Berlin | Aktualisiert 17.53 Uhr | Literaturnobelpreisträger Günter Grass fühlt sich von seinen Kritikern missverstanden.

Gegenüber dem NDR nahm er erstmals nach der Veröffentlichung seines umstrittenen Gedichts „Was gesagt werden muss“ Stellung. „Der Tenor durchgehend ist, sich bloß nicht auf den Inhalt des Gedichtes einlassen, sondern eine Kampagne gegen mich zu führen und zu behaupten, mein Ruf sei für alle Zeit geschädigt“, so Grass.

„Es ist mir aufgefallen, dass in einem demokratischen Land, in dem Pressefreiheit herrscht, eine gewisse Gleichschaltung der Meinung im Vordergrund steht und eine Weigerung, auf den Inhalt, die Fragestellungen, die ich hier anführe, überhaupt einzugehen“, erklärte der Schriftsteller. Es würden alte Klischees bemüht. Und es sei zum Teil auch verletzend.

„Es wird sofort, was ja auch zu vermuten war, mit dem Begriff Antisemitismus gearbeitet. In einer der Springer-Zeitungen stand, der ewige Antisemit, das ist eine Umkehrung des `ewigen Juden`. Das ist schon verletzend und ist demokratischer Presse nicht würdig“, betonte Grass.

Die Kritik des Schriftstellers in seinem Gedicht begründet sich dabei auf dem Atomstreit mit dem Iran. Dabei wirft Grass Israel vor, mit einem Erstschlag das gesamte iranische Volk auslöschen zu wollen, nur weil vermutet werde, dass Teheran eine Atombombe baue. Dabei habe auch Israel nukleares Potential, was keiner Prüfung zugänglich sei.

Zahlreiche Politiker distanzierten sich von der Aussage des Textes.

Aktualisierung 17.53 Uhr > Umstrittenes Israel-Gedicht: Zentralrat der Juden attackiert Grass

Berlin | Die Debatte um die scharfe Kritik des Literaturnobelpreisträgers Günter Grass am Staat Israel reißt nicht ab. „Wer antisemitisch agitiert, wer judenfeindlich argumentiert, wer antisemitische Klischees zuhauf verwendet – was wäre der denn anderes als ein Antisemit?“, schreibt Dieter Graumann, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, in einem Gastbeitrag für „Handelsblatt-Online“. Grass’ Gedicht sei ein Pamphlet von Hass und Hetze.

Das Etikett Lyrik werde hier missbraucht, um eine üble Gesinnung zu transportieren. Grass hatte am Mittwoch in verschiedenen Zeitungen das Gedicht „Was gesagt werden muss“ veröffentlicht. Darin ging er mit der Politik Israels gegen den Iran hart ins Gericht.

Er nannte den jüdischen Staat wegen seines drohenden Militärschlags gegen den Iran eine Gefahr für den Weltfrieden. Israel beanspruche für sich das Recht auf einen Erstschlag, der „das von einem Maulhelden unterjochte und zum organisierten Jubel gelenkte iranische Volk auslöschen könnte, weil in dessen Machtbereich der Bau einer Atombombe vermutet wird“, schrieb der 84-Jährige in dem Gedicht. Graumann wirft Grass vor, sich mit dem Begriff „auslöschen“ im Nazijargon zu bedienen.

Und er stellt die Frage, ob es sich bei dem Gedicht um das literarische Erbe des Nobelpreisträgers handele. „Wie schade wäre das doch angesichts der Meisterwerke, die Grass wirklich schrieb. Hier allerdings finden wir ein Vermächtnis von Verdrehung, von Verlogenheit und von Verirrung, bestückt mit judenfeindlichen Klischees ohne Ende“, schreibt der Zentralratspräsident.
Graumanns Fazit: „Günter Grass hat zwar die Waffen-SS verlassen. Aber offenbar hat die Judenfeindschaft der Waffen-SS Günter Grass doch niemals verlassen.“ Ein großartiger Autor demontiere und demaskierte sich selbst.

Autor: dts