Berlin | Das deutsche Handwerk will seine Strategie zur Rekrutierung von Nachwuchskräften radikal umkrempeln und in Zukunft viel stärker als bisher Abiturienten in handwerkliche Berufe locken. Das sagte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer der F.A.Z. (Freitagsausgabe). Gymnasiasten sollen ein „duales Abitur“ machen können – so dass sie nach der Schule nicht nur eine Hochschulzugangsberechtigung haben, sondern auch einen ersten Berufsabschluss.

Als Vorbild sieht der Zentralverband des Deutschen Handwerks die Berufsmaturität in der Schweiz, aber auch die Berufsschulen in der ehemaligen DDR. Hintergrund der Initiative ist, dass inzwischen die Hälfte eines Jahrgangs Abitur macht. Weil aber die Handwerksbetriebe derzeit die Hälfte ihrer Auszubildenden aus den Hauptschulen, 36 Prozent aus den Realschulen und nur zehn Prozent aus den Gymnasien rekrutieren, wird ihr angestammter Talent-Pool immer kleiner. Neben dem dualen Abitur, von dem das Handwerk nun den Bund und die Länder überzeugen will, soll es auch innerhalb der Berufsausbildung in den Betrieben mehr Angebote geben – etwa Fortbildungen mit akademischen Modulen an Hochschulen.

„Jugendliche entscheiden sich für den Weg, der ihnen später noch flexible Entscheidungen ermöglicht“, sagte Wollseifer. Deshalb will das Handwerk künftig attraktiv sein für Jugendlichen, die eine Handwerksausbildung angesichts ihrer Gymnasiallaufbahn eigentlich für nicht standesgemäß halten – die aber ahnen, dass sie auf der Universität nicht richtig aufgehoben wären. Wollseifer warnte davor, dass die hohen Studierendenquoten nicht zum Bedarf der Wirtschaft passten; es würden viel mehr Facharbeiter als Akademiker benötigt.

„Spätestens 2025 werden wir ein Problem bekommen. Entweder entlassen wir die vielen Hochschulabsolventen in die Arbeitslosigkeit oder in Berufe, für die sie überqualifiziert sind.“

Autor: dts | Foto: S Karin u Uwe Annas/Fotolia