Köln | Ein weißer Podenco Ibicenco-Hund namens „Human“ mit pinkfarbener Pfote, der sich durch die Ausstellungssäle bewegt, Kiemenfußkrebse, die in einem Aquarium in der Ausstellung leben, eine Eisbahn aus schwarzem Eis:  Das Museum Ludwig präsentiert vom 10. April bis 13. Juli mit Pierre Huyghe einen der wichtigsten und einflussreichsten Künstlern seiner Generation. Gezeigt werden soll ein Querschnitt durch seine Arbeit der letzten zwanzig Jahre sowie extra für die Kölner Ausstellung angefertigte Kunstwerke. Knapp eine Woche vor Eröffnung ist noch einiges zu tun.

Retrospektive tritt Prospektive

Die Ausstellung im Museum Ludwig ist die erste große Ausstellung zu seinem bisherigen Werk im deutschsprachigen Raum und wird mit über 60 Arbeiten verschiedenste Medien – lebende Wesen, Objekte, Installationen, Fotografien, Filme, Zeichnungen und Musik – zusammenbringen und eine Zeitspanne von 1993 bis heute umfassen. In neuen Arbeiten, die der Künstler eigens für die Kölner Ausstellung entwickelt hat, inspiriert durch die gegebenen orstspezifischen Bedingungen, zeigt sich seine subtile Wahrnehmung des Museum Ludwig als Ausstellungsort und Gebäude. So etwa mit seinem Werk „Timekeeper“, einer 25 mal 25 cm großen Fläche an einer der tragenden Wände im Museum, auf der er jede einzelne Farbschicht, die in den letzten 20 Jahren dort aufgetragen wurde, in konzentrischen Mustern freigelegt hat.

Vieles von dem, was der Künstler im Museum Ludwig zeigen möchte, ist noch in Arbeit. So auch eine Neuauflage seines Werks „Untilled“. Dieser Beitrag zur 13. Documenta war entworfen als Ökosystem mit verschiedenen Lebewesen in einem abseits gelegenen Teil der Karlsaue, der normalerweise für die Kompostierung genutzt wird. Über das Areal, in dem sich unter anderem die Skulptur eines Frauenaktes, deren Kopf von einem Bienenstock bevölkert wird, mehrere fleischfressende und aphodisierende Pflanzenarten und ein Relikt der berühmten Beuys-Aktion 7000 Eichen befanden, stolperten die Besucher eher zufällig.

Frauenakt mit Bienenstock

Im Museum Ludwig fällt „Untilled“ ein wenig beschaulicher im museumseigenen Garten zur Philharmonie hin aus. Dort lehnt auf einer Anhöhe der Frauenakt, dessen Kopf noch verhüllt ist, „damit sich der darunter befindliche Bienestock noch akklimatisieren kann“, so Katia Baudin, Kuratorin der Ausstellung und Interimsdirektorin des Museum Ludwig. Darum entsteht ein mit ein extra für die Ausstellung angelegtes Garten-Ensemble im Sinne eines „wilden Gartens“, der auch mit Brennnesseln bepflanzt wird.

Huyghe arbeitet mit verschiedenen Realitätsebenen, wenn er Elemente aus seinen bereits existierenden Arbeiten, wie der Aktion The Host and the Cloud, in die Ausstellung überführt: so begegnet dem Besucher mitunter ein Statist mit einer Maske mit leuchtenden LEDs, der direkt aus dem Film in den Ausstellungsraum entsprungen zu sein scheint.

Für seine Überblicksausstellung untersucht Huyghe die komplexe Beziehung zwischen Ausstellungsarchitektur und ausgestellten Werken: von der Rolle, die die Architektur in unserer Wahrnehmung der Werke spielt, über die Art und Weise, wie sie den Weg bestimmt oder gerade auch nicht bestimmt, den der Besucher beim Gang durch die Ausstellung nimmt und darüber die Reihenfolge und Ordnung der Ausstellung wahrnimmt, bis hin zur Frage, inwiefern beides aufeinander abgestimmt ist und eine perfekte Symbiose ergibt –  oder auch nicht ergibt. Die besondere Aufgabe, eine Ausstellung auf drei komplett verschiedene lokale Kontexte und äußere Bedingungen hin anzupassen, hat Huyghe dazu gebracht, eine unkonventionelle Lösung zu entwickeln, die ans Absurde grenzt. So arbeitete er im Centre Pompidou in Paris mit den Bedingungen der Architektur der Vorgängerausstellung von Mike Kelley, an die er die eigenen Werke anpasste, auch wenn er dafür einzelne Wände einschneiden musste.

Vergangene Ausstellungen leben in aktueller weiter

Im Museum Ludwig benutzt er wiederum Versatzstücke aus Paris, die er in den hier vorgegebenen, langezogenen Raum zwängt, und versetzt einzelne Wände und Raumsituationen aus Paris mit den dazugehörigen Arbeiten maßstabsgetreu in die hiesigen Ausstellungsräume. Hinzu kommt ein weiteres ortsspezifisches Element in der Verwendung eines stark beanspruchten Teppichbodens aus dem Verwaltungstrakt des Museums.

Im LACMA in Los Angeles, der letzten Station der Ausstellung, wird er dann dieses Copy and Paste-Verfahren auf die Architektur der Kölner Ausstellung anwenden und diese vor Ort neu zusammensetzen. Dieser Ansatz erlaubt es dem Künstler, eine einzigartige organische Ausstellung zu schaffen, in der der Besucher seinen eigenen Weg durch die Ausstellung einschlagen kann, ohne einem vorgegebenem Rundgangsystem zu folgen.

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Ausstellung
Pierre Huyghe
10. April bis 13. Juli 2014

Museum Ludwig

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Autor: dd
Foto: Pierre Huyghe „Timekeeper“, eigens erstellt für die Ausstellung im Museum Ludwig.