Dass die Europäer in ihren Kolonien als brutale Unterdrücker auftraten, war eher die Regel als die Ausnahme. So ist es ein hintersinniger Witz, wenn ein Bewohner der Nikobaren-Inseln die lebensgroße Figur eines wütend-geifernden Europäers mit Tropenhelm schnitzt und diese auf seine Türschwelle stellt, um das Böse fernzuhalten. Wie sahen die Eroberten ihrer Eroberer? Das zeigt jetzt die Ausstellung „Der Wilde schlägt zurück“ im Rautenstrauch-Joest-Museum.

Köln | Diese Figur empfängt den Besucher der Ausstellung. Zu sehen sind dann Werke unbekannter Künstler, gesammelt vom Ethnologen Julius Lips (1895-1950): Plastiken aus Holz und Bronze, Zeichnungen. Sie zeigen steife Europäer, Männer mit Zylinder und Reitpeitsche, die den australischen Aborigines das Land geraubt haben, Einheimische, die als Soldaten den Eroberern dienten, Frauen in weiten Röcken, Missionare und einheimische Händler, die sich auf Kosten ihrer Stammesgenossen bereicherten – vieles einer Karikatur ähnlich. Realistisch dagegen Königin Victoria mit ihrem weiten Reifrock, unter dem ihre kleinen Füße zu entdecken sind. Von brutalem Realismus auch die Szenen des Sklavenhandels auf einem kunstvoll geschnitzten Elefanten-Stoßzahn.

Vieles wurde im Auftrag oder als Souvenir für die Kolonialherren geschaffen

Es sind keine Kultgegenstände, sondern – so weit bekannt – alles Auftragsarbeiten. Oder als Souvenir gedacht, mit dem die Europäer in ihrer Heimat prunken konnten. Also keine von Restitutionsansprüchen belasteten Kunstwerke. Lips wollte mit seiner Sammlung beweisen, dass die von ihm rund um den Globus gesammelten Künstler den europäischen gleichwertig seien. Das bezog er ebenso auf ihre Kultur als Ganzes.

Eine Bewertung, die lange nicht auf Gegenliebe stieß. Vor allem nicht bei den Nationalsozialisten mit ihrer Behauptung der weißen Herrenrasse. 1933 jagten sie ihn aus seinem Amt als Direktor des Kölner Rautenstrauch-Joest-Museums, auch seine Professur an der Universität verlor er.

Julius Lips gilt als Begründer der modernen Völkerkunde

Julius Lips sah in diesen beiden Figuren (um 1900 entstanden) aus Benin König Albert I. und eine strenge Lehrerin – Symbole für euopäische Disziplin und militärischen Drill.  Bil: ehu

Mit seiner Ehefrau Eva ging er ins Exil nach New York. Hier schrieb er sein Buch „The Savage Hits Back or The White Man through Native Eyes“. Erst 1985 erschien sein Buch unter dem Titel „Der Wilde schlägt zurück“ auf Deutsch in einem Leipziger Verlag. Nach 1945 war das Ehepaar in die DDR remigriert. Zwar gilt Lips als Begründer der modernen Völkerkunde, doch war sein wissenschaftlicher Ansatz lange umstritten.

Seine Sammlung lag lange mehr oder weniger unbeachtet im Depot des Kölner Museums. Nun wird sie erstmals der Öffentlichkeit gezeigt. Bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung gelang es nicht nur, einige Zuordnungen von Lips zu korrigieren, es konnten auch zwei Künstler identifiziert werden: der australischen Zeichner Yakademas alias Tommy McRae und der Nigerianer Onajeje Odulate, der von den Briten sogar als Holzschnitzer fest angestellt wurde. Beiden sowie dem Leben Lips’ ist ein eigener Ausstellungsraum gewidmet.

„Der Wilde schlägt zurück“ – bis 3. Juni 2018, Rautenstrauch-Joest-Museum, Cäcilienstr. 29-33 (Am Neumarkt), Di-So 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr, am ersten Donnerstag im Monat 10-22 Uhr (außer an Feiertagen). Eintritt zur Sonderausstellung 4/3 Euro, Kombiticket mit der Dauerausstellung 9/7 Euro. Katalog: 12 Euro

Autor: ehu
Foto: Tropenhelm, erhobene Linke, wütendes Gesicht – und echte Zähne im schreienden Mund: Dieser Brite empfängt die Ausstellungsbesucher. Bild: ehu