| Karikatur: Atelier Goral

Köln | Es war in der „ZDF“-Sendung von Maybrit Illner, wo Friedrich Merz Atomkraft pries und Windkraft mit dem Begriff „Übergangstechnologie“ belegte. Das verwirrte, vor allem weil seine Forderung über die Position der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hinausreicht. Was sagt eigentlich das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung zu Small Modular Reactors, die Merz mit Frankreich bauen will. Ein Mini-Faktencheck.

Das sagte Merz in der Runde von Maybrit Illner

Er sei zwar skeptisch die alten Atommeiler wieder ans Netz zu bringen, weil die Zeit ablaufe. Aber Merz warf in die Runde, dass die Union prüfe die kleinen modularen Kraftwerke mit Frankreich zusammenzubauen. Die Union prüfe das Thema Kernfusion. Er spreche sich für zwei große Fusionsreaktoren in Deutschland aus, die in Deutschland erprobt werden sollen. Merz: „Wir wollen hier in Deutschland den ersten am Netz haben. Wir wollen es nicht China überlassen, sondern wir wollen das. Weil wir zwei Forschungsreaktoren schon haben. Ich habe die beide besucht. So, das sind doch Perspektiven für die Energieversorgung unseres Landes. Nicht einseitig auf Wind und Sonne, sondern zu sagen alle Erzeugungsquellen, die es möglich machen zu haben. Ich glaube sogar, dass wir, wenn wir was richtig machen, eines Tages die Windkrafträder wieder abbauen können, weil sie hässlich sind und weil sie nicht in die Landschaft passen.“ Das seien Perspektiven, über die man sprechen müsse, so Merz.

Wozu Faktencheck?

Es liegt in der Natur des Formates Talkshow, dort Postulate zu machen, die ungeprüft die Welt erreichen. Die Talkshow ist daher das optimierte News-Format für Populismus. Die Bundesbehörde Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), zu deren Informationen auch der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU im Deutschen Bundestag Zugang hat, veröffentlichte eine Stellungnahme zu den von Merz angesprochenen Small Modular Reactors, dem sogenannten SMR-Konzept. Das BASE ließ dazu ein Gutachten erstellen, in dem 136 unterschiedliche historische und aktuelle Reaktoren beziehungsweise Konzepte betrachtet worden seien. 31 seien besonders detailliert angesehen worden. Das BASE beauftragte mit dem Gutachten das Öko-Institut in Freiburg in Zusammenarbeit mit dem Fachgebiet für Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik der TU Berlin sowie dem Physikerbüro Bremen.

Die Small Modular Reactors

Das Konzept gehe auf die 1950er Jahre zurück, als die Welt nach Reaktoren forschte, die Atomkraft als Antriebstechnologie in militärischen U-Booten einzusetzen. Es gebe weltweit unterschiedliche Konzepte. Die Mehrzahl davon seien Konzeptstudien. Die Bandbreite der Reaktoren liege zwischen Leichtwasserreaktoren, bis hin zu Hochtemperatur- oder Salzschmelze-Reaktorkonzepten. Die Konzepte erstrecken sich über die gesamte Bandbreite der Anwendungen bei denen Strom benötigt werde.

Vergleiche man heutige Atomanlagen, die aktuell Strom produzierten und deren Leistung mit den SMR-Konzepten, dann sei für die aktuell weltweit 400 Atomreaktoren der Bau von vielen tausend bis 10.000 SMR-Anlagen nötig. Da für den SMR-Betrieb weniger radioaktives Material in einem Reaktor benötigt werde, seien sie auf den ersten Blick sicherer als große Meiler. Dies würde aber ausgeglichen durch hohe Anzahl an Reaktoren, die das Risiko wieder um ein Vielfaches erhöhten. Auch bei den SMR-Reaktoren besteht die Gefahr von Kontamination mit radioaktiven Stoffen über deren Anlagengelände hinaus. Zudem sind die Baukosten für die SMR im Vergleich zu großen Atomanlagen deutlich höher in Bezug auf die elektrische Leistung. Damit sich der Einstieg in die SMR-Produktion lohne, müssten 3.000 SMR produziert werden.

Kernfusion

Und auch zur Kernfusion finden sich Einschätzungen des BASE. Auch diese Technologie befindet sich seit Jahrzehnten im Stadium der Erforschung schreibt die Bundesbehörde. Es existierten weltweit eine Handvoll Experimentiereinrichtungen und jüngst gab es einen Erfolg in den USA in der Grundlagenforschung im Zusammenhang mit Lasertechnologie. Seit 2010 baut ein internationals Konsortium unter Beteiligung der EU, China, Japan, Korea, Russland und den USA im französischen Cadarache den Forschungsreaktor „ITER“. Dazu schreibt das BASE: „Der Versuchsreaktor soll die prinzipielle Machbarkeit eines Fusionskraftwerks, basierend auf der Magnetfusion, demonstrieren. Das heißt, dass die Kernfusion technisch mittels eines Magnetfeldes realisiert werden soll. Ziel ist, 500 Megawatt Fusionsleistung für länger als 300 Sekunden (5 Min.) erzeugen zu können. Geplant war dieses Ziel ursprünglich bis 2035-2040 zu realisieren, das Projekt ist jedoch mit erheblichen Zeit- und Kostensteigerungen konfrontiert. Für 2024 ist ein neuer Zeitplan angekündigt. Bei „ITER“ geht es rein um Fusionsleistung und nicht darum, Strom zu erzeugen.“

Das Forschungsprojekt „ITER“ hat ein Begleitprojekt durch das Konsortium Eurofusion das die Entwicklung des Fusionsreaktors „DEMO“ vorantreibt. In Europa soll ein Prototyp ab 2050 stehen. Dieser Forschungsreaktor soll jährlich 500 Megawatt Strom produzieren. Ein AKW lieferte rund 1.400 MW Strom. Um ein AKW durch Windkraft zu ersetzen sind rund 1.160 Windränder nötig. Aber die drehen sich immerhin schon.