Oberhausen | Erst nach Dresden und Hamburg, dann Brüssel, New York, San Francisco, Singapur und Hongkong: Heinz Frentrops Augen strahlen bei der Auflistung seiner Reiseziele. „Es wird sicherlich anstrengend“, sagt der 60-jährige Werbedesigner. „Drei Tage in jeder Stadt, keine Pause. Aber wer bekommt schon so eine Chance geboten?“ Frentrop ist Teil eines außergewöhnlichen Projekts: Drei vollkommen unterschiedliche Menschen  – darunter auch eine Kölnerin – werden im Namen des Kunstvereins Emscherkunst auf verschiedenen Routen um die Welt fliegen, Menschen treffen und so viele Souvenirs wie möglich sammeln.

„Nirgendwo gibt es eine solche Dichte an Ideen und Projekten“

Bei einer Reise durch das Ruhrgebiet lernen sich die Teilnehmer kennen, bevor es Anfang September losgeht. Für Frentrop aus Datteln ist eine sechsstündige Bustour durch das Ruhrgebiet ein Heimspiel. Er genießt den Ausblick vom Oberhausener Gasometer über das Emschertal – und denkt längst an die weite Welt.

Die Idee für die „Grand Tour Nouveau“ stammt aus der Feder der schwedischen Performance-Künstlerin Elin Wikström. Sie beobachtet seit Jahren die Entwicklung der Städte im Ruhrgebiet und die verschiedenen Konzepte, die sich dort um die Nachfolge der Kohleindustrie bemühen. „Meiner Meinung nach gibt es nirgendwo in Europa eine solche Dichte an Ideen und Projekten“, erklärt die 47-jährige Künstlerin. Dennoch bedürfe es für Ideen auch immer Anregungen. Deshalb möchte sie Vertreter einzelner Gesellschaftsgruppen die Chance bieten, so viele Impressionen wie möglich zu sammeln.

Der Name des Weltreise-Konzeptes, die „Grand Tour Nouveau“, bezieht sich auf die Tradition der Bildungsreisen in Zeiten des 16. bis 18. Jahrhunderts. Zu Zeiten der Renaissance und Aufklärung gingen junge Adelige zum Abschluss ihrer Erziehung auf eine „Grand Tour“, diese ersten selbstständigen Reisen sollten Wissen und Neugierde der künftigen Eliten formen. So werden in der ersten Septemberwoche ein Student der Medienwissenschaften, eine freiberufliche Journalistin und der Werbedesigner Heinz Frentrop gemeinsam mit jeweils einem Reiseleiter ins Flugzeug steigen. Jede der drei Reiserouten steht unter einem eigenen Motto. Die Architekturjournalistin Sarah Bäcker aus Köln wird unter dem Titel „Stadtentwicklung, Politik und Zukunft“ durch England, die Ukraine, China und Südafrika reisen. Sie hofft auf neue Anregungen und Ideen für ihr Onlinemagazin.

„Keine Vergnügungstour“

Bei der Bustour durchs Ruhrgebiet stehen neben dem Gasometer auch das Kunstzentrum Dortmunder U und der Besuch der Pumpbaustelle des Emscherkanals auf dem Programm. „Wir bezahlen hier niemandem eine Vergnügungstour“, sagt die Geschäftsführerin von Emscherkunst, Simone Timmerhaus, über die Weltreise. „Uns geht es um zukunftsweisende Konzepte.“

Für den Medienwissenschaftsstudenten Fabian May bedeutet die Reise eine Menge. „Ich habe Europa noch nie verlassen und werde jetzt auf einen Schlag so viel erleben“, sagt er. Bewerben konnten sich Einwohner des Ruhrgebiets, die bereit waren, vier Wochen Zeit zu investieren und sich im Anschluss an einer Ausstellung von Emscherkunst zu beteiligen. Mehr als 100 Bewerber wollten dabei sein.

Wenn die Weltenbummler aus der Ferne zurück kommen, wird aus allen Souvenirs, Fotos und Tagebücher eine Ausstellung realisiert. In Zusammenarbeit mit der Folkwang Universität der Künste werden in drei leerstehenden Ladenlokalen im Ruhrgebiet die Erinnerungen und Impressionen als künstlerische Collagen präsentiert. Heinz Frentrop wird dann die UNO in New York besucht, im Silicon Valley mit Vorstandmitgliedern von Google gesprochen und in Singapur über Basare geschlendert sein.

Autor: Emily Jeuckens/ dapd | Foto: djama/ fotolia
Foto: Symbolfoto