„Es braucht Visionen für die Stadt“

Von Stephan Eppinger, Foto: Verlag

Wie ist die Idee entstanden, so ein wegweisendes Buch zu veröffentlichen?

Michael Wienand: Ich wollte Köln mit all seinen Schätzen in einem Buch so darstellen, wie ich die Stadt seit meiner Kindheit erlebe, sicherlich in sehr idealisierter Weise. Dabei wollte ich all das ausklammern, was mich täglich maßlos ärgert: All der Dreck, die Schmierereien selbst an Kulturdenkmälern, die häufig drittklassige Architektur, das Fehlen von Plätzen mit echter Aufenthaltsqualität – die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Dabei ist Köln eine Stadt, die auf eine mehr als 2000-jährige Kulturgeschichte zurückblicken kann, und die herausragenden Schätze in ihren neun Museen und unzähligen privaten Sammlungen birgt. Ich verstehe „KölnGold“ mit seinen 650 Seiten Umfang, seinen 500 Abbildungen und seinen engagierten Beiträgen von 18 Autorinnen und Autoren aus der Stadtgesellschaft als Qualitätsoffensive. Sie soll dazu beitragen, die viergrößte Stadt Deutschlands mit einer einmaligen Historie zu einer Weltstadt zu entwickeln. Dazu braucht es Visionen!

Wie erleben Sie aktuell die Situation in Köln?

Wienand: Die Situation ist ambivalent. Wie viele andere Städte hat auch Köln sehr unter der Pandemie gelitten. Die Corona-Krise hat aber vor allem eine zuvor bereits erkennbare Entwicklung verstärkt. Das zeigt beispielhaft ein Gang über die Hohe Straße mit den Leerständen und den Billigläden, die sich immer mehr ausbreiten. Glücklicherweise gibt es aber auch Lichtblicke wie das neue Stadtarchiv oder die inzwischen absehbare Wiedereröffnung des Opernhauses. Auch die geplanten Neubauten an der Via Culturalis machen Hoffnung. Dazu gehören das neue Domhotel genauso wie der Museumskomplex MiQua. Hoffnung und Begeisterung sind durchaus vorhanden, das haben wir bei diesem Buchprojekt immer wieder deutlich gespürt.

Mit welchem Konzept sind Sie an dieses Projekt herangegangen?

Wienand: Das Konzept zu KölnGold entwickelte ich gemeinsam mit dem Autor Matthias Hamann, dem Leiter des Kölner Museumsdienstes. Wir haben eine große Liste erstellt mit Dingen, die wir als wichtig erachten: Das ist natürlich der Dom und es sind zahlreiche andere Bauten und Plätze der Stadt und das sind vor allem die Schätze der Museen und der privaten Sammlungen. Unser Buch spiegelt aber auch Visionen wider: Spannend ist dabei der Böhm-Entwurf für eine begrünte Hohenzollernbrücke, die wie in New York zu einer gründen „High Line“ neu gestaltet werden könnte, wenn – als Utopie – der Hauptbahnhof nach Kalk verlegt würde. Ein weiteres wichtiges Zukunftsprojekt ist die Umgestaltung des Deutzer Hafens vom Industriegebiet in ein modernes Quartier zum Leben und Arbeiten. Denn auch die Wirtschaft in der Stadt muss sich mit innovativen Ideen neu positionieren. Visionen lassen sich eben nur dann realisieren, wenn Köln über eine starke funktionierende Wirtschaft verfügt, das darf bei all diesen Kulturthemen nicht in Vergessenheit geraten. So ist eine Liste mit knapp 300 Objekten entstanden. Diese sind in noch nie dagewesener Qualität großformatig abgebildet. Das Buch schlägt den Bogen von den Anfängen mit den Bandkeramikern vor mehr als 7000 Jahren bis hin zu zukunftsweisenden Ideen für diese Stadt im 21. Jahrhundert.

Wie haben Sie die 18 Autoren für das Buch ausgewählt?

Wienand: Vorab muss ich ein Wort zur inhaltlichen Gliederung sagen: „KölnGold“ ist nicht etwa chronologisch oder kunsthistorisch geordnet. Es ging uns vielmehr um die Darstellung der DNA der Stadt, die die Identität Kölns ausmacht. So haben wir 17 Begriffe gefunden – diese reichen von Schönheit, Lebensfreude und Humor bis zu Macht und Ordnung. Das Thema Lebensfreude übernahm zum Beispiel Christoph Kuckelkorn, der zugleich im Karneval Präsident des Festkomitees ist und der beruflich als Bestatter arbeitet. Er berichtet, wie beeindruckt er war, als er mit seinem Vater als Kind das Römisch-Germanische Museum besucht hat. Zum Begriff Ordnung baten wir den Architekten Kaspar Kraemer. Er führt dem Leser deutlich vor Augen, wie die Stadt mit überflüssigen Verkehrsschildern und Pollern verschandelt wird und wie die Stadt durch den Verzicht darauf und mit guter Architektur mehr Attraktivität gewinnen kann. Nicht einfach war es, einen Autor oder eine Autorin zum Begriff „Humor“ zu finden, da dieser in Köln bekanntlich sehr vielschichtig ist. Eine junge Journalistin, die eine Obdachlosenzeitschrift an den Start bringt, hat dieses Thema trefflich bearbeitet. Zum Thema „Macht“ schreibt in unserem Buch der Journalist Frank Überall. In seinen Beitrag geht es u.a, darum, dass wir in Köln an der Spitze der Stadt machtvolle Persönlichkeiten zur Durchsetzung auch unangenehmer und schwieriger Maßnahmen brauchen. Nur so kann eine Vision Wirklichkeit werden.

„KölnGold“ ist nicht nur ein Buch, sondern auch eine Initiative?

Wienand: Diese eng mit dem Buch verknüpfte Initiative habe ich angestoßen, um Vereine und Initiativgruppen, die sich für die Stadt einsetzen, zu sammeln und zu unterstützen. Begleitend zum Buch gibt es eine Datensammlung über mehr als 500 gemeinnützige Vereine. Ein schönes Beispiel ist die Grünstiftung, die Bänke und Bäume in der Stadt aufstellt und sich so für die Allgemeinheit engagiert. Wir haben sehr viele „Baustellen“ in Köln, um die wir uns kümmern müssen, damit die Innenstadt wieder einen europäischem Rang bekommt. Das gilt für den Neumarkt genauso wie für die gesamte Altstadt. Dort baue ich vor allem auf die Via Culturalis zwischen dem Dom und St. Maria im Kapitol, eine Kulturstraße von 800 Metern Länge. Hier entstehen die MiQua, das neue Stadtmuseum, das Domhotels und der Anbau des Wallraf-Richartz-Museums. Wichtig ist es, endlich St. Maria im Kapitol wieder freizulegen und die Bauten der 50er Jahre, die dieses großartige romanische Baudenkmal. empfindlich einengen, zu beseitigen. Im Buch sind solche Baustellen im Jetztzustand fotografiert und Animationen zeigen, wie es im Idealfall aussehen könnte. Das ist wirklich beeindruckend und sollte Stadtgesellschaft, Politik und Verwaltung veranlassen, dieses Herzstück – die Via Culturalis – von Köln noch in diesem Jahrzehnt zu verwirklichen.

Wie ist bislang das Feedback auf das Buch?
Wienand: Eine solche Begeisterung wie zu KölnGold habe ich meiner Laufbahn als Verleger noch nie erlebt. Das gilt für beide Ausgaben, den großformatigen Prachtband mit hohem buchkünstlerischem Aufwand und die kleinere, preiswertere Version. Wir haben mit diesem Projekt offensichtlich vielen Kölner, die ihre Stadt lieben, aus der Seele gesprochen.

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Das Buch: Matthias Hamann und Michael Wienand (Hrsg.), Wienand-Verlag, 630 Seiten 45 Euro; Prachtband mit 654 Seiten, 350 Euro

Autor: Von Stephan Eppinger
Foto: Die Präsentation des Buches „KölnGold“. Foto: Wienand Verlag