Düsseldorf | Rund 13 Prozent der Einsatzkräfte von Feuerwehr und Rettungsdiensten in Nordrhein-Westfalen (NRW) sind in den letzten zwölf Monaten Opfer von körperlicher Gewalt im Einsatz geworden. Das geht aus einer Studie des Lehrstuhls für Kriminologie der Ruhr-Universität Bochum mit Unterstützung des Ministeriums des Innern sowie des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW, der Unfallkasse NRW und der „komba gewerkschaft nrw“ hervor. Dabei wurden im Mai und Juni 2017 insgesamt 810 Einsatzkräfte zu ihren Gewalterfahrungen im Einsatz befragt, sagt das Innenministerium und das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales.

Häufig verbale Gewalt

Noch häufiger komme es offenbar zu verbaler Gewalt. Hier sollen 60 Prozent der Befragten angegeben haben, entsprechende Erfahrungen gemacht zu haben. „Wer sich mit Gewalt gegen diejenigen wendet, die uns in Notsituationen helfen, zeigt ein erschütterndes Maß an Verrohung“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul. „Die Studie wird uns dabei unterstützen, für die Zukunft die richtigen Maßnahmen zu treffen, um dieser Form von Gewalt ganz entschieden zu begegnen.“ Am stärksten betroffen sind mit rund 85 Prozent die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rettungseinsatz. Nach der konkreten Situation befragt, gab die Mehrheit der Helfer an, dass die Übergriffe während der Diagnosestellung oder der Therapie erfolgten. „Es ist nicht hinnehmbar, dass Helferinnen und Helfer bei einem Notfall Sorge haben müssen, selber angegriffen zu werden“, bekräftigte Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales. „Die Rettungskräfte verdienen für ihre höchst anspruchsvolle Arbeit unseren größten Respekt.“

Gewalttätige Übergriffe selten vorhersehbar

Aus der Studie gehe hervor, dass mehr als die Hälfte der Vorfälle in den Abend- und Nachtstunden erfolgt sein. Gewalttätige Übergriffe seien selten vorhersehbar und die Täter meistens männlich, teilen das Innenministerium und das Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales mit. „Die Gewalt kommt ohne Vorwarnung“, erklärte Gabriele Pappai, Geschäftsführerin der Unfallkasse NRW. So gaben die Betroffenen für 80 Prozent der körperlichen Übergriffe an, dass die Angriffe ohne Vorwarnung und plötzlich erfolgt seien. „Das ist eine wichtige Erkenntnis im Hinblick auf die Entwicklung von Präventionsmaßnahmen, um die wir uns in Zukunft verstärkt kümmern werden“, so Pappai weiter.

Gewalttätige Übergriffe häufiger in Großstädten

Gewaltsame Übergriffe finden der Studie zur Folge häufiger in Großstädten mit über 500.000 Einwohnern statt. Die Täter seien in rund 90 Prozent der Fälle männlich und zwischen 20 und 39 Jahre alt. In 73 Prozent der Fälle soll die körperliche Gewalt von den Patienten selbst ausgegangen sein. Besonders besorgniserregend sei, dass die betroffenen Rettungskräfte häufig überzeugt seien, dass solche Übergriffe zum Job gehörten, betonte Andreas Hemsing, Landesvorsitzender der „komba gewerkschaft nrw“. „Aber Gewalt gegen Helferinnen und Helfer ist keine Bagatelle. Sie einfach nur hinzunehmen, darf nicht die Antwort auf die verbalen und tätlichen Angriffe sein. Wir appellieren dringend an die Einsatzkräfte, jeden Fall von Gewalt zu melden und strafrechtlich verfolgen zu lassen.“

Studie soll zur Grundlage von Präventionsmaßnahmen dienen

Etwa 70 Prozent der Befragten wünschen sich mehr Fortbildungsmaßnahmen im Bereich Deeskalationstraining und Selbstverteidigung. „Die Ergebnisse der Studie sind eine gute Grundlage für die Entwicklung geeigneter Präventionsmaßnahmen. So werden wir auch Anpassungen am derzeitigen Aus- und Fortbildungsangebot überprüfen“, so die Minister Reul und Laumann. „Gleichzeitig sind Respekt und Toleranz aber auch die Grundvoraussetzungen für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Hieran mitzuwirken, ist jeder Mensch in unserem Land aufgerufen.“

[infobox]Die komplette Auswertung der Studie soll im Januar 2018 der Öffentlichkeit vorgestellt werden, sagt das Ministerium.

[/infobox]

Autor: ib