Fred Balsam, Vizepräsident der Handwerkskammer zu Köln sprach sich für den Erhalt des Kammersystems aus

Lob für den Schulkompromiss
Bei seiner Eröffnungsrede hielt Fred Balsam ein Plädoyer für das duale Ausbildungssystem: „Das Ausland will es, wir haben es erst vor wenigen Tagen wieder auf dem afrikanischen Kontinent vorgestellt und wir wollen es abschaffen“ und machte gleichzeitig seinem Ärger darüber Luft, das es immer wieder Politiker gebe, zuletzt die Linke im Bundestag, die das Kammersystem abschaffen oder alle zusammenlegen wollen. „Diese Abgeordneten wissen nicht, dass die Industrie und Handelskammer reine Arbeitgebervertretungen sind, die Handwerkskammern aber die Interessen der Betriebe und Angestellten und damit auch Arbeitnehmerinteressen vertreten.“ Balsam begrüßte den Schulkompromiss in NRW und die Laufzeit von 12 Jahren: „Schulpolitik muss von Planbarkeit und Verlässlichkeit gekennzeichnet sein. Lehrer, Schüler und Eltern möchten eine klare Perspektive haben“.

Nachfrage nach der Hauptschule zu gering
Sylvia Löhrmann warb für die Schulreform und nannte sie einen Erfolg der Vernunft. Durch die Bildungskonferenz, die die Reform mitgeprägt hat, war auch das Handwerk eingebunden. Mit der Schulreform sei ein System auf den Weg gebracht worden, dass zur Nachfrage in den Kommunen passe und  das Land den passenden gesetzlichen Rahmen liefere. „Das das Schulangebot in einer Großstadt wie Köln anders als in der Eifel sein muss, steht außer Frage“, so Löhrmann. Die Schulreform greife eigentlich nur in die Sekundarstufe I ein, Grundschule, Oberstufe oder Berufskolleg blieben unangetastet, so Löhrmann. Mit der Sekundarschule halte man den Bildungsweg länger offen. Das die Hauptschule, trotz guter Arbeit, wie Löhrmann betonte, keine Chance habe liege an der Wahl der Eltern. Vor 40 Jahren, so die Ministerin seien noch 55 Prozent der jungen Menschen auf die Hauptschule gegangen, heute sind es landesweit noch 12 Prozent,  in manchen Städten gar nur noch 5 Prozent. Dies sei ein bundesweiter Trend.

„Ein Dorf ohne Schule ist kein Dorf“, rief die Ministerin in der Mensa des Berufsbildungszentrums. Die Schule sei ein Standortfaktor auch für die Unternehmen, um Mitarbeiter am Ort zu binden. Durch die Zusammenlegung von Haupt- und Realschule könne so oft die Schule vor Ort erhalten werden. Für den Unterricht wünscht sich Löhrmann, dass die Stärken aller Schulformen für die Bildung der Kinder und Jugendlichen genutzt werden. Daher müssen die Sekundarschulen auch mit Gymnasien und Berufskollegs kooperieren. „Die schlauen unter den Schulen, kooperieren aber nicht nur mit einem, sondern mit mehreren und erhöhen so die Optionen.“, so Löhrmann. Kritikern hielt die Ministerin vor, dass die Vergleichbarkeit der Lernergebnisse durch die zentralen Standards der Kultusministerkonferenz gegeben sei und somit auch die Mobilität von Eltern und Schülern.

„Kein Abschluss ohne Anschluss“
Ein wichtiger Punkt sei es aber die Anschlüsse in den individuellen Bildungsbiographien der Schüler in Zukunft besser zu sichern. Immer dann wenn es zu Brüchen komme, etwa durch den Übergang Grundschule, weiterführende Schule, oder Schule, Beruf müssen die Übergänge verbessert werden. Nordrhein-Westfalen sei nun das erste Bundesland, dass die Ausbildungsorientierung in allen Schulformen will. „Wir müssen allen Schülern ein verbindliches  und geschlechtersensibles Studien- oder Berufsangebot machen“, so Löhrmann. Dies muss zudem an den Lebensrealitäten ausgerichtet sein und darf in Zukunft keine Warteschleifen mehr produzieren. Erreichen will die Landesregierung dies unter anderem durch Berufsorientierungsbüros an den Schulen, aber auch Lock- und Langzeitpraktika.

„Der Kunde erwartet den Handerker um 8 und nicht um Viertel nach 8“
Dr. Ortwin Weltrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer zu Köln unterstrich die Wichtigkeit beim Einstieg in den Beruf über ausbildungsreife Bewerber: „Deutsch- und Rechenkenntnisse, Lern- und Leistungsbereitschaft, Belastbarkeit und zumindest grundlegende soziale Kompetenzen bleiben notwendig.“ Der Grund für diese Forderung läge nicht an der konservativen Grundhaltung von Arbeitgebern, sondern am Kundenwunsch, die gerne ihre Leistungen auf Deutsch besprechen möchten und dass die Leistung im kollegialen und kundengerechten Umgang erbracht werden müsse. Weltrich: „Der Kunde erwartet den Handwerker eben um 8 Uhr und nicht um Viertel nach Acht. Wir können nicht auf der einen Seite die Leistungsanforderungen an den Betrieb immer höher schrauben und die an das Personal sinken lassen.“

Weltrich fordert von der Landesregierung eine bessere Berufsorientierung, die vom Klassenlehrer begleitet werden muss und eine verstärkte Werbung für die duale Ausbildung auch an den Gymnasien. Die Handwerkskammer habe ein Aktionsprogramm zum doppelten Abiturjahrgang entwickelt mit dem man die Abiturientenquote auf über 10 Prozent in der Ausbildung steigern will. Weltrich: „Mit „Abi und dann? Ausbildung exklusiv!“ zeigen wir den Schulabgängern die vielfältigen Ausbildungsperspektiven im Handwerk, nicht zuletzt durch Zusatzqualifikationen während der Ausbildung, duales oder triales Studium.“ Von der Ministerin forderte Weltrich konkrete Maßnahmen um Schulabgänger ohne Schulabschluss zu vermeiden oder wenigstens deren Zahl zu senken. 2009 verließen in NRW 13.399 Schüler die Schule ohne Abschluss. Weltrich nannte auch die Gründe: zu wenig Lehrer, zu viel Unterrichtsausfall und zu große Klassen. Viel Handlungsbedarf besteht für die Kammern auch im Bereich der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund und des Überganges Schule und Beruf. Es dürfe nicht sein, dass sich komplette Klassen aus Haupt- und Realschulen direkt in den Vollzeitklassen der Berufskollegs anmelden. „Hier brauchen wir ein grundsätzliches Umsteuern. Dies muss vor allem in den Köpfen aller Verantwortlichen geschehen, die zwar das duale System preisen, dann aber im Alltag lieber Schüler für die ganze Woche beschulen als nur für zwei Tage.“, so Weltrich, der auch noch mehr junge Frauen für das Handwerk begeistern und die Lehrer vor allem in den wirtschaftsnahen Fächern besser ausgebildet sehen will.

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