In der kommenden Woche wird Papst Benedikt XVI in Deutschland zu Gast sein. Wie beurteilen Sie den Besuch des Papstes?
Der Deutsche Bundestag übt zu recht große Zurückhaltung bei der Einladung an ausländische Staatsoberhäupter, vor dem Plenum des Deutschen Bundestages zu sprechen. Der Papst ist nicht nur Staatsoberhaupt, sondern in aller erster Linie Religionsführer. Deshalb stellt sich die Frage, ob der Deutsche Bundestag wirklich der angemessene Ort für eine Rede des Oberhaupts der Katholischen Kirche wäre. Mit Benedikt XVI. würde erstmals ein Papst vor dem deutschen Parlament sprechen.

Vor vier Jahren war es trotz Einladung durch den Bundestagspräsident Norbert Lammert nicht zu einem Besuch des Bundestags gekommen. Damals habe ich inhaltliche Bedingungen formuliert: Der Papst dürfe lediglich als Staatsoberhaupt sprechen und sich weder in die deutsche Innenpolitik einmischen, noch Themen wie Aids-Prävention, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften und Abtreibungsregelungen kommentieren.

Unsere Sorge galt und gilt der Gleichbehandlung der Religionen durch den Bundestag. Dazu ist nun alles gesagt, die Sache ist entschieden. Allerdings muss sich der Papst der demokratischen Diskussion und Kritik stellen, wie andere Rednerinnen und Redner im Bundestag auch.

Am Vorabend der Papstrede im Deutschen Bundestag wird Ihr Vorschlag für einen Gesetzentwurf zur Gleichstellung der Ehe von Homosexuellen diskutiert. Wie sieht Ihr Vorschlag aus und was erhoffen Sie sich durch den Zeitpunkt der Debatte?
Wir zeigen, dass wir uns das Debattieren in der deutschen Innenpolitik nicht verbieten lassen. Auch wenn der Papst in der Vergangenheit gegen die rechtliche Anerkennung homosexueller Partnerschaften Sturm gelaufen ist, treten wir nach wie vor dafür ein, dass die Ehe für homosexuelle Paare geöffnet wird, weil die Ehe ist für uns ein weltlich Ding und da gilt die Verfassung. Die verlangt, dass jeder vor dem Gesetz gleich zu behandeln ist. 

Sie kritisieren die Haltung der katholischen Kirche zur Homosexualität. Was würden Sie sich bezüglich dessen von der Kirche wünschen?
Die katholische Kirche muss ihre Sexuallehre insgesamt überprüfen. Die Missbrauchsfälle zeigen doch, dass ihre Sexualmoral offensichtlich nicht das Unrechtsbewusstsein gegenüber Übergriffen hinreichend schärft. Rom müsste sich endlich von den Vorstellungen eines Thomas von Aquin verabschieden, der das Abzielen der Sexualität auf Fortpflanzung in den Mittelpunkt stellte. Für ihn ist jede sexuelle Handlung, die diesem Ziel nicht dient, gleichermaßen „widernatürlich", das heißt gegen den Willen Gottes gerichtet und sündig. Wenn die katholische Kirche eine Sexualethik vom Respekt vor dem sexuellen Selbstbestimmungsrecht der Menschen aus denken würde, wäre viel gewonnen. Dann könnte sie endlich auch Homosexuelle und wiederverheiratet Geschiedene mit Respekt und Nächstenliebe begegnen und in ihren Reihen willkommen heißen.


Im vergangenen Winter kritisierten Sie, dass der Papst im Deutschen Bundestag spricht. Hat sich Ihre Haltung inzwischen geändert? Werden Sie der Sitzung beiwohnen?
Die anderen Bundestagsfraktionen von Linken bis Union haben den Bischof von Rom eingeladen, trotz unserer Bedenken bezüglich der religiösen Neutralität des Staates. Nun ist er unser Gast. ich werde dem Papst mit dem gebührenden Respekt begegnen. Ich erwarte vom Papst, dass er dem Parlament mit dem gleichen Respekt entgegen tritt, wie wir es von anderen Staatsgästen erwarten. Sprich: Er hat sich nicht in innenpolitische Fragen wie zum Beispiel Abtreibungen oder die Ehe für Homosexuelle einzumischen.

 

Die Polizei hat eine Demonstration von Protestlern vor dem Brandenburger Tor verboten. Wie stehen Sie dazu?
Demonstrationen müssen in Hör- und Sichtweite des Reichstagsgebäudes stattfinden können. Der Papst besucht den Bundestag als Staatsoberhaupt und als solcher muss er auch den demokratischen Protest aushalten, der am 22. September tausende Menschen auf die Straßen treiben wird. Auch als Religionsführer muss er sich den Protest gefallen lassen. Denn das Demonstrationsrecht ist ein unveräußerliches Gut des Rechtsstaats. Die Sicherheit des Papstes muss selbstverständlich und ohne Einschränkungen gewährleistet werden. Die Teilnahme von Ehrengästen und Abgeordneten an der öffentliche Messe im Olympiastadion und deren An- und Abreise vom Bundestag ist dagegen kein Grund, die Grundsätze unserer Verfassung einzuschränken. Es gibt keinen Grund dafür, die Demonstrationen von Papstkritikerinnen und Papstkritikern nach JWD, Janz weit draußen, wie der Berliner sagen würde, abzuschieben.

Darf sich die Kirche in die Politik einmischen?
Kirche und Staat sind getrennt. Die Kirchen und Religionsgemeinschaften beteiligen sich an der gesellschaftlichen  Debatte, sie sind Teil der Zivilgesellschaft. Aber die Zeiten des Ultramontanismus sind vorbei. Die Kirchen können nicht erwarten, dass ihre religiös-begründeten Vorstellungen zu allgemeinen Gesetzen für alle werden. Das wäre ein Angriff auf die negative Religionsfreiheit von Anders- und Nicht-Gläubigen. Die Kirche verbittet sich ja auch zurecht die politische Einmischung von außen. An dem Punkt, wo die Kirche aber damit beginnt,Die Menschen zu diskriminieren oder die Ungleichwertigkeit von Menschen zu propagieren, muss sie auch die Kritik von außen aushalten.

Was würden Sie Papst Benedikt gerne einmal sagen?
Das mit seiner Diskriminierungsaufrufen gegen Homosexuelle gegen den eigenen Katechismus verstößt. Mich würde interessieren, ob für den Papst die Allgemeinen Menschenrechte universell und unteilbar sind oder er beispielsweise Homosexuelle davon ausschließt. Beim Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen leistete der Vatikan bis zuletzt in diesem Sommer Widerstand gegen eine Resolution, die Gewaltakte und Menschenrechtsverletzungen wegen der sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität verhindern soll. Der Vatikan sagt nämlich, dass Staaten möglich sein müsse „sexuelle Verhaltensweisen“ zu regulieren. Das teilt Menschen in zwei Klassen auf. Der Staat muss die sexuelle Selbstbestimmung seiner Bürger verteidigen und sexuellen Mißbrauch, Ausbeutung, Nötigung und Vergewaltigung verfolgen, nicht mehr und nicht weniger!

Herr Beck, wir danken für das Gespräch.

Das Gespräch führte Cornelia Schlösser für report-k.de | Kölns Internetzeitung
Foto: Stefan Kaminski

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