Brüssel | Die EU-Staats und Regierungschefs haben Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) als Kandidatin für die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nominiert. Das teilte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Dienstagabend in Brüssel mit. Zudem solle der belgische Premierminister Charles Michel sein Nachfolger als Präsident des Europäischen Rates werden, so Tusk weiter.

Darüber hinaus soll die derzeitige Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) werden. Der spanische Außenminister Josep Borrell werde die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini beerben, so der EU-Ratspräsident. Borrell wird damit gleichzeitig einer der Vizepräsidenten der EU-Kommission.

Weber gibt EVP-Spitzenkandidatur für EU-Kommissionsvorsitz auf

Der stellvertretende CSU-Vorsitzende Manfred Weber legt sein Mandat als Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP) nieder. „Hier hat meine Reise im letzten September als Spitzenkandidat begonnen, hier endet sie“, sagte Weber laut seinem Sprecher in der EVP-Fraktionssitzung am Dienstag in Straßburg. Damit gibt der CSU-Politiker gleichzeitig seinen Anspruch auf das Amt des EU-Kommissionspräsidenten auf.

„Es war mir eine Ehre, diese Aufgabe für die EVP und für Europa zu übernehmen“, wurde Weber von seinem Sprecher auf dem Kurznachrichtendienst Twitter zitiert.

Gabriel gegen von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin

Der frühere Außenminister und ehemalige SPD-Vorsitzende, Sigmar Gabriel, spricht sich gegen Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) als EU-Kommissionspräsidentin aus. „Es wäre schon ein starkes Stück, wenn weder Weber noch Timmermans und auch nicht Vestager Nachfolger von Jean-Claude Juncker würden“, sagte Gabriel dem „Handelsblatt“ (Mittwochsausgabe). Als „Schlag ins Gesicht der Wähler“ bezeichnete der ehemalige Außenminister den Vorschlag von EU-Ratspräsident Donald Tusk.

„Hier siegt das Hinterzimmer über die demokratische Wahl. Damit würden die Staats- und Regierungschefs Europa einen Bärendienst erweisen“, so der frühere SPD-Vorsitzende weiter. Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den „exzellenten Bundesbank-Chef Jens Weidmann“ dafür verkaufe, der „gescheiterten Verteidigungsministerin einen `eleganten` Ausstieg zu ermöglichen, wäre das ebenfalls ein starkes Stück“, sagte Gabriel dem „Handelsblatt“.

Ifo-Chef begrüßt Einigung auf Lagarde als EZB-Präsidentin

Der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, begrüßt die Berufung von Christine Lagarde an die Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB). Lagarde sei „eine sehr gute Besetzung für die Position der EZB-Präsidentschaft“, sagte Fuest der „Welt“. Sie sei sicherlich in der Lage, die unterschiedlichen nationalen Interessen und Perspektiven in der Währungsunion auszubalancieren.

„Sie hat außerdem genug politisches Gewicht, um die Unabhängigkeit der EZB gegen politische Übergriffe zu verteidigen“, so der Ifo-Chef weiter. Skeptischer äußerte sich in einer ersten Reaktion Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Hamburger Privatbank Berenberg. Lagarde sei hoch angesehen und erfahren darin, Kompromisse auszuhandeln.

„Allerdings hat sie keine Zentralbankerfahrung, weshalb ich sie nicht für die Idealbesetzung halte“, sagte Schmieding der „Welt“. Aus seiner Sicht hätte Lagarde besser auf den Posten der EU-Kommissionschefin oder EU-Ratsvorsitzenden in Brüssel gepasst. Der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, ist der Ansicht, dass sich die Zinspolitik der EZB mit Lagarde an der Spitze nicht ändern werde.

„Unter Christine Lagarde wird die EZB die lockere Geldpolitik von Mario Draghi fortsetzen“, sagte er. Er rechne „mehr denn je für die kommenden Jahre nicht mit höheren Leitzinsen“. Der EZB-Rat werde ohnehin von Vertretern der hochverschuldeten Länder im Süden der Währungsunion dominiert, so der Chefvolkswirt der Commerzbank weiter.

Auch Daniel Gros, Direktor des Brüsseler Thinktanks Centre for European Policy Studies (CEPS), geht nicht davon aus, dass sich die Geldpolitik der EZB unter Lagarde verändert. „Sie ist in ihrer Zeit beim IWF nicht dadurch aufgefallen, dass sie eigene Ideen entwickelt hat. Aber sie hat beim IWF bewiesen, dass sie sehr gut darin ist, Kompromisse zu organisieren und darauf kommt es im EZB-Rat an“, sagte Gros der „Welt“. Lagarde sei eine gute Wahl. Die Geldpolitik werde „immer mehr zu einer globalen Angelegenheit“ und dabei werde ihr helfen, „dass sie den IWF sehr erfolgreich geführt hat. Zudem hängen in Zeiten des Quantitative Easing Geldpolitik und Fiskalpolitik immer stärker zusammen; auch das wird ihr als ehemaliger IWF-Chefin bewusst sein“, so Gros weiter.

Autor: dts