Berlin | Die Grünen wollen nach dem Ende der Vorsondierungen Dreiergespräche mit SPD und FDP über eine mögliche Ampel-Koalition aufnehmen. Einen entsprechenden Vorschlag habe man der FDP unterbreitet, teilten die Parteivorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck am Mittwochvormittag mit. Das Land könne sich keine „lange Hängepartie“ leisten, so Baerbock. CSU-Chef Söder sieht „klare Vorfestlegung“ auf Ampel-Koalition. Die Kölner Bundestagsabgeordneten der Grünen sagen: „Wir haben nun ein Zwischenfazit gezogen und halten es nach diesen Runden für zielführend, zunächst mit der FDP und der SPD in ein Dreiergespräch zu gehen, um das, was wir in den bilateralen Gesprächen an Ideen und Möglichkeiten gesehen haben, vertiefen zu können.“

Dafür trügen alle „demokratischen Parteien“ eine Verantwortung. Habeck sprach davon, von der Phase der Vorsondierungen in eine Phase der Sondierungen zu gehen. Um Koalitionsverhandlungen soll es sich demnach noch nicht handeln.

Die Entscheidung für Ampel-Sondierungen sei auch noch keine „Komplettabsage“ an „Jamaika“, fügte Habeck hinzu. Mit Spannung wird erwartet, wie die FDP auf den Vorstoß der Grünen reagieren wird. Der Parteivorstand der Liberalen war am Mittwoch um 10 Uhr zu Beratungen zusammengekommen.

FDP macht Weg für Ampel-Sondierungen frei

Die FDP hat den Weg für Dreiergespräche mit SPD und Grünen über die Bildung einer Ampel-Koalition freigemacht. Ein erstes Treffen könne schon am Donnerstag stattfinden, sagte FDP-Chef Christian Lindner am Mittwoch im Hans-Dietrich-Genscher-Haus in Berlin. Dies sei bereits in einem Telefonat mit SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz besprochen worden.

Einen Bericht, wonach die Liberalen parallel auch mit der Union verhandeln wollen, bestätigte Lindner nicht. Es gebe „keine Parallelgespräche“. Er sagte aber, dass eine Jamaika-Koalition noch nicht vom Tisch sei.

Mit der Union habe man die größten inhaltlichen Übereinstimmungen. Bei „Jamaika“ handele es sich um eine „inhaltlich tragfähige Option“, so Lindner. Die Grünen hatten sich knapp 90 Minuten zuvor für Ampel-Sondierungen ausgesprochen und der FDP einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet.

Um Koalitionsverhandlungen soll es sich aber noch nicht handeln. Die Entscheidung für Ampel-Sondierungen sei auch noch keine „Komplettabsage“ an ein Jamaika-Bündnis, hatte auch Grünen-Chef Robert Habeck gesagt.

SPD vor erstem Dreiergespräch zuversichtlich

Die SPD hat sich vor dem ersten Dreiergespräch mit Grünen und FDP über eine mögliche Ampel-Koalition optimistisch gezeigt. Man sei „sehr zuversichtlich“, dass man einen „gemeinsamen Pfad“ finden werde, sagte SPD-Chefin Saskia Esken am Mittwochnachmittag in Berlin. Sie nehme eine „starke Stimmung der Zuversicht und der Hoffnung“ wahr, die in ein solches Ampel-Bündnis gesetzt werde.
Nachfragen von Journalisten wurden nicht beantwortet. Wann genau der Termin am Donnerstag stattfinden soll, blieb zunächst unklar. Am Vormittag hatten Grüne und FDP den Weg für Dreiergespräche freigemacht.

Eine Jamaika-Koalition mit der Union wolle man vorerst nicht sondieren. Dennoch wurde diese Konstellation von beiden Parteien nicht endgültig ausgeschlossen.

Söder sieht „klare Vorfestlegung“ auf Ampel-Koalition

CSU-Chef Markus Söder wertet die Entscheidung von Grünen und FDP für Dreiergespräche mit der SPD als „klare Vorfestlegung“ auf eine Ampel-Koalition. Es sei „de facto“ eine Absage an „Jamaika“, sagte er am Mittwochmittag in München. Man müsse akzeptieren, dass die Union höchstwahrscheinlich nicht an einer Regierung beteiligt sein werde.

Auch wenn man weiter für Verhandlungen bereit stehe, könne man sich nicht in eine „Dauer-Wartestellung“ begeben. Die Entscheidung von Grünen und FDP sei zu „respektieren“. Man warte jetzt auf das Ergebnis.

Er erwarte, dass eine Ampel-Koalition das Land „verändern“ werde. Eine „Blockadehaltung“ werde es mit der CSU als Oppositionspartei nicht geben, fügte der bayerische Ministerpräsident hinzu. CDU-Chef Armin Laschet gibt unterdessen die Hoffnungen auf ein Jamaika-Bündnis nicht auf.

Die Union stehe weiter für Jamaika-Sondierungen bereit, sagte er in Düsseldorf. Fast alle politischen Beobachter gehen aber davon aus, dass Laschet sich bei einem Gang in die Opposition nicht als CDU-Vorsitzender halten werden kann.

Klöckner: Union steht nach Ampel-Entscheidung vor Umbruch

CDU-Vize Julia Klöckner sieht die Union nach der Entscheidung von Grünen und FDP, vorerst nur weiter über eine Ampel-Koalition reden zu wollen, vor einem weitreichenden Umbruch. „Nach 16 Jahren Regierungsführung stehen wir vor einer Zäsur“, sagte sie der „Rheinischen Post“ (Donnerstagsausgabe). „So hart das ist, aber wir müssen diese Situation jetzt als Chance begreifen. Es muss eine neue Dynamik in unserer Partei entstehen.“ Ähnlich äußerte sich Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bei Twitter. Der „Ampel-Zug“ habe den Bahnhof verlassen, schrieb er. „Wir müssen jetzt unsere Hausaufgaben machen und zeigen, dass wir die Lektion vom 26.9. verstanden haben.“

Klöckner wies unterdessen darauf hin, dass sowohl das Gespräch mit der FDP als auch das mit den Grünen „ernsthaft, inhaltlich gut strukturiert und differenziert“ gewesen sei. „Aber am Ende braucht es einen gemeinsamen Willen, um etwas Neues zu gestalten.“ Nun gelte es, die Entscheidung für einen anderen Weg zu respektieren.

„Die größte Herausforderung kommt nun auf die FDP zu, sich in einer Ampel zwischen zwei nach links gerückten Fraktionen von SPD und Grünen zu positionieren.“ Klöckner sagte weiter: „Wir als Union haben die Aufgabe, uns inhaltlich und personell zu prüfen.“ In Rheinland-Pfalz habe sie mit bereits eine Struktur- und Organisationsanalyse mit externen Experten eingeleitet.

„Das rate ich auch unserer Bundes-CDU.“

Autor: dts