Köln | Bürokratieabbau ist ein Stichwort, das dieser Tage inflationär im politischen Betrieb die Runde macht. Dabei bauen die Behörden rasant Stellen auf. Nicht nur in den Bundesministerien, sondern auch bei der Stadt Köln. In einem Jahrzehnt wuchs dort die Anzahl der Stellen um über 27,5 Prozent. Das ist fast ein Drittel mehr an Stellen. Am 14. November 2024 wird der Haushalt in den Rat der Stadt Köln eingebracht. Auch dort wird sich der Stellenaufwuchs auf der Kostenseite bemerkbar machen.
Es ist eine Recherche von report-K, die sich mit dem Stellenaufwuchs bei der Stadt Köln beschäftigt. Zugegeben war diese inspiriert von einem Bericht der „Welt“ zu einer Studie von Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen von der Universität Freiburg im Auftrag der Bayerischen Wirtschaftsvereinigung (VBW) mit dem Titel „Stellenmehrung und Stellenbremse in der Bundesverwaltung“. Auf den Punkt gebracht ist eine Erkenntnis für den Zeitraum 2013 bis 2023, dass die Zahl der Beamtenstellen in den Bundesministerien sich um 47 Prozent erhöhte. (Den gesamten Artikel bei report-K finden Sie am Ende dieses Artikels.)
Fast ein Drittel mehr Stellen in der Kölner Stadtverwaltung
Im Jahr 2013 arbeiteten in der Stadtverwaltung Köln 16.831 Menschen. 2023 waren es 21.461 Menschen. Das sind 4.630 Menschen mehr oder in Prozent: 27,50876. Besonders ein Jahr sticht beim Stellenaufwuchs heraus: Das Corona-Jahr 2020.
Das bedeutet für die städtischen Aufwendungen für Personal fast eine Verdoppelung der Kosten. Denn diese stiegen von über 671 Millionen auf über 1,2 Milliarden Euro.
In den abgefragten 10-Jahres-Zeitraum fielen zwei Kommunalwahlen, die im Jahr 2015 und 2020. Von 2013 bis 2015 war Jürgen Roters, SPD Oberbürgermeister und von 2015 bis heute Henriette Reker. Reker versprach den Kölner Bürger:innen eine Verwaltungsreform. Unter Roters wuchs die Stadtverwaltung im Jahr 2014 um 208 Mitarbeitende. Unter Reker um 4.422 Mitarbeitende. Unter Roters regierte im Rat ein Rot-Grünes Bündnis, ab 2015 zunächst unter der Führung der CDU ein Bündnis mit den Grünen und ab 2020 folgte Grün-Schwarz-Violett. Die Grünen wurden stärkste Fraktion und befinden sich mit CDU und Volt im Bündnis.
Wie die Stadtverwaltung den Aufwuchs erklärt
Die Stadt Köln erklärt den Stellenaufwuchs um fast ein Drittel mit den vielen Krisen, die es ab 2015 zu bewältigen gegeben habe. Da sei die Flüchtlingskrise, dann die Coronakrise und jetzt der Ukraine-Krieg. Zudem sei Köln eine wachsende Stadt und damit brauche es mehr Personal, um den Aufgaben des Zuwachses an Einwohner:innen gerecht zu werden. Das stimmt, aber die Kölner Bevölkerung wuchs in dem betrachteten Jahrzehnt nur um exakt 5,14207 Prozent, während die Stadtverwaltung um 27,50876 Prozent anwuchs.
Ein weiterer Grund warum die Stadtverwaltung mehr Personal benötige liege an den Gesetzesänderungen. Zudem gebe es neue Dienstleistungen und unter Grün-Schwarz-Violett seien Dezernate neu gegründet worden. Themen wie Digitalisierung und Klima bedeuten mehr Personalressourcen, die die Stadt Köln vorhalten müsse, so die Stadtverwaltung. So schreibt die Pressesprecherin Sabine Winkelhog: „Insgesamt ist es der Stadtverwaltung ein Anliegen, eine nachhaltige Personalpolitik zu verfolgen, um den Bedürfnissen der Mitarbeiter*innen und der Verpflichtung gegenüber den Einwohner:innen von Köln nachkommen zu können.“ Es wurden aber auch Ämter ausgegliedert, etwa das Amt für Wirtschaftsförderung, das in die Köln Business GmbH privatisiert wurde. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Veränderung der prozentualen Anteile Beamter und Angestellter zwischen 2013 und 2023. So sank der Anteil der Beamt:innen im Verhältnis zu den angestellten Mitarbeitenden. Dabei gibt es den sogenannten Funktionsvorbehalt, etwa bei hoheitlichen Aufgaben, die in der Regel den Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen sind, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Dieser Funktionsvorbehalt etwa regelt den Einsatzbereich von Beamt:innen, die etwa in den Bereichen der Eingriffsverwaltung Verwendung finden. Dazu zählt aber auch die Gewährung von Leistungen der Daseinsvorsorge die sogenannte Leistungsverwaltung.
Leider konnte die Stadtverwaltung die Frage nicht beantworten, in welchen Dezernaten es den größten Stellenaufwuchs gegeben habe. Dies sei nicht möglich, da 2021 die Dezernate neu geordnet worden seien, neue Ämter eingerichtet wurden und die Stellenverschiebungen nicht aufgeschlüsselt werden könnten.
Hier gab es den größten Stellenaufwuchs
Den größten Stellenaufwuchs gab es im gehobenen Dienst. Auch hier kann die Stadtverwaltung keine exakten Zahlen nennen, weil es die Umstellung auf den TVöD im Jahr 2017 gab und die Zuordnung mittlerer, gehobener und höherer Dienst, wie es ihn 2013 noch gab nur schwierig zu ermitteln sei. Die höheren Personalaufwendungen erklärt die Stadt unter anderem mit tariflichen Anpassungen, Änderungen bei den Lohnnebenkosten oder Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder die allgemeine Inflationsentwicklung.
Offen bleiben die befristeten Stellen
Zu den befristeten Stellen, etwa in der Corona-Pandemie, äußert sich die Stadtverwaltung zurückhaltend und nennt nur die Jahre 2013 mit 1.109 befristeten Mitarbeitenden und 2023 mit 448 befristeten Mitarbeitenden. Diese dürften nicht zum obengenannten Stammpersonal zählen.
Wie sieht es in Zukunft aus
Für 2024 sei ein Budget von 12,68 Millionen Euro für einen Stellenaufwuchs eingeplant. Umgerechnet, so die Stadtverwaltung könnten damit 163 Stellen mehr in 2024 geschaffen werden. Für 2025 sei kein Mehrstellenbudget eingeplant. Das konnte es auch zum Zeitpunkt der Anfrage nicht, denn die Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Kämmerin Dörte Diemert haben ihren Haushalt für 2025, der ein Doppelhaushalt mit 2026 werden soll, noch nicht eingebracht. Dies ist für den 14. November 2024 vorgesehen. Dann wird sich zeigen, ob dort für die beiden kommenden Jahre mehr Stellen vorgesehen sein werden.
Stellenaufwuchs in der Kommunikation
Besonders auffällig in den vergangenen Jahren war immer wieder die Suche nach mehr Kommunikatoren für die Kölner Stadtverwaltung in den Stellenbörsen. So schuf die Stadt Köln in allen Dezernaten mindestens eine Stelle für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Diese Stellen zählen nicht zum Bereich des städtischen Presseamtes. 2013 gab es im OB-Büro von Jürgen Roters drei Stellen für Reden und Grußworte, heute bei Henriette Reker sind es vier Stellen. Die Stadt erklärt, dort würden nun auch Videobotschaften gefertigt. Eine Stelle im OB-Büro ist für die Öffentlichkeitsarbeit vorgesehen.
Das städtische Presseamt hat seine Stellen nahezu verdoppelt. So habe es mit Stichtag 15. September 2013 dort 26 Planstellen gegeben. Am 15. September 2023 seien dies 50,50 Planstellen gewesen. Es seien auch Aufgabenbereiche aus der Stadtverwaltung verschoben worden. Die Stadtverwaltung nennt ein Beispiel: „So wurden zum Beispiel im Zuge der Auflösung ehemaligen Dienststelle „E-Government und Online-Service“ 2018 insgesamt 14 Stellen zum Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit übertragen. Dahinter steckt die Übertragung der inhaltlichen Verantwortung für die Website www.stadt-koeln.de an das Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ein Jahr später folgte als Ergebnis einer neuen Kommunikationsstrategie im Januar 2019 der sukzessive Aufbau eines Social-Media-Teams und eines Themenmanagements.“
Die Begründung für den Stellenaufwuchs
Die stellvertretende Pressesprecherin der Stadt Köln Simone Winkelhog begründet: „Ein Zuwachs an Personal bei der Stadtverwaltung erfolgt nur, wenn die Stadtverwaltung auf neue Anforderungen reagiert oder im Zusammenhang mit sich bietenden Chancen agiert. Ziel der Stadtverwaltung ist es, flexibel und dynamisch auf veränderte Anforderungen einzugehen, um sowohl den Medien als auch den Einwohner:innen der Stadt Köln gute Services zu bieten. Indem die Stadt Köln bei Bedarf in neue Stellen investiert, sichert sie nicht nur die Qualität der Dienstleistungen, sondern trägt auch zu einer Stabilität der städtischen Strukturen bei. Eine Anpassung an technologische Entwicklungen, Innovation, Digitalisierung, Projekte und zusätzliche Prozesse führen zu Umstrukturierung und einem gesteigerten Bedarf an zusätzlichem Know-How. Auch die oben beschriebenen Umstände, wie Krisen, Gesetzesänderungen, Aufgabenzuwachs durch Bundes- oder landespolitische Entscheidungen führen zu Aufwuchs. Natürlich ist es auch erforderlich, die Organisation weiterzuentwickeln, neue Berufsbilder einzuführen und die öffentlichen Dienstleistungen zukunftsfähig zu gestalten. Ganz konkret können beispielsweise Gesetzesänderungen zur Übernahme neuer Aufgaben führen. Jüngere Beispiele sind die Wohngeldreform und die Anpassung des Staatsangehörigkeitsrechts. Aber auch (weltweite) Krisensituationen wie die Flüchtlingskrise 2015, die Corona-Pandemie oder der Ukraine-Krieg sind Auslöser für umfangreiche Stellenzusetzungen. Neben neuen Aufgaben kann auch der quantitative Anstieg von bestehenden Aufgaben Grund für einen Mehrbedarf sein, etwa wenn die Zahl der Leistungsempfänger im Sozialbereich ansteigt.“
Viele Fragen
Festzustellen ist, dass in nur 10 Jahren nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit ein Stellenzuwachs bei der Stadt Köln um fast ein Drittel stattfand. Dieser geht einher mit einer fast verdoppelten Kostenbelastung für den städtischen Haushalt. Der Aufwuchs war zudem nie wirklich Thema im Kölner Rat, also wurde von der Kölner Politik debattiert oder hinterfragt. Bei der Stadt Köln führen Digitalisierung oder eine Verwaltungsreform zu mehr Personal statt weniger. Auch das ein bemerkenswerter Fakt. Wer auf den Stellenzuwachs bei den Bundesministerien blickt, den Stellenaufwuchs bei der Stadtverwaltung in Köln fragt sich unwillkürlich wie ein Bürokratieabbau gelingen soll, wenn es dort immer mehr Bürokrat:innen gibt? Und was verwalten die Beamten und Angestellten, wenn ihre Zahl im Vergleich zum Bevölkerungswachstum deutlicher ansteigt?
Die wichtigste offene Frage ist allerdings, die die Stadt Köln in der Anfrage nicht beantwortet, ist, wo genau findet der Stellenaufbau wirklich statt? Also gelingt der Stellenzuwachs dort, wo das Personal am dringendsten benötigt wird, etwa bei der Bearbeitung von Bauanträgen oder beim Kitapersonal? Denn das verraten die nüchternen Zahlen nicht und werfen die Frage nach dem Controlling auf?
Am 14. November 2024 wird der Haushalt für die kommenden Jahre 2025/26 vorliegen. Vielleicht geht es dann in der politischen Debatte auch einmal um die Frage, wie eine effiziente und schlanke Stadtverwaltung umgesetzt werden kann und welchen politischen Rahmen die Politik im Stadtrat setzt und wie sie die Stadtverwaltung kontrolliert, wie es nach der Gemeindeordnung ihre Pflicht ist. Festzuhalten ist: Unter CDU und Grünen sowie Grünen, CDU und Volt stiegen die Ausgaben für Personal um fast das Doppelte und die Zahl der Einstellungen um mehr als 4.500. Warum das so ist, könnten die Wähler:innen die Kölner Kommunalpolitiker:innen bei deren Haustürbesuchen oder an deren Wahlkampfständen in den Veedeln bei der Kommunalwahl 2025 einmal fragen. Und natürlich die Kandidaten um das Amt der Oberbürgermeister:in, denn die oder der ist dann Chef der Verwaltung mit den über 21.000 Mitarbeitenden.