Köln | Was hat mehr Gewicht? Ein öffentlich-rechtliches Bebauungsplanverfahren oder ein Pachtvertrag, der die Interessen der Stadt Köln mit einem privaten Unternehmen regelt. Diese Frage wirft die aktuelle Debatte und Verlautbarungen zur Erweiterung des 1. FC Köln im Äußeren Grüngürtel auf. Und was gilt?
Die rechtlichen Genehmigungen
Der Rat der Stadt Köln entschied sich in geheimer Abstimmung in der 60. Sitzung der vergangenen Wahlperiode am 18. Juni 2020 vor der Kommunalwahl die 209. Änderung des Flächennutzungsplans positiv zu bescheiden und damit die Erweiterung des Rheinenergie-Sportparks am Grüngürtel zu ermöglichen. Die Stadt Köln beantragte daraufhin bei der Bezirksregierung Köln die Genehmigung der 209. Änderung des Flächennutzungsplans. Im November 2020 stellte die Rechtsaufsicht der Stadt Köln, also die Bezirksregierung fest: „Die Entscheidung des Rates der Stadt Köln für die Erweiterung ist in die Änderung des Flächennutzungsplans eingeflossen. Dessen Überprüfung durch die Bezirksregierung Köln ergab, dass der Plan ordnungsgemäß zustande gekommen ist und den geltenden Rechtsvorschriften nicht widerspricht. Nunmehr obliegt es der Stadt Köln, den Flächennutzungsplan sowie den Bebauungsplan bekannt zu machen und gegebenenfalls für das geplante Vorhaben des 1. FC Köln eine Baugenehmigung zu erteilen.“
Am 2. Dezember 2020 machte die Stadt Köln im Amtsblatt Nr. 95 die Genehmigung der 209. Änderung des Flächennutzungsplans und den Bebauungsplan Nr. 63419/02 öffentlich und schrieb dazu: „Der Rat der Stadt Köln hat in seiner Sitzung am 18. Juni 2020 die 209. Änderung des Flächennutzungsplans (FNP), Arbeitstitel: „RheinEnergieSportpark“ in Köln-Sülz gemäß § 5 Abs. 5 Baugesetzbuch festgestellt und den Bebauungsplan Nr. 63419/02, Arbeitstitel: ‚Erweiterung RheinEnergie Sportpark‘ in Köln-Sülz mit gestalterischen Festsetzungen gemäß § 10 Absatz 1 des Baugesetzbuches als Satzung beschlossen.“
Dagegen hat eine Bürgerinitiative und der Landesverband NRW des Naturschutzbundes Nabu zwei Normenkontrollanträge beim Oberverwaltungsgericht NRW eingebracht. Der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts NRW entschied am 24. November 2022, dass dieser Bebauungsplan unwirksam sei, weil er an einem Abwägungsmangel leide. In der Mitteilung des Gerichts hieß es: „der Senat hat zugleich darauf hingewiesen, dass dieser Mangel in einem ergänzenden Planungsverfahren geheilt werden kann und weitere Mängel nicht ersichtlich sind.“ Der Senat stellte fest, dass lediglich die Festsetzung der vier öffentlichen Grünflächen mit der Zweckbestimmung „Kleinspielfeld“ abwägungsfehlerhaft sei, weil eine Divergenz zwischen dem Inhalt dieser Festsetzungen und dem in der Planbegründung dargestellten städtebaulichen Konzept besteht. Es geht um die Gleueler Wiese. Alle anderen Anlagen wie die erweiterten Sportanlagen, das zweigeschossige „Leistungszentrum Fußball“ wurden nicht beanstandet.
Der FC klagte gegen die Nichtzulassung einer Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht und gewann. Das Bundesverwaltungsgericht hob die Urteile aus NRW auf und gab einen wichtigen Hinweis, der in der aktuellen Debatte gerne übersehen wird. Bauplanungsrecht ist Bundesrecht. So stellen die Leipziger Richter zu den umstrittenen Kleinspielfeldern auf der Gleueler Wiese fest: „Der dort bestimmte Schwellenwert für eine UVP-Vorprüfungspflicht von 20.000 m2 wird schon durch die neu geplanten Sportplätze überschritten. Nicht mit Bundesrecht vereinbar ist hingegen die Annahme eines Abwägungsfehlers im Hinblick auf die Festsetzung der öffentlichen Grünflächen mit der Zweckbestimmung ‚Kleinspielfeld‘. Bei der Auslegung des Bebauungsplans hat das Oberverwaltungsgericht die Vorgaben der Planzeichenverordnung nicht berücksichtigt. Bei zutreffender Auslegung ist nur eine einheitliche Grünfläche mit verschiedenen Zweckbestimmungen festgesetzt. Die Versiegelung eines geringfügigen Teils dieser Gesamtfläche ist mit ihrem Charakter als Grünfläche vereinbar.“
Das Bundesverwaltungsgericht verwies die angefochtenen Urteile zur weiteren Entscheidung zurück an das Oberverwaltungsgericht in Münster. Dieses muss nun auf der Grundlage der Entscheidung aus Leipzig neu entscheiden.
Daraus ergeben sich Fragen
Am 1. Oktober 2024 soll nun der Rat der Stadt Köln in nichtöffentlicher Sitzung über einen Pachtvertrag zwischen der Stadt Köln und dem 1. FC Köln entscheiden. Es gibt viel Jubel bei den Ratsfraktionen und das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt hat dazu einen Änderungsantrag eingebracht, mit dem die Gleueler Wiese von den vier geplanten Kleinspielfeldern freigehalten werden soll. Das sollte zumindest rechtlich hinterfragt werden. Und warum liefert die Stadtverwaltung dazu der Öffentlichkeit keine klaren und präzisen Informationen?
Die Pressemitteilung 763 vom 20. September 2024 erwähnt mit keinem Wort den Bebauungsplan aus dem Jahr 2020, denn der ist aktuell rechtskräftig. Gleiches gilt für die 209. Änderung des Flächennutzungsplans. Die Stadtverwaltung bezieht sich lediglich auf einen Pachtvertrag, der das Binnenverhältnis zwischen der Stadt und dem Pachtnehmer, in diesem Fall dem 1. FC Köln, regelt. Die Stadtverwaltung nennt dabei nicht einmal korrekt mit wem sie diesen Pachtvertrag abschließen will: dem eingetragenen Verein oder der 1. FC Köln Gmbh & Co KGaA? Durch die Nichtöffentlichkeit kennen die Kölnerinnen und Kölner den Inhalt des Pachtvertrages nicht.
Oberbürgermeisterin Henriette Reker wird so in der Mitteilung der Stadt zitiert: „Der 1. FC Köln ist ein stadtprägender Traditionsverein und begeistert viele Menschen in unserer Stadt und darüber hinaus. Ich finde es gut, dass wir nach langen und intensiven Gesprächen nun zu diesem Ergebnis gekommen sind und werbe dafür, dass der Rat dem Vorschlag der Verwaltung folgt.“
Ein Pachtvertrag unterliegt aber nicht wie das Bauplanungsrecht einem öffentlich-rechtlichen Verfahren und damit dem Formzwang. Das Bauplanungsrecht ist Bundesrecht, wie die Richter in Leipzig, dies noch einmal deutlich machten. Dies zeigt auch das Normenkontrollverfahren.
Aus den spärlichen Informationen kann abgeleitet werden, dass die Stadt Köln den Pachtvertrag und die daraus mögliche Erteilung einer Baugenehmigung auf der Basis der rechtskräftigen Entscheidungen aus dem Jahr 2020 gründet. Das bedeutet auf dem Bebauungsplan Nr. 63419/02. Dieses Verfahren wird, so hat es den Anschein, nicht angetastet. Aber warum sagt das keiner klipp, klar und deutlich? Stimmt diese Interpretation des Schweigens, so bedeutet dies: weder holt der Rat diese Entscheidung aus dem Jahr 2020 zurück, noch gibt es für die Pläne des 1. FC Köln einen neuen Bebauungsplan oder eine Änderung des Flächennutzungsplans.
Im Klartext bedeutet dies: Das was der 1. FC Köln schon 2020 plante darf er bauen bei einer Voraussetzung: Wenn die Richter des OVG NRW im Sinne des Bundesverwaltungsgerichts entscheiden und damit auch die Kleinspielfelder auf der Gleueler Wiese. Denn dort besteht, wird die Normenkontrollklage der Bürgerinitiative und des Nabu abgelehnt, dann Baurecht. Und Baurecht als Resultat eines öffentlich rechtlichen Verfahrens dürfte über einem Pachtvertrag stehen, der das Binnenverhältnis zwischen zwei Vertragspartnern regelt. In diesem Zusammenhang ist ein weiterer Begriff wichtig: Vertrauensschutz. Als Investor darf ich davon ausgehen, dass Entscheidungen, die durch öffentlich rechtliche förmliche Verfahren zustande kamen, verlässlich sind.
Reicht das Ansinnen der Grünen aus?
Die Bebauung der Gleueler Wiese durch den 1. FC Köln wäre politisch für die Kölner Grünen ein Desaster. Zwar hat die grüne Fraktionsvorsitzende von Bülow in der Sitzung des Rates im Juni 2020 ein kategorisches Nein zu jeglicher Bebauung im Äußeren Grüngürtel ausgesprochen, aber die Grünen hoffen darauf, dass die Wähler:innen dies nicht mehr so genau erinnern und klammern sich jetzt an der Gleueler Wiese fest und plakatieren die Rettung der Gleueler Wiese.
Christiane Martin, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kölner Rat, erklärte schriftlich und öffentlich: „Wir haben es geschafft: Die Gleueler Wiese wird dauerhaft geschützt! Damit bleibt die Wiese auch in Zukunft eine öffentliche Grünfläche. Das leistet einen wichtigen Beitrag zum Erhalt des Grüngürtels, auf den wir in Zeiten des Klimawandels mehr denn je angewiesen sind. Es war uns wichtig, dass keine baulichen Veränderungen an der „Kampfbahn“ vorgenommen werden, und auch das konnten wir sicherstellen. Wir freuen uns, dass wir eine politische Mehrheit für diesen Weg finden konnten.“
Aber können sie diese, so wie das Verfahren jetzt aufgesetzt ist, wirklich vor Bebauung schützen? Muss die Frage nicht lauten: kann die Gleueler Wiese nur dann gerettet werden, wenn es ein neues öffentliches Flächennutzungs- und Bebauungsplanverfahren gibt und der alte Bebauungsplan und die 209. Änderung des Flächennutzungsplans mit Ratsentscheid kassiert wird? Das alles wären übrigens Verfahren, die in öffentlicher Sitzung des Rates der Stadt Köln stattfinden müssten. Eines dürfte jetzt schon sicher sein: Nur im Falle der Rücknahme des Bebauungsplans aus 2020 und der 209. Änderung des Flächennutzungsplanes wird die Gerichtsentscheidung des OVG NRW obsolet, nicht durch einen Pachtvertrag, der nicht über einem öffentlich-rechtlichen Verfahren stehen kann. Und was, wenn das OVG NRW dem Bundesverwaltungsgericht folgt und die Kleinspielfelder auf der Gleueler Wiese, die sich im rechtskräftigen Bebauungsplan finden, nicht mehr beanstandet, die Normenkontrollklage zurückweist? Dann besteht Baurecht.
In der nichtöffentlichen Sitzung will das Ratsbündnis nun die Verwaltung dazu bringen, ein Verfahren aufzusetzen, das die Gleueler Wiese als öffentliche Grünfläche festsetzt und eine Bebauung ausschließt und im Rahmen eines Teil-Aufhebungs- beziehungsweise Aufstellungsverfahrens eine Veränderungssperre zu erwirken. Offen lässt das Ratsbündnis, um welches Verfahren es sich denn handeln soll. Ein Bebauungsplanverfahren? Das wäre nötig für eine Veränderungssperre. Oder bezieht sich das Ratsbündnis hier auf den aktuell rechtskräftigen Bebauungsplan und will diesen ändern? Warum machen die Akteure das nicht transparent? Erstaunlich ist zudem die Reihenfolge der Entscheidungen: Pachtvertrag und damit die Option Baugenehmigung für den FC in nichtöffentlicher Sitzung. Dann im öffentlichen Verfahren Änderung des Bebauungsplanes oder neuer Bebauungsplan und wie soll das zeitlich koordiniert werden?
BI Grüngürtel für Alle reagiert mit Sonntagsspaziergang
Die Bürgerinitiative Grüngürtel für Alle kritisiert die aktuelle Entwicklung rund um den 1. FC Köln bevor das Gericht entschieden hat. Auf ihrer Website schreibt die Bürgerinitiative: „Der Prozess um die Ausbaupläne des 1. FC Köln im landschaftsgeschützten Grüngürtel muss vom OVG Münster neu aufgerollt werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig im April beschlossen. Ein Gerichtstermin steht noch nicht fest. Erst recht ist kein Urteil gesprochen. Aber eine Mehrheit im Rat, darunter die Grünen, wollen das Thema am 1. Oktober jetzt endlich abräumen. Sie nennen das Kompromiss. Der Kompromiss sieht so aus, dass neben dem Franz-Kremer-Stadion das Leistungszentrum für den FC entstehen soll. So groß wie eine Industriehalle: ca. 92 x 51,5 x 8,25 Meter. Die Gleueler Wiese soll dafür ‚vorerst‘ – so äußert sich die FC-Geschäftsführung – nicht angetastet werden. Jetzt erhebt der FC aber einen Nutzungs-Anspruch für den Ascheplatz am Fort Deckstein. Auf dem Platz spielen bis jetzt tagtäglich drei Breitensportvereine, die Hunderte kleine und große Fußballer:innen in ihren Vereinen haben. Das interessiert die Strategen beim FC und in den Parteien erstmal nicht. So breit muss sich der Breitensport ja nun wirklich nicht machen, wenn der Profifußballverein Not hat…“
Die Bürgerinitiative spricht von einer Vorfestlegung für den weiteren Ausbau des 1. FC Köln im Äußeren Grüngürtel. Der Spaziergang der Bürgerinitiative findet am heutigen 22. September 2024 um 15 Uhr statt und startet an der Fußgängerbrücke die vom Beethoven-Park über den Militärring zum Decksteiner Weiher führt.