Köln | Julian Pörksen, Dramaturg am Schauspiel Köln, zieht im Gespräch mit Christoph Mohr seine ganz persönliche Kultur- und Kunstbilanz 2018 und blickt auf 2019. Kölner Stimmen hört in der Kultur und Kunst-Community nach.

Welche drei Künstler haben Sie in diesem Jahr begeistert?

Begeistert hat mich Madame Nielsen, Musikerin, radikale Performerin und Autorin aus Dänemark, die so frei und befreiend mit Konzepten wie Identität und Zugehörigkeit spielt. Ihr Erinnerungs-Requiem DER ENDLOSE SOMMER ist dieses Jahr auf Deutsch erschienen – ein flirrender, wehmütiger Roman, der in langen, mäandernden Satzkaskaden den Zauber einer Zeit außerhalb der Zeit beschwört, einen kurzen Moment gelebter Utopie. 

Juan Rulfo, ein mexikanischer Autor, von dem nur ein einziger Roman existiert. Ähnlich wie Madame Nielsens ENDLOSER SOMMER ist auch Pedro Páramo ein Totenbuch, eine Reise in ein Land der Geister, tragisch, gleißend, surreal, Textur einer anderen Realität. Gerade im Kontrast zu einigen Büchern, die ich zuvor gelesen habe (Gegenwartsprosa über scheiternde Ehen, politisch wohlmeinende Zustandsschilderungen, Geschichten, die das Altbekannte evozieren), war dieser Text, seine fremde Logik, extrem anregend.

Die Filmemacherin und Autorin Helene Hegemann hat mit BUNGALOW ihren dritten Roman veröffentlicht, ein hartes, tief trauriges, mitunter sehr lustiges Buch, wie ich finde. Die Geschichte einer Heranwachsenden, angesiedelt zwischen sozialem Wohnungsbau und dem kaputten Glamour eines Schauspielerpaares, ist zugleich die lakonische Beschreibung einer Welt, die langsam aber sicher in die Katastrophe geht.

Welche drei Inszenierungen haben Sie in diesem Jahr begeistert?

2666 nach Roberto Bolaño in der Inszenierung von Julien Gosselin. Das zwölfstündige Stück war als Gastspiel in Köln zu sehen, ästhetisch virtuos, fantastisch gespielt, eine monströse Erzählung von Schuld und Einsamkeit, Gewalt und Sehnsucht. Gerade in der Überforderung, sinnlich, inhaltlich, im Rausch der Dauer, der Stile, der Bezüge, lag etwas Befreiendes. Der Luxus, mit einer Welt konfrontiert zu sein, die man nicht kennt, in der man sich nicht auskennt, die sich langsam und beunruhigend vor mir entblättert, Szene um Szene.

Der Film ROMA von Alfonso Cuarón, die Geschichte zweier Frauen im Mexiko der 70er, den ich glücklicherweise im Kino gesehen habe (es ist einer dieser Filme, denen es schlecht bekommt, wenn sie auf Bildschirmgröße geschrumpft werden), war in seiner Feinheit, seinem subtilen Spiel fesselnd. Die Menschen zeigen sich in ihren Gesten, ihren Blicken, ihren Handlungen, den Zufällen, denen sie ausgesetzt sind.

Vielleicht darf ich an dritter Stelle eine Theaterarbeit nennen, an der ich als Dramaturg beteiligt war – Frank Castorfs Inszenierung von Dostojewskijs EIN GRÜNER JUNGE. Einfach, weil es für mich die Gelegenheit war, eine andere Praxis zu beobachten, die tiefe Kenntnis des Stoffes, seiner existenziellen und philosophischen Dimensionen, mit einer spielerischen, musikalischen Herangehensweise verbindet und so ein Stück entstehen lässt, das erst zur Premiere fertig montiert wird.

Hier dürfen Sie ein bisschen Werbung für sich machen. Was dürfen wir von Ihnen in 2019 erwarten?

Am 16. Januar wird mein Spielfilmdebut, das Roadmovie WHATEVER HAPPENS NEXT, am Schauspiel Köln gezeigt. Damit ist unsere Kinotour durch Deutschland beinahe beendet. Wenige Tage später, am 23. Januar, hat am Schauspiel Köln ein Stück Premiere, das ich für drei wunderbare Schauspieler*innen geschrieben habe: LA BELLA CONFUSIONE – ein Abend über ein scheiterndes Filmprojekt, zerfallene Utopien und die Poesie der Krise. Außerdem schreibe ich an einem Drehbuch. Ansonsten freue ich mich auf die Arbeiten, die mich als Dramaturg erwarten, darunter MEDEA mit Robert Borgmann.

Autor: von Christoph Mohr