Köln | Am 16. Mai vor 72 Jahren begann die Deportation der Sinti und Roma in Köln vom Bahnhof Deutz-Tief aus in die Ghettos und Vernichtungslager nach Polen. Bereits 1935 wurden diese Menschen jedoch ins sogenannte „Zigeunerlager“ in Bickendorf, in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Sportplatzes des Vereins „Schwarz-Weiß Köln“, verfrachtet. Dort wurden sie nach rassistischen Kriterien erfasst und zur Zwangsarbeit geschickt. Am dortigen Bahnübergang, wo jetzt nur noch ein Schild an die Taten von damals erinnert, gedachte man auch gestern, am Jahrestag der Deportation, mit einer Mahn- und Gedenkveranstaltung den Opfern.

Diese Veranstaltung wurde vor vier Jahren unter anderem von Sänger und Musiker Rolly Brings ins Leben gerufen. Und natürlich stand er auch heute mit etwa 50 Bürgern an dem Ort, von wo der Leidensweg der Kölner Sinti und Roma seinen Ausgangspunkt genommen hatte, um ein Zeichen gegen Rassismus, Diskriminierung und Unterdrückung zu setzen.

Ehrenfelder Verein sorgte für Neubepflanzung der Anlage

Erst vor zwei Tagen hatte Katja Mildenberger vom Ehrenfelder Verein für Arbeit und Qualifizierung für eine Neubepflanzung der Anlage vor dem Mahnmal gesorgt. Dort sind nun kleine Holzstücke zu einem lockeren Weg angelegt. Mit der Zeit sollen Rosen diesen überwachsen. Die Idee zu diesem Projekt hatte die Kölner Designerin Ilga Eger.

Kein Platz für Rassismus in der Gesellschaft

Ehrenfelds Bezirksbürgermeister Josef Wirges erinnerte daran, wie wichtig eine gesellschaftliche Erinnerungskultur sei. Mit Blick auf die Pro NRW-Kundgebung von vergangener Woche vor der Ehrenfelder Moschee mahnte er, dass „Rassismus nie wieder einen Platz in unserer Gesellschaft bekommen“ dürfe. „Wir wollen das hier nicht, alle Extremisten werden es mit uns zu tun bekommen“, rief er den versammelten Bürgern zu. Dabei meine er jedoch nicht bloß Rechtsextremisten, sondern auch, wie er herausstellte, „die extremen Salafisten“.

„Unbändige Liebe zum Leben“

Normalerweise sieht man Rolly Brings selten ohne Gitarre. Doch heute wollte er nicht selber spielen. Stattdessen kam er, um der Musik des Markus Reinhardt Ensemble zuzuhören. „Was wir in der Musik dieser Kultur spüren ist zum einen die Melancholie und die Trauer um ihre angehörigen. Aber vor allem spürt man die unbändige Liebe zum Leben“, so der Kölner Musiker.

Kopf und Namensgeber der Gruppe, Markus Reinhardt, erklärte, dass die Lieder, die Sprache, „eigentlich alles, was wir wissen“, mündlich überliefert sei. Zusammen mit seinen Mitstreitern Janko Wiegand an der Akustikgitarre und Andreas Schilling am Bass spielte er Lieder, die bereits seine Verwandten in Auschwitz spielen mussten. Dort seien sie von den Nazis an der Rampe dazu gezwungen worden, lustige Lieder zu spielen, um die Neuankömmlinge bei Laune zu halten.

Autor: Dominic Röltgen
Foto: Markus Reinhardt, Andreas Schilling und Janko Wiegand (v.l.) spielen für die Zuschauer traditionelle „Zigeunermusik“