Brüssel | Der EU-Koordinator für Terrorismusbekämpfung, Gilles de Kerchove, hat vor Terrorangriffen auf wichtige Infrastruktureinrichtungen in Europa gewarnt, beispielsweise auf die Flugüberwachung.

„Die Ziele der Terror-Anschläge können sich ändern. Die aktuellen Angriffe durch radikale Islamisten zielten darauf ab, spezifische Gruppen wie Soldaten, Juden oder Journalisten mit einer Kalaschnikow oder einem Messer zu töten“, sagte de Kerchove der „Welt“.

Nach de Kerchoves Ansicht „ist durchaus denkbar, dass al-Qaida oder der Islamische Staat Infrastruktureinrichtungen, wie Elektrizitätsversorgung, Gasnetze und Flugüberwachung angreifen, um mit ihren Anschlägen eine große Wirkung zu erzielen. Darum müssen wir sicherstellen, dass wir ein Mindestniveau an Schutz für solche kritischen Infrastrukturen haben.“ De Kerchove erwartet weitere Terrorangriffe in Europa: „Für mich ist die Frage nicht, ob weitere Anschläge passieren, sondern wann und wo sie stattfinden werden.“

Das sei schwer zu sagen. „Aber wir müssen auf weitere terroristische Angriffe vorbereitet sein.“ Der Terrorexperte betonte, dass der IS trotz neuer Gesetze – etwa die Androhung des Entzugs von Pässen – weiterhin Zulauf aus Europa erhalte.

„Die Zahl der Europäer, die in Syrien und im Irak für den IS kämpfen, steigt auch aktuell weiter an. Trotz neuer Gesetze und verbesserter Aufklärung konnten wir den Zulauf bisher insgesamt noch nicht stoppen.“ Dabei gebe es unterschiedliche Entwicklungen in den EU-Ländern.

De Kerchove: „In einigen Ländern wie Frankreich und Deutschland steigen die Zahlen noch an, es gibt also immer noch Menschen, die das Land verlassen, um als Dschihadisten zu kämpfen. In anderen Ländern, wie Großbritannien und Belgien, sind die Zahlen dagegen einigermaßen stabil.“ Laut de Kerchove kämpften bisher mehrere Tausend Europäer für den IS. Bis heute hätten sich zwischen 4000 und 5000 Europäer im Irak und in Syrien aufgehalten, um für die Dschihadisten-Miliz zu kämpfen. „Einige davon sind bereits gestorben, andere sind derzeit noch aktiv an Kampfhandlungen beteiligt, und rund 20 bis 30 Prozent sind auf dem Rückweg nach Europa oder leben bereits wieder hier.“

Weiter fordert de Kerchove die Europäische Union auf, unverzüglich ein europaweites Gesetz zu verabschieden, das die Speicherung von Fluggastdaten (PNR) erlaubt: „Im Kampf gegen den Terrorismus braucht die EU jetzt schnellstmöglich ein Register zur Speicherung von Fluggastdaten. Wenn Fluggesellschaften verpflichtet werden, die Daten aller Passagiere, die in die EU ein- oder ausreisen, zu sammeln, können sich verdächtige Reisebewegungen besser aufspüren lassen.“ Die Chancen, Dschihadisten zu identifizieren, stiegen dadurch. „EU-Parlament und die Mitgliedsländer sollten in dieser Frage Kompromissbereitschaft zeigen und sich schnell einigen“, appellierte de Kerchove.

Er forderte im Anti-Terror-Kampf auch eine bessere Zusammenarbeit von Europol und der Grenzschutzagentur Frontex. Letztere sei „bisher nur für Grenzschutzmanagement verantwortlich, kümmert sich aber nicht um Kriminelle. Das macht Europol. So hat man eine Agentur für Grenzschutz und eine für Verbrechen. Das sind zwei Welten, die wir stärker zusammenführen sollten.“

Autor: dts | Foto: Deutsche Flugsicherung/PR