Köln | Wir befinden uns im Februar des Jahres 2013. Ganz Köln überbietet sich mit karnevalistischen Superlativen. Wer hat die längste Zugstrecke, die besten Kamelle oder die meisten Besucher? Ganz Köln? Nein! Eine von unbeugsamen Jecken bewohnte Straße hört nicht auf, Widerstand zu leisten.

In der kleinen Schulze-Delitzsch-Straße im Kölner Stadtteil Raderthal ist alles ein bisschen anders. Als sie 2011 erfuhren, dass der offizielle Zug in Raderthal nicht stattfinden sollte, entschieden sich die Bewohner kurzerhand, ihren eigenen kleinen, aber feinen Zoch zu veranstalten. In diesem Jahr findet hier nun bereits zum dritten Mal “dä kleinste Stroßezoch vun Kölle“ statt.

Und auch das Motto der Kölner Karnevalssession 2013 haben die umtriebigen Bewohner der Schulze-Delitzsch-Straße auf ihre ganz eigene Art interpretiert: „Fastelovend em Blot – met nix jet am Hot“ ist das Motto des Miniaturzuges.

Die kleine Straße in der Nähe des Kölner Südfriedhofs ist eine eingeschworene Gemeinschaft, nicht nur zum Karneval. „Es ist hier eine sehr schöne Nachbarschaft. Bei gutem Wetter sitzt man vor den Häusern zusammen“, erzählt Anwohner Udo, der auch selbst im Zug mitläuft. Ihren Karnevalszug organisieren die Bewohner mit viel Liebe zum Detail. Alles wird im Eigenbau gebastelt und der Verkauf von Wurst und Getränken deckt gerade so die Kosten der Kamelle und Strüßche.

Dreigestirn der etwas anderen Art

Auch das Dreigestirn sieht hier ein wenig anders aus. Um 11 Uhr 33 wurden bei der feierlichen PrinzInnenproklamation „Ihro hochwohlgeborene Tussigkeit Inga I., Ihro Herzlichkeit Gutsfrau Ursula I. und Ihro duftige Lieblichkeit Jeanne de Cologne I.“ dem geneigten Publikum vorgestellt. Mit dem ersten weiblichen Dreigestirn zeigen die Bewohner in der Schulze-Delitzsch-Straße, dass sie sich nicht vorschreiben lassen, wie sie ihren Karneval feiern.

Zur denkwürdigen ersten PrinzInnenproklamation gab sich nicht nur die Sonne ein lange ersehntes Stelldichein, auch die drei Herren des ersten Dreigestirns aus dem Nachbarveedel Zollstock gaben sich die Ehre. Mithilfe der verfügbaren Textvorlagen konnte man sich bereits bei dieser Gelegenheit stimmlich aufwärmen und auch die Damen des Dreigestirns gaben den Jecken ein Ständchen.

Der Karnevalszug setzte auf Qualität und nicht Quantität, denn die knapp 300 Metern Zugstrecke lassen sich auch mit den ausgefallenen und nicht immer ganz praktischen Vehikeln und Kostümen in recht kurzer Zeit zurücklegen. Etwa 120 Teilnehmer liefen mit, darunter die Samba-Truppe und das einköpfige Reiterkorps, das aus einem Holzschaukelpferd bestand. Ökologisch vorbildlich wurden sämtliche Wagen manuell bewegt, einzig der Wagen des holden Dreigestirns wurde von einem Rasenmäher gezogen.

Der Zug ging nahtlos in ein Straßenfest mit Kölsch, Currywurst und Suppe über. Gefeiert wurde zu Live-Musik der „Schulze Delitzsch Straße Allstars & Friends“, Kölschraum und Jamaika Jupp. Schöner kann Karneval am Zuckerhut auch nicht sein.

Autor: Meike Wulf
Foto: Das Trifolium des Einstraßenumzuges 2013: „Ihro hochwohlgeborene Tussigkeit Inga I., Ihro Herzlichkeit Gutsfrau Ursula I. und Ihro duftige Lieblichkeit Jeanne de Cologne I.“