Dieses Video auf Twitter sorgte für Empörung: Feiernde laufen an Sicherheitskräften vorbei, dabei ist unklar, wann die Aufnahme entstand und ob es sich um einen Kontrollpunkt handelt an dem der Status 2G untersucht wird.

Köln | Es sind die Fotos und Videos, die die Kommentatoren in den sozialen Netzwerken oder den institutionalisierten Medien bundesweit zum Karnevalsgeschehen am 11.11. in Köln zum einen bestürzt zurücklassen und die Fragen an die Verantwortlichen an erster Stelle Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker, NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst und Christoph Kuckelkorn den Präsidenten des Festkomittee Kölner Karneval stellen. Eines ist jetzt schon klar: Köln und NRW kommen dabei nicht positiv weg und die großen Satiresendungen folgen ja erst noch.

Wäre ein Verbot rechtlich nicht möglich gewesen?

Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker, selbst Verwaltungsjuristin, behauptet, dass sie bezweifle ob ein rechtliches Verbot möglich gewesen wäre und sagte zudem mit Hinweis auf Brauchtum und Karneval zu den Menschen: „Ich glaube, das werden sie sich einfach nicht mehr gefallen lassen“. In einer späteren Pressemitteilung vermerkt die Stadt Köln zu den Feiern in der Altstadt: „Trotz des großen Andrangs hätten die Einlasskontrollen gut funktioniert. Für die Feiernden sei auf Heu- und Alter Markt ausreichend Platz geblieben.“ Zum sogenannten Zülpicher Viertel erklärt die Stadt: „Auch hier funktionierten die 2G-Kontrollen an den Zugängen. Es gab wenige Einzelfälle, bei denen Personen ohne 2G-Kontrolle auf in die Veranstaltungszone gelangt sind – was nicht heißt, dass sie die 2G-Regel nicht erfüllt haben.“

Am 10. November veröffentlichte das NRW-Innenministerium eine Mitteilung an die Öffentlichkeit in der Innenminister Herbert Reul, CDU, schriftlich zitiert wird: „Auch ich freue mich, dass wir dieses Jahr wieder ein bisschen feiern dürfen, aber wir müssen noch immer halblang machen. Die Pandemie ist noch nicht vorbei, im Gegenteil – die Infektionszahlen sind so hoch wie nie. Daher gilt der dringende Appell: Halten Sie sich an die Regeln, lassen Sie sich testen, bleiben Sie auf Abstand!“ Wie sollten Jecke auf Abstand bleiben, wenn die Flächen so besetzt wurden, dass ein Abstand halten gar nicht möglich war?

Lasche Kontrollen und überrannte Sperren?

Zur Zeit der Pressemitteilungen der Stadt kursiert schon lange ein Video, das zeigt wie lasch die Kontrollen gewesen sein sollen. Unklar ist, ob es sich um eine Kontrollstelle handelte oder die dort vorbeidrängenden Jecken schon kontrolliert wurden. (Auch ist unklar von wann das Video ist, also ob es von diesem Elften im Elften stammt) Zu sehen ist aber, dass die Jecken einfach zwischen den Mülleimern durchrennen. Aber selbst als noch alles ruhig war, waren die Kontrollen lasch. Reporter, die alle den 2G-Regeln entsprechen, dieser Internetzeitung passierten in der Kölner Altstadt mehrere Kontrollstellen ohne nach Impfausweis und Legitimation gefragt zu werden. Auch andere Journalist*innen, die die Kontrollen testeten berichten von laschen und wenig sorgfältigen Kontrollen. Als etwa der Andrang am Heumarkt immer größer wurde, wurde im Sekundentakt kontrolliert. Wer kann da kontrollieren ob ein Impfpass echt ist und zu demjenigen passt der ihn vorzeigt. Ein Screenshot und eine Anpassung in Photoshop, dazu braucht die Generation der Digital Natives heute keinen Grafiker mehr.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie lange die Stadt die Erzählung von 2G-Feiern aufrecht erhalten kann? In der schon zitierten Pressemitteilung des Innenministers Reul steht weiter zur 2G-Regel: „Auch die Polizei wird kontrollieren, ob die Regeln eingehalten werden und bei Verstößen einschreiten“. Davon war in Köln am Elften im Elften nichts zu sehen. Später teilt die Polizei Köln mit: „Polizisten der Bereitschaftspolizei haben sich frühzeitig an den Kontrollstellen im Bereich der Zülpicher Straße aufgestellt, um bei Bedarf die Ordnungskräfte der Stadt sofort zu unterstützen.“

Der Twitter-Sturm

Jan Böhmermann twittert: „Alaaf! Heute als ‚Sexy Krankenschwester‘ auf der Zülpicher Straße, an Weihnachten als ‚Sexy Intubierte‘ in der Uniklinik!“ Der Hashtag #Karneval trendet wie kein anderer heute. Viele empörte Twitter-User*innen verweisen auf die Parallelität des Katastrophenfalls in Bayern und der tobenden Karnevalsmenge in Köln. Andere ziehen in Zweifel, dass Eigenverantwortung und Karneval kompatibel sind. Die Heute-Show twittert: „Dei 18 fährt dieses Jahr nicht nach Istanbul, sondern zur Uniklinik.“

Das Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn, der im realen Leben Bestattungsunternehmer ist, wird mit seiner Einstellung als Realsatire bezeichnet: „RL einfach besser als jede Satire. Kölle Alaaf und R.I.P.“ schreibt ein User und postet darunter Bilder von Kuckelkorn in beiden Rollen. Auch der „Tagesspiegel“ verwies auf diesen Zusammenhang und schrieb: „‚Wir wissen, was wir tun‘: Wenn ausgerechnet ein Bestatter den Karneval in der Pandemie am Leben hält Feiern mitten in der Pandemie – ist das Wahnsinn? Nein, sagt der Präsident des Kölner Festkomitees Christoph Kuckelkorn. Aber so wie früher wird es nicht sein.“

Ein anderer User zieht den Vergleich zu Ischgl: „Die Bilder vom #Karneval in #Köln haben schon so leichte Ischgl-im-Frühjahr-2020-Vibes.“ Auch der Vergleich mit Heinsberg und der Karnevalssitzung in Gangelt zu Beginn der Pandemie wird immer wieder gezogen.

Ein Twitterer sagt: „Die Bilder vom #Karneval in Köln sind die Spitze der ultimativen Arschtritte für alle Pflegenden, für alle in den Notdiensten, für alle, die Angehörige und Freunde und/oder die Freude an ihrem Beruf verloren haben in den letzten 2 Jahren. Verachtenswert. Schämt euch.“

Kritik nicht nur auf Twitter

Der Weltärztepräsident Ulrich Montgomery erklärte auf „RTL“ dass die Szenen aus Köln und die Pandemie nicht zusammenpaßten. Es habe ihn gegraust diese Bilder zu sehen.

Kurz nachdem der Countdown auf der Bühne am Heumarkt abgeschlossen war, appellierte Oberbürgermeisterin Henriette Reker an die Jecken sich an die Regeln zu halten und sagte voraus, was nur wenige Stunden danach passierte: „Wir wollen doch alle nicht erleben, dass wir kritisiert werden.“ Die „Welt“ titelte: „‚Weihnachten als ‚Sexy Intubierte‘ in der Uniklinik!‘ – Kritik am Karnevalstreiben“, der „Deutschlandfunk“ schreibt „Kölns OB Reker verteidigt Karneval-Feiern mit 2G gegen Kritik“ oder „Spiegel“ Online titelt: „Vernunft trifft auf Enthemmung“.