Köln | Heute spricht die Kölner Polizei von 4.800 Hooligans, die gestern in Köln aufgelaufen waren und randaliert haben. Denen gegenüber standen 1.300 Beamte, die bis 16:52 Uhr sogar teilweise noch in die Begleitung der Gegendemo eingebunden waren. Jede Kritik am Einsatzkonzept weist die Kölner Polizeiführung zurück.

Polizeipräsident Wolfgang Albers erläuterte warum man die Demonstration nicht verboten habe: Die „Hooligans gegen Salafisten“ (HOGESA) – die Albers als neues Sammelbecken von Rechten und Hooligans bezeichnete – hätten vor der Kölner Versammlung bereits zwei Kundgebungen in Dortmund und Essen abgehalten, die beide ohne Zwischenfälle verliefen seien. Damit habe es keine rechtliche Handhabe gegeben die Kölner Versammlung vor dem Hintergrund des Grundgesetzes zu verbieten. Sowohl Albers, als auch Einsatzleiter Klaus Rüschenschmidt sprechen von einer intensiven Vorbereitung auf die Ereignisse am Sonntag. Seit Mittwoch habe man mit 4.000 Teilnehmern der HOGESA-Versammlung gerechnet. Im Vorfeld der Veranstaltung, so die Kölner Polizei, habe es keine konkreten Anhaltspunkte auf einen derartigen gewalttätigen Verlauf gegeben. Die Aufrufe im Internet hätten zur Friedfertigkeit aufgerufen.

Nach dem Ausbruch von Gewalt sei man technisch und taktisch unmittelbar eingeschritten und habe Wasserwerfer zum Einsatz gebracht. Zudem habe man eine umfangreiche und intensive Beweissicherung betrieben und eine Ermittlungsgruppe eingerichtet die jetzt die Straftaten aufklären sollen. Am Sonntag hatte man 17 Personen festgenommen. Nach der Randale auf dem Breslauer Platz nur einen einzigen Straftäter. Die Zahl der Straftaten, die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt wegen schweren Landfriedensbruchs, dürfte um ein Vielfaches über der Zahl der Festgenommenen liegen. Man darf gespannt sein, wie man auf den Videos vermummte Straftäter rechtssicher identifizieren will. Die Polizei korrigierte die Zahl der verletzten Beamten auf 49 Leichtverletzte.

Der Zug der Hooligans startete um 15:35 Uhr und um 16:00 Uhr habe der Versammlungsleiter der Hooligans die Veranstaltung nach den Eskalationen im Bereich Turiner Straße für beendet erklärt. Um 16:52 Uhr endete die Gegenveranstaltung und damit wurden Polizeikräfte frei. Zu diesem Zeitpunkt verstärkten sich die Polizeikräfte auf dem Breslauer Platz merklich. Man habe gegen 17:45 Uhr die Situation beruhigen können, so die Kölner Polizei. Die Bundespolizei prüfe nun ob es bei der Abreise der Hooligans weitere Vorfälle gegeben hat. Die hatte die Bundesreserve im südlichen Niedersachsen in Bereitschaft gesetzt im Falle es auch im Ruhrgebiet zu Ausschreitungen gekommen wäre.

Der Staatsschutz der Kölner Polizei spricht von einem neuen Phänomen. Die Rechten seien auf den Zug der HOGESA aufgesprungen. Man habe Rechtsextreme aus Dortmund, Aachen und Dresden ausgemacht. Staatsschützer Volker Jobst spricht von 10 Prozent Rechter die in Köln teilgenommen hätten. Fest macht Jobst dies an Zahlen, die seine verdeckten Ermittler und die Nachrichtendienste geliefert hätten. Es sei die Zahl erkannter Rechtsextremer, die die Polizei aus ihren Beobachtungen identifizieren konnte. Aus Köln habe man keine Mitglieder der ehemaligen Kameradschaft Spangenberg ausgemacht. Aber aus Aachen waren ehemalige Mitglieder der mittlerweile verbotenen Vereinigung Kameradschaft Aachener Land in Köln vor Ort. Aus Dortmund seien Mitglieder der Partei die Rechte gekommen. Angesichts der Bilder, der Farbwahl der HOGESA Schwarz-Rot-Weiß, der vielen rechten Arme, die zum Hitlergruß gereckt waren, der „Deutschland den Deutschen“-Gesänge und der Auftritts der rechten Band „Kategorie C – Hungrige Wölfe“, deren Lieder alle mitsingen konnten, wirkt die Einschätzung des Staatsschutzes mit 10 Prozent verschwindend gering. Diese Einschätzuing wirft die Frage auf, wo der Staatsschutz hier eigentlich die Grenze oder Abgrenzung zwischen Fußball-Hooligan und Rechtem oder Rechtsextremen zieht? Ein Blick auf die Website der Band und die Fotosammlung der Tatoos sagt viel: Tatoos mit der „88“, dem Neonazikürzel für „Heil Hitler“ prangen in der Fotogalerie. Eines ist nach dem Sonntag von Köln deutlich geworden, die schon immer lose verbundenen Rechten, Rechtsextremen und Hooligans haben voneinander gelernt und die Grenzen sind schwimmend. Man nutzt das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit um Gewalt zu säen fernab der Fußballstadien und baut ein immenses Drohpotential auf. Dazu hofft man auf Sympathie aus der Bevölkerung, wenn man sich betont einfach gibt und gegen Ausländer, Linke, Intellektuelle und Medien hetzt. Ein gefährlicher Nährboden mit erheblich mehr Gewaltpotential, dem der Staat mit seinem Gewaltmonopol klare Grenzen aufzeigen muss. Dies ist aber in Köln nicht geschehen. Die Hooligans durften sich vermummen oder Alkohol trinken und damit eindeutig gegen die Auflagen der Polizei für die Versammlung verstossen. Dazu hatte die Polizeiführung keine Erklärung. Vor diesem Hintergrund zu erklären, dass man nicht jede Versammlung stoppen oder auflösen könne, wo Bier getrunken werde, setzt potentiellen Gewalttätern keine klaren Grenzen.

Angesichts des Gewaltausbruchs irritiert die Selbstzufriedenheit der Kölner Polizei. Es fallen Einschätzungen wie man habe ein „gutes Konzept“ gehabt und sei „angemessen und gut aufgestellt gewesen“ und im „Großen und Ganzen zufrieden“. Allerdings räumte man ein, dass man aus den Erkenntnissen aus Köln lernen wolle. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in NRW Arnold Plickert gab im „ZDF“ zu bedenken, dass mit zwei Fußballspielen am Sonntag keine weiteren Einsatzhunderschaften mehr in NRW zur Verfügung standen, die Polizei also keine Kräfte mehr frei hatte.

In rechten Medien ist mittlerweile die Rede vom „Wunder von Köln“ die Rede und es werden Vergleiche zu den Montags-Demonstrationen in Leipzig gezogen. Die Hooligans werden als echte Männer stilisiert. Laut einer Facebook-Seite soll die nächste Demonstration am 15.11. in Hamburg stattfinden. Man gibt sich euphorisiert nach Köln und wünscht sich ähnliche Veranstaltungen jede Woche in einer anderen Stadt. Allerdings wachsen derzeit diese Facebookseiten rund um HOGESA wie die Pilze aus dem Boden, so dass deren Echtheit oder Hintergrund schwer festzustellen ist. Ob also die nächste Versammlung in Hamburg stattfinden wird, wird man sehen.

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Weitere Berichte zur HOGESA-Versammlung in Köln bei Kölns Internetzeitung:

Die Stimmen aus der Politik zur HOGESA >

Der Bericht vom Sonntag zur Kundgebung und den HOGESA-Gewaltexzessen in Köln >

Autor: Andi Goral
Foto: Der Einsatzleiter der Kölner Polizei Rüschenschmidt zog ein positives Fazit des Polizeieinsatzes rund um die Versammlung von HOGESA