Das Fazit des Feuerwehrchefs
Erst Anfang dieser Woche war für die Berufsfeuerwehr der Einsatz in Dormagen beendet. Der Kölner Feuerwehrchef Neuhoff zog ein Resumee zum Einsatzgeschehen und zu den Messwerten. Die Pipeline ließ man bewußt ausbrennen, während man gegen den Tank mit intensiven Löschmassnahmen vorging und das man am Einsatztag kurz vor Mitternacht löschen konnte. Um ein solches Großfeuer zu löschen, musste die Feuerwehr einen intensiven und gut geplanten Löschangriff mit Schaum vorbereiten. Alleine 55.000 Liter Wasser waren in der heißen Phase der Brandbekämpfung pro Minute nötig. Immer wieder wurde Schaum aufgebracht um den glühend heißen Tank bis in die frühen Morgenstunden herunterzukühlen. Erst danach konnte mit dem Abpumpen der Flüssigkeit aus Löschwasser, Acrylnitril und Löschschaum begonnen werden. Zuerst entsorgte man die Flüssigkeiten zwischen Betonring und Tank und erst dann mit den Flüssigkeiten im Tank, die in einen leeren Tank der nebenan lag umgepumpt und damit gesichert werden konnten.

INEOS ein Betrieb der Störfallverordnung
Kölns Umweltdezernentin Marlies Bredehorst machte klar, dass bei einem Betrieb wie  INEOS, der der Störfallverordnung unterliegt, das Land und damit die Bezirksregierung zuständig ist. Bredehorst machte auch klar, dass die Stadt damit bis heute nicht alle Fakten und Zahlen vorliegen hat. Man ist den Weg in die Öffentlichkeit dennoch gegangen, weil die Bevölkerung ein Recht auf Information habe. Bredehorsts Worte waren eindeutig,  man sei "an einer Katastrophe vorbeigeschrammt". In der Bezirksvertretung in Chorweiler wird es zu dem Brand bei INEOS eine aktuelle Stunde geben, gab Bredehorst bekannt.

Acrylnitril ist giftig
Der Leiter des Kölner Gesundheitsamtes Dr. Leidel gab heute ein Einschätzung zur gesundheitlichen Gefährdung der Kölner Bevölkerung. Zunächst beschrieb Leidel die gesundheitlichen Gefahren durch Acrylnitril, das er als giftig einstufte. Acrylnitril reizt die Atmungsorgane, ist giftig beim Einatmen und Verschlucken. Inkorporiert man den Stoff kann dies zu Übelkeit, Erbrechen, Krämpfen, bis hin bei großen Mengen zu Bewußtlosigkeit und Herzstillstand führen. Leidel machte klar, dass Acrylnitril eine akute Giftigkeit besitzt, da es in bestimmten Situationen und chemischen Reaktionen auch Blausäure abspalten kann. Acrylnitril ist aber auch potentiell krebserregend, wobei hier die Einschätzung nach Aussage Leidels schwieriger ist.

Seine Einschätzung machte Leidel in drei Stufen deutlich. Man müsse unterscheiden zwischen der Situation während des Brandes und unmittelbar danach, der Einschätzung für Landwirte, Kinderspielplätze heute und für das Krebsrisiko.


Diese Karte des LANUV zeigt die Messwerte an den Brandtagen.

Die Messwerte und Einschätzung während des Brandes
Gemessen wurde von der Feuerwehr und dem LANUV [Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW]. Das LANUV hat für die Tage 17./18.3.2008 die Ergebnisse im Internet veröffentlicht und alle Messwerte liegen unter 5 ppm. [siehe Karte, oder herunterladen unter www.>>>].  Nach dem sogenannten ERPG (Emergency Response Planning Guide) liegen die Toleranz und Grenzwerte in einer Stunde bis zu 10 ppm und nach dem ERPG 2-Wert bis 35 ppm, tolerabel, ohne dass es zu bleibenden Beeinträchtigungen kommen kann. Bei Überschreiten dieses Wertes über eine Stunde muss die Bevölkerung evakuiert werden.

Die Messwerte
Dreimal lagen die Messwerte in einem hohen Bereich, dass gab man heute zum ersten Mal zu. In der Nacht in der Umgebung der Windrichtung und in der Rauchzone bei 8 ppm. Relativ nah am Brandort kam es zu einer besonders hohen Messung. Um 4:40 Uhr gab es den Wert 0 ppm, um 4:44 Uhr den Wert 20 ppm und um 4:50 am gleichen Ort 1 ppm nach Auskunft der Feuerwehr. Der Wert 20 ppm kann auch höher gelegen haben, denn die Messgeräte der Feuerwehr zeigen in ihrer Skalierung als Maximalwert lediglich 20 ppm an. Auch am Tag nach dem Brand hatte man direkt am Brandort noch einmal den Wert von 18 ppm gemessen. Für den Aussreisser in der Nacht hat man zwei Erklärungen. Die eine ist eine kurzfristige sehr hohe Konzentration, oder einen Messfehler. Von insgesamt 150 Messtellen gab es im unmittelbaren Bereich des Brandortes damit drei erhöhte Werte.

Man habe aufgrund dieser singulären Messung nicht die Bevölkerung um 5:00 Uhr morgens evakuiert oder informiert, da man die Bürgerinnen und Bürger in ihren Wohnungen bei geschlossenen Fenster sicherer wähnte, als diese aufzuwecken und dann alle auf die Straßen zu schicken. Vor allem habe man die zeitliche Entwicklung genau beobachtet. "Eine Situation die zu bleibenden, bzw. schweren Gesundheitsschäden der Bevölkerung führt war nicht gegeben", so Dr. Leidel. Auch bei 64 Feuerwehrmännern, die direkt am Einsatzort eingesetzt waren, hat man nach Blutproben keine erhöhten Werte festgestellt.

Die Bodenproben und Einschätzung heute
Die Firma INEOS hat ein unabhängiges Sachverständigenbüro beauftragt, dass Bodenproben genommen hat, so Dr. Leidel. An 10 Stellen hat man Pflanzen, vornehmlich Grünschnittproben genommen und an 15 Stellen Bodenproben entlang der Rauchwolke und deren Niederschlagsgebiet. Die Proben wurden an besonders sensiblen Stellen, wie Kinderspielplätzen genommen. Alle Proben waren nach Auskunft Leidels unterhalb der Nachweisgrenze und damit gehe auch vom Boden keine Gefahr für die Bevölkerung aus, Kinder können im Freien spielen, Hobbygärtner ihr Gemüse aus dem Garten verzehren und Landwirte im betroffenen Gebiet ihre Produkte vermarkten. Daher sieht Leidel auch das Grundwasser als nicht gefährdet.

Das Krebsrisiko
Hier will sich Dr. Leidel nicht festlegen, da er das Krebsrisiko nicht wirklich qualifizieren kann. Das LANUV arbeite derzeit an einer Einschätzung. Leidel geht davon aus, dass für die Bevölkerung wahrscheinlich ein geringfügig erhöhtes Krebsrisiko bestand.

Verfehlte Informationspolitik aller Verantwortlichen
Die Stadt Köln musste heute zugeben, dass man in der aktuellen Situation Medien und Bevölkerung nicht richtig informiert hat. Dies ist keine vertrauensstiftende Massnahme, dies muss den Verantwortlichen bei der Stadt Köln, dem Unternehmen und der Bezirksregierung klar sein. Klar ist aber auch, dass obwohl man Störfallverordnungen drucken lässt und einführt auch die Landesregierung und das Unternehmen nicht richtig informiert haben. Die Bürgerinnen und Bürger haben das Recht darauf vertrauen zu dürfen, dass Ihnen in Gefahrensituationen die Unternehmen und auch die Verwaltung klar und offen darlegt was passiert ist und wie gefährlich dies für die Bevölkerung ist. Und in der anschließenden Analyse ob weitere Gefahren bestehen. Auch die Landesregierung, das LANUV und die Bezirksregierung haben noch einen hohen Aufklärungsbedarf, vom Unternehmen ganz zu schweigen.

Andi Goral für report-k.de / Kölns Internetzeitung