Südstadt-Pfarrer Hans Mörtter. Foto: Bopp

Köln | Entpflichtet. Hans Mörtter (67) von der Lutherkirche also im Ruhestand? Nicht so ganz…

Im Interview mit report-K spricht der meinungsfreudige Geistliche aus der Südstadt über seine Pläne für die Zukunft!

Nach 35 Jahren Dienst in Pension zu gehen oder aus dem Veedel wegzuziehen, kommt für den Menschenfänger und „Engel der Südstadt“ nicht in Frage.

Kritiker werfen ihm Geltungssucht vor. Mörtter nutzt seine Strahlkraft aber bewusst, um auf Missstände mit dem Finger zu zeigen, legt sich dafür mit Behörden und Politikern an und stellt sich jeder Diskussion, auch wenn das Gegenüber anderer Meinung ist.

Hans, was sind jetzt die nächsten Ziele?

Mörtter: Ich freue mich riesig, dass ein Abschnitt zuende geht und ein neuer beginnt. Dass ich eine neue Freiheit habe und nicht mehr so gejagt und gehetzt bin. Ich kann viel konzentrierter arbeiten jetzt. Ich bin nicht mehr sofort für alles zuständig.

Hans Mörtter im Interview über Corona, die Ukraine und den Winter

Corona, Krieg, Inflation: Sind Sie zuletzt an Ihre Grenzen gekommen?

Mörtter: Ich habe gemerkt, es ist so viel geworden. Jeder meint, ich könne ihm helfen oder was machen. Klar bin ich super vernetzt. Aber die Leute denken dann: „Dann hast du ja `ne Wohnung für mich oder Hilfe“. Das ist schon deftig.

Dieses Anhören, Verdauen, Mail-Beantworten wird weniger werden. Auf der anderen Seite stehen wir vor diesem Winter vor riesigen Herausforderungen. Wenn es den Leuten dreckig geht und sie nicht mehr klarkommen. Das war zu Beginn von Corona ja genauso.

Wie war das?

Mörtter: Es haben Leute gehungert, damit die Kinder satt werden. In Köln und Deutschland hungern Menschen? Das war doch unvorstellbar. Dass die Tafeln nicht ausreichen. Da werde ich genau hingucken und habe auch Kontakt zu einigen Jugendzentren, ich habe auch meine Assistentin, wir werden sehen, was wir tun können.

Haben wir eine Versager-Regierung?

Mörtter: Ich bin froh, dass die SPD in der Regierung ist. Weil sie wieder das Soziale für sich entdeckt. Man kann mit ihnen reden. Und die denken darüber nach. Da sind Leute, die zuhören und dann darauf reagieren und einen ernst nehmen. Da sehe ich Gesprächspartner.

Was mir große Sorgen macht, ist die Frage: Geht es in eine Depression rein? Wo bleibt das Prinzip Hoffnung, dass wir da durchkommen? Corona war eine harte Strecke, dann kam der Krieg dazu. Meine Aufgabe ist es, den Leuten Mut zu machen nach dem Motto: Wir kommen da durch. Lasst Euch nicht plattmachen.

Hans Mörtter in einem seiner Clips auf Facebook. Foto: privat

Was sind die größten Probleme, die Köln akut hat?

Mörtter: Das Größte sehe ich in der Entwicklung zur egomanischen Gesellschaft. Es gibt diesen Film: Da rast ein Asteroid auf die Erde. Und die amerikanische Präsidentin gibt die Regel aus: „Don´t look up“, schaut nicht hin. Diese Mentalität haben wir jetzt.

Ich kenne Leute, die mir sagen: „Ich schaue keine Nachrichten mehr“. Die bauen sich eine Wagenburg, lassen nichts mehr an sich ran, fliegen lieber schnell nach Mallorca und machen nur noch das, was ihnen gut tut und gucken nur noch für sich. Es ist gefährlich, wenn wir die Empathie verlieren. Abstumpfen. Uns nichts mehr weh tut. Dann implodiert eine Gesellschaft.

Wie die Kirche, wenn man die Austritte bedenkt?

Mörtter: Natürlich gibt es in der katholischen Kirche mehr Missbrauch, weil es eine Männerkirche ist. Aber sie wollen es verändern, sind in dem Prozess drin. Die deutschen Katholiken:innen sind im Aufbruch, im Widerstand. Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem.

Es droht das prinzip: ich muss mich durchschlagen

Hans Mörtter

Geht die Solidarität verloren, wenn die Energiepreise steigen?

Mörtter: Es droht das Prinzip: Ich muss mich durchschlagen, Pech, wenn es auf Kosten anderer geht. Das meinte ich ja vorhin. Ich erlebe aber auch, dass es bei den alleinerziehenden Frauen so ist, dass sie aufeinander gucken. Weil sie im gleichen Boot sitzen. Da läuft schon was.

Wieviel Geld haben Sie mit Ihrem Fonds für Corona-Bedürftige gesammelt?

Mörtter: Im Coronafond habe ich gut 600.000,- € an Spenden sammeln und damit Menschen wirkkräftig retten können. Mariele Millowitsch hat mich angerufen vor ein paar Tagen und sagte: „Ich mache mir Sorgen über das was jetzt kommt. Ich möchte armen Familien helfen.“ Sie spendet jetzt monatlich. Bevor ich irgendwas gesagt hatte., Das finde ich total klasse und ermutigt mich, mich wieder auf den Weg zu machen.