Köln | Eine Sendung des „WDR“ hat diese Woche eine intensive mediale und gesellschaftliche Debatte ausgelöst. In einer Folge der Talkshow „Die letzte Instanz“ ging es um die Abschaffung des Begriffs „Z-Wort*-Sauce“. Einige der eingeladenen Prominenten äußerten sich inzwischen selbstkritisch, der Shitstorm in den Sozialen Medien löste eine Debatte in den institutionalisierten Medien aus. Eine Zusammenfassung der wichtigen Debatte und Kölner Stimmen.

Was bisher geschah

4 Gäste, 4 Themen, das ist das Konzept der „WDR“-Talkshow „Die letzte Instanz“. Pro Folge sprechen der Moderator Steffen Hallaschka und seine prominenten Gäste über vier unterschiedliche Themen. Das Format soll, so Hallaschka in einem Facebook-Post, an eine Runde von Freunden in einer Kneipe erinnern. Am Ende jeder Diskussion halten die Teilnehmer entweder eine rote, oder eine grüne Karte in die Kamera. Sie stimmen über kontroverse Fragen so mit Ja oder Nein ab. In der 8. Folge lautete eine Frage: „Das Ende der Z-Wort-Sauce: Ist das ein notwendiger Schritt?“. Das einvernehmliche Votum der Gäste: Nein. Bei den Gästen handelte es sich um die Schauspielerin Janina Kunze, den Entertainer Thomas Gottschalk, den Moderator Micky Beisenherz und den Schlagersänger Jürgen Milski. Da sitzen fünf weiße Menschen und reden über ein Thema, von dem sie keine Ahnung haben, finden viele Zuschauer und Zuschauerinnen auf Twitter. Seit einer Woche wird die Sendung scharf kritisiert. Dabei löste die Erstausstrahlung im November 2020 keine Reaktionen aus. Erst die Wiederholung am 29. Januar führte zu starken und vor allem negativen Reaktionen auf Twitter. Den Shitstorm griffen viele institutionalisierte Medien auf und der „WDR“ führte mit seiner eigenen Unterhaltungschefin dazu selbst ein Interview.

Der Shitstorm auf Twitter

„Suchen sie sich in Zukunft bitte Themen aus, die nicht geeignet sind, den roten Teppich zu Klischees und Diskriminierung auszulegen. Alternativ könnten sie natürlich auch auf die Idee kommen jeweils Betroffene zu der Sendung einzuladen“, twitterte ein Zuschauer am 30. Januar, dem Tag nach der Sendung. Mit dieser Meinung ist er nicht allein. „Naiv“, „empathielos“ und „unkritisch“, so lautet das Urteil vieler Zuschauer und Zuschauerinnen auf Twitter, über den Umgang der Gäste mit dem Thema Alltagsrassismus. Sie finden es unter anderem problematisch, dass zu einer Diskussion über Rassismus nur weiße Menschen eingeladen waren.

„Das hier ist das mit Abstand ignoranteste, arroganteste und diskriminierendste was ich seit langem im deutschen TV gesehen habe! Vier weiße Menschen, die erklären wie anstrengend und albern es ist sich mit Rassismus-Kritik auseinandersetzen. DANKE @WDR. „ twitterte die Comedy-Autorin Jasmina Kuhnke. „Mir fehlen die Worte. Das ist wirklich nur noch zum schämen“, wertete die SPD-Vorsitzende Saskia Esken. „Die #WDR-Macher sollten konsequent sein und sich gleich selbst öffentlich geißeln wie im Mittelalter“, twittert hingegen der Journalist Boris Reitschuster, ironisch. Er vertritt die Meinung, die eher eine Ausnahme bei den kritischen Stimmen bilde, dass der „WDR“ sich durch seine Entschuldigung selbst zensiere.

Das sagen von Alltagsrassismus Betroffene

Inzwischen hat sich auch der Zentralrat der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma zu dem Vorfall geäußert. Die Sendung zeige wie weit Antizignaismus immer noch verbreitet sei, so der Rat. Um solche Vorfälle zukünftig zu verhindern fordert er mehr Vertreter und Vertreterinnen der Sinti und Roma in den Medien. Aus Köln melden sich die Grünen zusammen mit der Grünen Jugend, der Rom e.V. und der Runde Tisch für Integration zu Wort. Alle drei kritisieren „Die letzte Instanz“ scharf. „Es kann nur eine Konsequenz geben: Tom Buhrow muss sich bei allen von der rassistischen Diskriminierung der Talk Show Betroffenen entschuldigen und einen grundsätzlichen Kurswechsel einleiten“, erklärt der Kölner runde Tisch für Integration. Der Verein Rom e.V., ein Kölner Verein für die Verständigung von Rom (Sinti und Roma) und nicht-Rom, möchte juristisch gegen den „WDR“ vorgehen, weil die Sendung immer noch in der Mediathek zu sehen ist. „Hate speech im Netz kann inzwischen gelöscht werden, warum bleibt diese antiziganistische Sendung in der Mediathek?“, fragt das Vorstandsmitglied Ruzdija Sejdovic, „Wenn die, die sich entschuldigt haben, es wirklich ernst meinen, könnten sie freiwillig ‚Schmerzensgeld‘ an Roma-Organisationen zahlen oder an antirassistischen Workshops teilnehmen.“ Viele Kritiker und Kritikerinnen zeigten sich außerdem bestürzt, weil die Sendung zwei Tage nach dem Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust wiederholt wurde. „Die Ausstrahlung der Sendung zwei Tage nach dem Holocaust-Gedenktag macht außerdem einmal mehr auf tiefsitzende Probleme in der Gesellschaft aufmerksam. Porajmos, der Völkermord der Nationalsozialisten an den europäischen Roma, ist weitgehend unbekannt und nicht ausreichend Bestandteil der schulischen Bildung“, kommentiert Leon Schlömer, der Sprecher der Grünen Jugend Köln.

Die Medien berichten

In den institutionalisierten Medien geht die Diskussion weiter. „Rassismus ist nicht debattierbar“, heißt es in dem Artikel „Endlich andere Gesichter“ von Susan Djahangard in „Zeit Online“. Sie kritisiert nicht nur die Auswahl der Gäste, sondern das Thema der Sendung selbst. Viele nutzen den Vorfall um über Antiziganismus und Rassimus in Deutschland zu schreiben. In einigen Kommentaren und Kolumnen bleibt es nicht bei der Kritik an „Die letzte Instanz“. „Im Sichentschuldigen hat der WDR inzwischen eine gewisse Routine“, schreibt Aurelie von Blazekovic in dem Artikel „Die Zerknirschung“ in der „Süddeutschen Zeitung“, und verweist auf „WDR“-Shitstorms der Vergangenheit. „Die Sendung war kein Unfall“, meint taz-Redakteurin Anne Fromm. Der „WDR“ habe Angst davor anspruchsvoll zu sein, so ihre Meinung. „Von wegen letzte Instanz“ kritisiert auch Jan Küveler in der „WELT“ den „WDR“. Allerdings dafür, dass er dem Shitstorm nachgegeben hat.

„WDR“ und Beteiligte reagieren

Am 31. Januar reagiert der WDR auf den Tweet von Jasmina Kuhnke. In einem zweiteiligen Tweet entschuldigt sich der Sender: „rückblickend ist uns klar: Bei so einem sensiblen Thema hätten unbedingt auch Menschen mitdiskutieren sollen, die andere Perspektiven mitbringen und/oder direkt betroffen sind. Wir lernen daraus und werden es besser machen“. Die getwitterte Entschuldigung ähnelt einem Hinweis, den der WDR der 8. Folge von „Die letzten Instanz“ in seiner Mediathek hinzugefügt hat. „Die nachfolgende Sendung steht aktuell unter starker Kritik – und das zurecht“, heißt es da. Entfernt werden soll die Folge nicht. Das verkündet die Unterhaltungschefin, Karin Kuhn, des ‚WDR‘s in einem Interview am 1. Februar. Anstatt mit einem unabhängigen Medium zu sprechen, führt der „WDR“ dieses Interview mit sich selbst. Dort übt Kuhn Selbstkritik: „Die Kritik ist absolut berechtigt. […] Ich kann es nicht anders ausdrücken: „Diese Folge von ‚Die letzte Instanz‘ ist misslungen“. Allerdings verweist Kuhn auch auf das Engagement des „WDR“ für Integration und Diversität. Der „WDR“ habe sich in der Vergangenheit, so stark wie kaum ein anderer Sender, für die Themen Integration und Diversity eingesetzt.

Inzwischen haben sich auch einige der Beteiligten zu der Sendung geäußert. „Es tut mir unendlich leid und ich habe festgestellt, dass ich nicht ausreichend aufgeklärt bin“, postet Janina Kunze auf Instagram. Micky Beisenherz entschuldigt sich in seinem Podcast „Apokalypse und Filterkaffee“, und auf Twitter: “Eine Sendung, in der vier Kartoffeln sitzen und mittels Karten über Rassismus abstimmen hat ein Problem. Und auch meine Rolle in der Show war keine gute. Ich habe die Kritik aufmerksam gelesen und finde sie auch berechtigt. Ganz klar mein Fehler. Sorry“. Auch Steffen Hallaschka wendete sich mit einem Statement an die Öffentlichkeit. Auf Facebook schreibt er: „Ich muss schmerzlich erkennen, wie viele Menschen unseren Talk ‚Die letzte Instanz‘ als massiv verletzend und rassistisch diskriminierend erlebt haben.“ Den Verlauf der Diskussion hätte er sich anders gewünscht. Dem steht der Vorwurf des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma gegenüber, Hallaschka habe die Diskutanten angestachelt.

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*Die Redaktion hat sich entschlossen das „Z-Wort“ nicht auszuschreiben, weil die öffentliche Verwendung des Wortes von der Sinti und Roma Community per se als diskriminierend wahrgenommen wird. Das „Z-Wort“ ist eine Fremdbezeichnung, welches an die Verfolgung der Sinti und Roma während der NS-Zeit erinnert.

Autor: Franziska Balzer | Foto: Collage aus Screenshots zur Debatte auf Twitter