Köln | Köln, 18. August 1930: Adolf Hitler besucht zum ersten Mal die Domstadt am Rhein. In Ehrenfeld findet eine Großkundgebung statt. Die NSDAP ist noch eine unbedeutende Splitterpartei. Drei Jahre später wird sie die Macht übernehmen und die Biografien von hunderttausenden Kölnern nachhaltig beeinflussen. Der Journalist Hermann Rheindorf produzierte eine dreiteilige Dokumentation, die sich intensiv mit den Geschehnissen in der Stadt Köln und den Erfahrungen der Bürger auseinandersetzt. Historische Filmaufnahmen und Zeitzeugen dokumentieren die Jahre 1930 bis 1945. Der am 6. Dezember erscheinende erste Teil thematisiert die Machtergreifung der Nationalsozialisten in Köln.

Mindestens 60.000 Menschen sind in Köln während des Zweiten Weltkriegs ums Leben gekommen. Die Zahl der Verwundeten und Traumatisierten geht in die Hunderttausende. Am 30. Januar 2013 jährt sich die Machtergreifung der NSDAP zum 80. Mal. „Vor Kriegsbeginn drängten die Nationalsozialisten in alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens.“ erklärte Produzent Hermann Rheindorf. Die Ford-Werke, die Karnevalsvereine, Kirchen und Schulen – Interessen und Gedankengut der Nazis seien allgegenwärtig gewesen. Köln wurde zum Zentrum der Nationalsozialisten im Rheinland. „Außer NS-Ideologie hat man uns nichts beigebracht.“, erinnert sich Zeitzeuge Willi Weyers im Film an seine Schulzeit unter der NSDAP. Mit Kriegsbeginn und den ersten militärischen Erfolgen machte sich auch in Köln Euphorie unter der Bevölkerung breit. Doch spätestens als der Bombenkrieg die Domstadt erreichte, begriffen die Kölner, was Krieg bedeutet, so der Film.

Die NSDAP machte sich in den Dreißiger Jahren die hohe Armut und Arbeitslosenzahlen zunutze. „Man sah eine Hoffnung in der Diktatur.“, erklärt Zeitzeuge Ludwig Sebus im Film. Zwischen Nationalsozialisten, Kommunisten und Polizei eskalierte in den Straßen Kölns regelmäßig die Gewalt. Tägliche Aufmärsche der Nazis beeindruckten vor allem die jungen Kölner. Schließlich feierte die NSDAP deutliche Wahlsiege und veränderte das Leben in der Domstadt schlagartig.

Historische Filmaufnahmen und „urkölsche“ Zeitzeugen

Hermann Rheindorf verspricht auch eine bislang nie gesehene Fülle an historischen Filmaufnahmen, teilweise auch in Farbe. Das Material hat er aus Archiven in der ganzen Welt sowie privaten Sammlungen zusammengestellt. „Mir hat beispielsweise ein ehemaliger Kameramann der NS-Wochenschau Filmmaterial zum Bau der Rhodenkirchener Rheinbrücke zur Verfügung gestellt.“ erläuterte Rheindorf. Auch Aufnahmen des Kölner Fotografen Peter Fischer werden Rheindorf zufolge zu sehen sein. Der erste Teil hat eine Gesamtlaufzeit von 100 Minuten.

Die Interviews mit den Zeitzeugen seien mitunter sehr emotional gewesen, erklärte Rheindorf. „Die Zeitzeugen haben schwierige Phasen während des Interviews in Kauf genommen, um unser gemeinsames Ziel, das Erzählen dieser Geschichten und Erfahrungen, zu erreichen.“, so Rheindorf. Das Werk soll jedoch nicht nur außergewöhnliche Einzelschicksale abbilden. „Im Film spiegeln sich viele Familiengeschichten, wie sie zu tausenden ein Köln erlebt wurden.“, betonte Rheindorf. Die beiden anderen Teile, die sich mit der Radikalisierung der Nationalsozialisten in Köln und dem eigentlichen Krieg auseinandersetzen, sollen im kommenden Frühjahr erscheinen. Die Filmreihe entstand in Kooperation mit dem NS-Dokumentationszentrum. Der erste Teil ist ab morgen für 14,80 Euro im Handel erhältlich.

Autor: Christian Bauer
Foto: Filmemacher Hermann Rheindorf.