Düsseldorf | Die kriselnde Piratenpartei könnte mit einem alten Gesicht den dringend nötigen Neuanfang bestreiten. Der ehemalige NRW-Vorsitzende und Landtagsabgeordnete Michele Marsching drängt zurück an die Spitze der Landespartei. In einer persönlichen Erklärung gab der 34-Jährige am Dienstag seine Kandidatur für den Parteitag Ende April in Bottrop bekannt. Bis zuletzt hatte sich Marsching eine Bewerbung offen gehalten. Schon von Februar 2011 bis Juni 2012 führte er den Landesverband.
Die Piraten stecken derzeit in einer tiefen Krise. Bundesweit sind die Polit-Neulinge nach dem Höhenflug des vergangenen Jahres in Umfragen deutlich unter die Fünf-Prozent-Hürde gefallen. Der anfangs sicher geglaubte Einzug in den Bundestag ist in weite Ferne gerückt.
In Nordrhein-Westfalen war erst in der vergangenen Woche der Landesverband in Turbulenzen geraten, nachdem bekanntgeworden war, dass der Vorstand ein Gutachten zur fehlerhaften Wahl der Landesliste für die Bundestagswahl monatelang zurückgehalten hatte. Geschäftsführer Alexander Reintzsch trat nach massiver Kritik an seiner Person sogar aus der Partei aus.
Unter dem Eindruck des aktuellen Vorfalls treffen sich die Piraten am 27. und 28. April zum Landesparteitag. Auf der Tagesordnung steht die planmäßige Neuwahl des Vorstandes. Der bisherige Landesvorsitzende Sven Sladek hatte schon vor Monaten seinen Rückzug vom Amt angekündigt.
Klare politische Akzente
Erst am Montag hatte sich Marsching eine Kandidatur offen gehalten. Nur einen Tag später fiel die Entscheidung. „Nach intensiven Gesprächen mit meiner Familie und meinen Parteifreunden bin ich mit jetzt sicher, dass ich meine Fähigkeiten als Landesvorsitzender am besten einbringen kann“, erklärte er. Als ehemaliger Parteichef wisse er, worauf es ankomme: „Kritikfähigkeit, klare Visionen, die Fähigkeit, die Ziele der Partei zu vermitteln sowie die Einbindung und Motivation jedes einzelnen Mitglieds.“ Es gelte, die Partei aus dem Umfragetief zu holen und „klare politische Akzente“ zu setzen.
Auch eine „Professionalisierung“ der Piratenpartei hält Marsching für nötig. Bislang arbeitet der Vorstand ehrenamtlich und erledigt die Arbeit für den 6.300 Mitglieder starken Landesverband quasi nebenbei.
Ob es tatsächlich zu einer Rückkehr Marschings an die Parteispitze kommt, ist fraglich. In der offiziellen Bewerberliste für den Vorsitz im Internet haben sich bereits drei weitere Kandidaten gemeldet. Zudem wurde Marsching bei der Wahl im vergangenen Sommer von der Parteibasis abgestraft. Während Sladek das Rennen um den Chefposten machte, wurde Marsching nur Vorletzter der insgesamt sieben Kandidaten und damit nach anderthalb Jahren im Amt abgewählt. Sollte es mit dem erneuten Spitzenamt nicht klappen, will sich Marsching auf sein Abgeordnetenmandat konzentrieren. Eine zeitgleiche Kandidatur um den Vorsitz der Landtagsfraktion – die er sich auch offen gehalten hatte – schloss der Softwareentwickler am Dienstag aus.
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Autor: Christian Wolf, dapd