wie ein deutscher „Philosoph“. Wie definieren Sie Ihre Rolle als philosophe?

Es gibt in Frankreich, insbesondere durch den Existentialismus, eine Tradition des „philosophe engagé“ (engagierten Philosophen), eine Figur, die bis heute Bestand hat – leider, wie mir scheint, in einer ziemlich entwürdigten Form seit der „Nouvelle Philosophie“, was sich heute tendenziell auf ein Gerede in den Medien über irgendein tagesaktuelles Thema reduziert und nichts Philosophisches mehr hat.Mir scheint, dass es in Deutschland den „Philosophen“, von dem Sie sprechen, eher in einer akademischen und institutionellen Ausprägung gibt.

Ich selbst als Autodidakt finde mich weder in der einen noch in der anderen Ausprägung wieder. Ich würde mich selbst als einen „Feld-Philosophen“ definieren, das heißt als jemanden, der das Denken nutzt, um zu handeln und ein philosophisches Leben zu leben. Ich sehe mich auch als „Handwerker-Philosophen“, in dem Sinne, dass meine Arbeiten, ohne den Anspruch einer akademischen Philosophie-Konstruktion zu haben, die systematische Strenge der philosophischen Arbeit respektieren, will sagen: zu versuchen, die relevanten Fragen zu stellen und Konzepte zu entwickeln, die hilfreich sein können, die Welt zu denken, in der wir leben.

Sie sagen von sich, dass Sie von Heidegger inspiriert sind. Erklären Sie uns diese durchaus erstaunliche Liebesgeschichte zwischen Frankreich und Heidegger (zumindest bis zur Veröffentlichung der „Schwarzen Hefte“, Heideggers Tagebüchern aus den 1930er Jahren).

Auf deutscher Seite sind es tatsächlich Nietzsche und Heidegger, die mir etwas sagen. Auf französischer Seite mag ich Foucault oder Deleuze, die das genaue Gegenteil zu Heidegger darstellen. Mein ganzes Leben besteht darin, Dinge zusammen zu bringen, die nicht oder nur schwer zusammen passen, Philosophie und Punk Metal (Hardcore-Punk) beispielsweise in meinen zwei letzten Büchern. Was Heidegger betrifft, gäbe es viel zu sagen, insbesondere über seine Zustimmung zum Nazismus. Dies stellt natürlich ein Problem dar. Aber ich sehe nicht, wie wir das Heideggersche Denken aussparen könnten. Das, was er über unsere Beziehung zur Technik, unser Vergessen des Seins, die kalkulierende Vernunft, die Entwurzelung des Menschen in Bezug auf das Lebendige sagt, berührt den Kern heutiger Fragestellungen, besonders die Frage des Absurden, der Sinnentleertheit, die uns heute so bedrückt. Der „Nazismus von Heidegger“ gibt natürlich zu denken auf, was störend und problematisch ist. Aber ich habe manchmal den Eindruck, dass die legitime Anprangerung seines Nazismus vor allem ein Mittel darstellt, sich seinem Denken nicht zu stellen. Denn sein Denken hinterfragt den monströsen Charakter unserer heutigen Zeit. Eine Monstrosität, von der wir nicht unbedingt hören wollen und es uns vorziehen läßt, ohne Ende die Monstrosität Heideggers zu betonen.

Sie betreiben sozusagen Philosophie auch auf Youtube.

„Sozusagen“, ja. Youtube entspricht nicht unbedingt der klassischen Vorstellung von Philosophie.

Und das umso weniger, da ich mich da durchaus nicht schäme, den Clown zu geben, um meinen Beiträgen mit schnellen Schnitten einen Rhythmus zu geben. Aber vor fünf Jahren, als ich anfing, diese kleinen Videos des Formats „Philosophie dient zu nichts und das ist gut so“ zu realisieren, habe ich mir einen sehr strengen Rahmen gesetzt, der sich radikal von dem unterscheidet, was die Mehrzahl der „Youtube-Philosophen“ macht. Ich behandele beispielsweise nie einen Philosophen in fünf Minuten in seiner Gesamtheit. Im Gegenteil behandele ich zehn, ja sogar fünfzehn Minuten lang ein einziges philosophisches Konzept. Ich spiele sehr mit der Form, aber was den Inhalt anbelangt, bleibe ich so strikt wie möglich. In diesem Sinne versuche ich auch hier die ehrliche Arbeit eines Handwerkers abzuliefern.

An ESSEC, einer Wirtschaftshochschule, die auch mit der Universität Mannheim kooperiert, sind Sie für das Programm „Expérience Terrain“ (etwa Vor-Ort-Erfahrung) verantwortlich. Worum handelt es sich dabei?

„Expérience Terrain“ ist ein Selbsterfahrungsprogramm, das 2007 von ESSEC gestartet wurde. An dem Programm nehmen jedes Jahr mehr als eintausend Studierende teil. Ich schicke dabei unsere Studierenden einen Monat lang Vollzeit in sehr konkrete Vor Ort-Erfahrungen, was heißen kann: Fabriken, Migranten- oder Asylantenlager, Supermärkte, Zentren für Menschen mit geistiger Behinderung, Schulen in sozialen Brennpunkten, Pommes frites machen in Fastfood-Restaurants, Zentren, die mit Drogenabhängigen arbeiten etc. Die Besonderheit dieses Ansatzes ist, dass ich selbst alle Orte für dieses Programm selbst aussuche, um die Qualität der Erfahrung sicher zu stellen und jegliche pseudo-humanitäre Folklore und jeden Sozial-Tourismus auszuschließen.
Ich betreibe und entwickle dazu ein Netzwerk von etwa fünfzig Partnern, was von Burger King über Emmaus (der von Abbé Pierre begründeten Bewegung zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit und Armut) und (der Non-Profit-Organisation) Secours Populaire bis zur Supermarktkette Auchan reicht.

Es handelt sich um eine durchaus prägende Konfrontation mit der Realität und auch um eine Begegnung mit der ökonomischen, kulturellen und sozialen Diversität von Männern und Frauen, denen unsere Studierenden sonst eher selten begegnen. Ich bin sehr stolz darauf, dieses Programm zu koordinieren, das Verbindungen (zwischen Menschen) knüpft in einer Zeit, deren Hauptaufgabe darin zu bestehen scheint, die persönliche Begegnung zu zerstören.

Befindet sich Europa in der Krise?

Ja, Europa ist in der Krise und nicht nur das. Auch der Geist, der den Aufbau Europas geleitet hat, steht unter Attacke von innen und außen. Die Krise Europas hat seinen Ursprung im Wesen Europas und paradoxerweise auch im Erfolg Europas. Europa war ein Projekt des Friedens und der universellen Brüderlichkeit, das über eine konkrete Praxis funktionierte: Handel, Wirtschaftsaustausch, Dialog, gemeinsame Projekte etc. Und damit hatten wir Erfolg! Und man muss sich wirklich vor Augen halten, dass es sich hier um ein echtes Wunder handelt. Aber dieser Erfolg und auch seine etwas prosaische Natur (Handel, Lebensmittel, Züge etc.) führen tendenziell dazu, dass uns die großen Antriebskräfte für politischen Enthusiasmus fehlen, nämlich Hoffnung und Utopie. In diesem Sinn hat Europa, so wundervoll der Erfolg auch sein mag, wegen der relativen Vollendung etwas Langweiliges.

Europa lässt damit das Feld frei für die andere große politische Leidenschaft, die es gibt: Angst, Wut, Gewalt und Hass. Die anti-europäischen Demagogen in Italien oder in Frankreich zum Beispiel stützen sich nur auf Angst und Wut. Auch der tragische kollektive Selbstmord, den der Brexit darstellt, verfährt nach der gleichen Ablehnung der Begegnung mit dem Anderen. Was tun? Man muss es erreichen, von neuem das Bewusstsein in Europa für die Hoffnung und die belebenden Leidenschaften zu mobilisieren. Aber natürlich ist das nicht einfach. Denn das Wesen Europas selbst ist ein Misstrauen gegenüber solchen politischen Leidenschaften oder ein bisschen zu viel versprechenden Utopien.

Teilen Sie die Auffassung, dass es nicht genug Diskussion über die Zukunft Europas gibt?

Wie Gilles Deleuze mit Humor sagte: „Philosophen lieben keine Diskussionen“. In Wahrheit gibt es ja endlos Diskussionen über Europa, aber Diskussion bedeutet nicht Nachdenken. Ob im Fernsehen oder auf Twitter, ständig wird über Europa und alle möglichen anderen Themen geredet. Aber diese Rederei hindert das Nachdenken über die Zukunft von Europa, weil jeder damit beschäftigt ist, gegen irgendetwas zu polemisieren oder diese oder jene Meinung zu verteidigen. Die Zukunft Europas liegt darin, dieses echte Wunder zu verkörpern, das Europa eben darstellt, d.h. einen Raum von Bürgern die „in Vielfalt geeint“ (das offizielle Europa-Motto) sind und in einem Rechtsstaat leben, dessen Ziel es ist, so gut wie möglich die Freiheit eines jeden zu garantieren und die Gleichheit von allen.

Diese einfachen Prinzipien, die wir von der Aufklärung und von Hegel geerbt haben, sind überall bedroht, selbst in den USA. Sie sind jedoch absolut notwendig für ein Leben in Würde der größten Zahl von Menschen. Die Flüchtlinge, die unter Lebensgefahr versuchen, nach Europa zu kommen, wollen ja genau das. Sie kommen ja nicht nur, um von einer Wirtschaftslage zu profitieren, die besser ist als in ihren Heimatländern. Sie hoffen auch auf Gesellschaft, in denen Recht, Freiheit und Gleichheit gelten.

Was können Philosophen zur Konstruktion des Europas von morgen beitragen?

Nach dem zweiten Weltkrieg hat der Philosoph Alexandre Kojève der Philosophie im eigentlichen Sinne entsagt, um sich im Wesentlichen der politischen Aktion und insbesondere dem Bau Europas zu widmen. Als guter Leser von Hegel war er der Auffassung, dass die Philosophie letztlich nichts Wesentliches zu sagen hat. Mehr als um einen „engagierten Philosophen“, der im Namen dieser oder jener Sache spricht, handelt es sich also um einen Weisen, der aktiv wird. Das erscheint mir sehr viel interessanter. In diesem Sinne können Philosophen zu der Konstruktion Europas beitragen, indem sie ihr Metier als Fragensteller und Konzepterarbeiter ausüben, aber sie können sich nicht aktiv beteiligen. Im Übrigen wäre es auch gut, wenn sich Männer (und Frauen) aus der Praxis für Philosophie interessieren würden. Ich denke dabei insbesondere an Manager und Unternehmer, die in der heutigen Zeit die Herausforderungen Gesellschaft, Umwelt, Diversität und Ausbildung in den Griff bekommen müssen, die oft aber, als einziges Rüstzeug, Marketing und Buchführung haben.

Welche Autoren, welche Bücher, können Ihrer Meinung nach gegenwärtig am meisten das Nachdenken über die Zukunft Europas inspirieren?

Ich werde hier etwas provokant antworten: Heidegger und Nietzsche! Nietzsche stellt sozusagen Juckpulver für das europäische Modell dar. Er hinterfragt den problematischen Charakter dieser Form demokratischer Konsensträgheit, die sich um Handel und eine Art von Pseudo-Toleranz allgemeinen Wohlwollens dreht. Und um Europa zu denken, brauchen wir etwas, an dem wir uns reiben können, wenn möglich etwas, was ein bisschen interessanter ist als das Aufstoßen eines Boris Johnson oder einer Marine Le Pen. Heidegger deshalb, weil auch er mit einer großen Tiefgründigkeit den Sinn der modernen und technischen Gesellschaft hinterfragt, in der wir leben. Es würde Europa zur Ehre gereichen, wenn es in der Lage wäre, in diesen schwierigen und bewegten Zeiten, die große Aufgabe der Philosophie zu reaktivieren (was ja auch par excellence eine griechische und deutsche, also europäische Aktivität ist. „Sinn in allem suchen, was ist“, um mit Heidegger zu sprechen.

Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron hat eine Zahl von Vorschlägen zur Zukunft Europas gemacht, wenn man will: seine Vision. Teilen Sie den Eindruck, dass dies ohne wirkliche Antwort aus Deutschland geblieben sind?

Ich weiß es nicht. Ich besitze weder die Legitimität noch die Kompetenz, um ein relevantes Urteil über die Europapolitik von Emmanuel Macron abzugeben. Aber es ist in der Tat bedauerlich, dass der gute Europa-Wille von Macron in Deutschland auf eine Kanzlerin trifft, deren Handlungsspielraum begrenzt ist und die wohl auch einen gewissen Machtverschleiß erleidet.

Wenn man von der Zukunft Europas spricht, ist oft zu hören, dass nichts ohne das so genannte deutsch-französische Tandem vorangeht. Aber spiegelt das nicht einen beklagenswerten Zustand wider? Müsste die Zukunft der EU nicht durch eine Diskussion unter den 27 Mitgliedsstaaten entschieden werden?

Bei dieser Frage entfernen wir uns sehr weit von der Philosophie und ich versuche zu vermeiden, jemand zu sein, der auf alles eine Antwort hat und über jedes Thema spricht. Ganz allgemein kann man aber sagen, dass niemand an den Realitäten vorbeikommt. Und bei diesem Themenkomplex heißt das eben, dass Europa strukturell auf der deutsch-französischen Axe beruht. Man kann idealistisch sein und hoffen, dass es anders sei und sich sogar dafür einsetzen, dass es so kommt.

Aber wenn man darauf wartet, dass alle EU-Mitglieder aufstehen und eine Reform Europas machen, dann kann man lange warten. In der Realität ist die treibende Kraft oft deutsch-französisch, danach gibt es eine europäische Debatte. So ist es heute. Aber vielleicht ändert sich das eines Tages.

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Version française

Un „philosophe“ à la française n’est pas la même chose qu’un „Philosoph“ allemand. Comment définissez-vous votre rôle de philosophe?

Il y a en France, notamment via l’Existentialisme, une tradition du « philosophe engagé », une figure qui perdure aujourd’hui. Hélas, il me semble, sous une forme assez dégradée, notamment depuis la « nouvelle philosophie », qui tend aujourd’hui à se réduire à un bavardage médiatique sur n’importe quel sujet d’actualité et qui n’a plus rien de philosophique. Il me semble qu’en Allemagne, le « Philosoph » dont vous parlez reste dans une forme plus académique et institutionnelle. Par mon parcours autodidacte, je ne me retrouve ni dans l’un, ni dans l’autre. Je me définirais comme un « philosophe de terrain », c’est-à-dire quelqu’un qui utilise la pensée pour tenter d’agir et d’incarner une vie philosophique. Je me vois aussi comme un « artisan philosophe », au sens où mes écrits – sans prétendre à une construction philosophique académique – respectent la rigueur du travail philosophique, à savoir : tenter de poser des questions pertinentes et forger des concepts qui peuvent nous être utiles pour penser le monde que nous habitons.

Vous vous dites inspiré par Heidegger. Expliquez-nous cette histoire d’amour étonnante entre la France et Heidegger (au moins jusqu’à la publication des „Cahiers noirs“)

Du côté allemand, Nietzsche et Heidegger me parlent en effet. Du côté français, j’aime Foucault ou Deleuze qui sont aux antipodes de Heidegger. Toute ma vie consiste à faire se rencontrer des choses qui ne se rencontrent pas ou difficilement : la philosophie et le punk metal par exemple dans mes deux derniers livres. Concernant Heidegger, il y aurait beaucoup à dire, notamment sur son adhésion au nazisme. Cela pose évidemment problème. Mais je ne vois pas comment nous pourrions faire l’économie de la pensée de Heidegger. Ce qu’il dit sur notre rapport à la technique, notre oubli de l’Etre, la pensée calculante, le déracinement de l’homme à l’endroit du vivant touche au cœur des questions de notre temps, en particulier la question de l’absurde, du « manque de sens » qui pèse si lourdement aujourd’hui. Le « nazisme de Heidegger » donne à penser, de façon gênante et problématique. Mais j’ai parfois le sentiment que la dénonciation légitime de son nazisme est surtout un moyen de ne pas entendre sa pensée. Car sa pensée interroge le caractère monstrueux de notre temps. Une monstruosité dont nous ne voulons pas forcément entendre parler, préférant souligner – à n’en plus finir – la monstruosité de Heidegger.

Vous faites, pour ainsi dire, de la philosophie également sur Youtube.

« Pour ainsi dire », oui. Le format de Youtube ne correspond pas à la vision classique que l’on peut avoir de la philosophie. D’autant que je ne me gêne pas pour faire le clown, pour rythmer mon propos par un montage relativement rapide, etc. Mais il y a cinq ans, quand j’ai commencé à réaliser ces petites vidéo de « La philosophie ça sert à rien et c’est ça qui est bien », je me suis fixé un cadre très strict, radicalement opposé à ce que font la plupart des « youtubeurs philosophes ». Je ne traite jamais en cinq minutes d’un philosophe dans sa totalité. Je traite, au contraire, en dix voire quinze minutes, un seul concept philosophique de façon un minimum approfondie. Je m’amuse beaucoup avec la forme, mais reste aussi rigoureux que possible sur le fond. Je tâche en ce sens, là aussi, de faire un honnête travail d’artisan.

A l’ESSEC, une école de commerce qui collabore également avec l’université de Mannheim, vous êtes responsable du programme „Expérience Terrain“. Qu’est-ce que c’est?

L’Expérience Terrain est un programme de pédagogie par l’expérience lancé par l’ESSEC en 2007 et qui concerne aujourd’hui plus de mille étudiants chaque année.

J’envoie nos étudiants sur le terrain pendant un mois à temps plein dans des stages très « terrain », aussi bien dans des usines que dans des camps de migrants ou de demandeurs d’asile, des supermarchés, des centres d’accueil pour personnes handicapées mentales, des collèges réputés difficiles, des fast-food pour cuire des frites, des associations qui interviennent dans la toxicomanie. La spécificité de cette démarche est que je trouve la totalité des stages de ces étudiants afin de garantir la qualité des expériences et éviter tout folklore pseudo « humanitaire » et le volontourisme. J’anime et développe donc un réseau d’une cinquantaine de partenaires qui vont de Burger King à Emmaüs ou le Secours Populaire en passant par les supermarchés Auchan. Il s’agit d’une confrontation marquante avec certaines réalités des organisations et aussi d’une rencontre forte avec une diversité économique, culturelle, sociale, avec des hommes et des femmes que nos étudiants ne rencontrent pas toujours. Je suis très fier de coordonner ce programme qui tisse des liens à une époque dont la tâche principale semble d’être de détruire la rencontre.

L’Europe est-elle en crise?

Oui, l’Europe est en crise et l’esprit même de la construction européenne subit des attaques intérieures et extérieures. La crise européenne procède de l’essence même de l’Europe et aussi, paradoxalement, de sa réussite. L’Europe visait un projet de paix et de fraternité universelle qui passe par une pratique concrète : le commerce, l’échange, le dialogue, les réalisations communes, etc. Nous y sommes arrivés ! Et il faut bien avoir en tête que c’est un authentique miracle. Mais cette réussite – ainsi que sa nature un peu prosaïque (le commerce, l’épicerie, les trains…) – a tendance à nous priver d’un des grands moteurs de l’enthousiasme en politique : l’espoir, l’utopie. En ce sens, toute miraculeuse qu’elle soit, l’Europe, du fait de son relatif aboutissement, a quelque chose d’ennuyeux. Elle laisse donc le champ libre à l’autre passion politique majeure : la peur, la colère, la violence, la haine. Le tragique suicide collectif du Brexit procède lui aussi du rejet de la rencontre de l’autre et du mortifère. Que faire ? Les démagogues anti-européens en Italie ou en France, par exemple, fondent leur projet sur la peur et la colère uniquement. Parvenir à mobiliser à nouveau la conscience européenne sur de l’espoir et des passions vivifiantes. Mais ce n’est pas une mince affaire. Car l’essence même de l’Europe est une méfiance à l’endroit des passions politiques ou des utopies un peu trop enthousiasmantes…

Partagez-vous l’opinion qu’il n’y a pas assez de discussions sur l’avenir de l’Europe?

Comme le disait avec humour Gilles Deleuze, « le philosophe n’aime pas les discussions ». A vrai dire, il y a sans cesse des discussions sur l’Europe, mais les « discussions » ne sont pas de la pensée. De la télévision à Twitter, on bavarde sans cesse sur l’Europe et sur mille autres sujets. Mais ce bavardage empêche de penser l’avenir de l’Europe, tout affairé qu’il est à polémiquer et à défendre telle ou telle opinion. L’avenir de l’Europe est de continuer à incarner ce véritable miracle qu’est l’Europe, à savoir un espace de citoyens « unis dans la diversité » (la devise de l’Europe) qui vivent dans un Etat de droit dont l’intention, a priori, est de garantir autant que possible la liberté de chacun et l’égalité de tous. Ces principes simples hérités des Lumières et de Hegel sont partout menacés, même aux Etats-Unis. Ils sont pourtant incontournables pour une vie digne pour le plus grand nombre. Les réfugiés qui tentent, au péril de leur vie, de venir en Europe ne s’y trompent pas. Ils ne viennent pas seulement bénéficier d’une économie plus florissante que chez eux. Ils aspirent aussi à une société de Droit, de liberté et d’égalité.

Qu’est-ce que les philosophes peuvent apporter à la construction de l’Europe de demain?

Après la seconde guerre mondiale, le philosophe Alexandre Kojève a renoncé à la philosophie à proprement parler pour se consacrer essentiellement à l’action politique et, en particulier, à la construction européenne. En bon lecteur de Hegel, il estimait que la philosophie n’avait finalement plus rien d’essentiel à dire. Plus qu’un « philosophe engagé » qui parle au nom de telle ou telle cause, il s’agit donc d’un sage qui se met en action. Cela me semble beaucoup plus intéressant. En ce sens, les philosophes peuvent contribuer à la construction européenne en faisant dignement leur métier de poseurs de bonnes questions et de créateurs de concepts, mais ils peuvent aussi se mettre en action. Il serait bon aussi, d’ailleurs, que les hommes (et les femmes) d’action s’intéressent à la philosophie. Je pense notamment au monde des affaires et de l’entreprise qui doit aujourd’hui prendre en main des enjeux de société, d’environnement, de diversité, d’éducation, mais avec, bien souvent, comme seul bagage, le marketing et la comptabilité !

Quels sont les auteurs/les livres qui, selon vous, peuvent actuellement inspirer le plus la réflexion sur l’avenir de l’Europe?

Je vais être un peu provocateur : Heidegger et Nietzsche!

Nietzsche constitue un authentique poil à gratter pour le modèle européen, il interroge le caractère problématique de cette forme de mollesse consensuelle démocratique articulée autour du commerce et d’une sorte de pseudo tolérance bienveillante généralisée. Et pour penser l’Europe, nous avons besoin de poil à gratter, si possible un peu plus intéressant que les éructations de Boris Johnson ou de Marine Le Pen. Heidegger ensuite, parce qu’il interroge, lui aussi, avec une extrême profondeur, le sens de la société moderne et technique que nous habitons. Ce serait tout à l’honneur de l’Europe d’être capable, dans ces temps complexes et troubles, de réactiver la grande tâche de la philosophie (activité grecque et allemande par excellence, donc européenne) : « rechercher le sens dans tout ce qui est », pour le dire avec Heidegger.

Le Président français Emmanuel Macron a présenté un certain nombre de propositions, une vision, si l’on veut, sur l’avenir de l’Europe. Partagez-vous l’impression que celles-ci sont restées sans vraie réponse de la part de l’Allemagne?

Je ne sais pas. Je ne suis ni légitime, ni compétent pour donner une opinion pertinente sur la politique européenne d’Emmanuel Macron. Mais il est en effet sans doute regrettable que la bonne volonté européenne de Macron doive fonctionner en Allemagne avec une chancelière dont la marge de manœuvre est assez faible et qui souffre sans doute d’une certaine usure du pouvoir.

Si l’on parle de l’avenir de l’Europe, il est souvent dit, que rien n’avance sans le soi-disant couple franco-allemand. Est-ce que ce n’est pas le reflet d’une situation lamentable? L’avenir de l’Europe (communautaire) ne devrait-il pas être décidé par une discussion entre les 27?

Là encore, on s’écarte beaucoup de la philosophie et je tâche d’éviter de me prendre pour un « toutologue » qui serait susceptible de bavarder sur n’importe quel sujet. D’un point de vue plus général je dirais donc simplement que personne ne peut faire l’économie du réel. Et dans ce domaine, le réel dit que l’Europe est structurellement fondée par le couple franco-allemand. On peut souhaiter de manière idéaliste qu’il en soit autrement et même agir pour que cela se fasse. Mais si l’on attend que tous les membres de l’Union se lèvent ensemble pour faire la même réforme de l’Europe, on risque d’attendre longtemps. De fait la force de proposition est souvent franco-allemande, ensuite il y a débat européen. C’est ainsi. Cela changera peut-être un jour.

Autor: Interview: Christoph Mohr
Foto: Screenshot aufgenommen am 23. September aus dem Youtube Kanal (https://www.youtube.com/channel/UCK9SSOwk5iOGWEfzc9nAAbA) von Yann Kerninon des Clips „LPSR #15 – L’Etre vers la mort – Martin Heidegger par Yann Kerninon“