Wer den Abend besuchte traf erst einmal auf sportliche Kölner Maratonis, die sich nebenan auf der Marathon-Messe ihre Startunterlagen für kommenden Sonntag abholten. Denn in zwei Tagen läuft Köln und auch nicht wenige Karnevalisten gehen auf die Asphaltpiste.  Im Tanzbrunnen dagegen gab es schon echtes Sessionsfeeling. Los ging es mit gefühlvollem Kölschpop von "Jeckediz", ganz neu bei der Kajuja. "Jeckediz" das sind Dirk Schoenmakers & Andreas Hoss aus Bad Neuenahr – Ahrweiler.  Erste Schritte auf Kölner Bühnen hat das Duo schon bei "Loss mer singe" getan und wurde dort mit einem Förderpreis ausgezeichnet.  

Rote Rosen für das Publikum
Gleich bei der zweiten Nummer gab es den klassischen Einmarsch mit Klatschmarsch. Die "Pänz vun Gereon", Stammgast bei der Kajuja, marschierten auf die Bühne. Mit kölschen Tön  wie "Viva Colonia…“ und einer kleinen Abwandlung „mir trinke gerne Limo", "Weltmeister vom Ring", aus den Federn der hippsten Kölschen Bands heizten die Kids den Saal an. Dazu gab es kleine schauspielerische Einlagen, bei denen etwa eine Tafel mit der Aufschrift KVB = "Kommt Vielleicht Bus" über die Bühne getragen wurden. Und natürlich war der Auftritt, untermalt durch ein Riesenherz, eine einzige Liebeserklärung an Köln, den FC und den Karneval. Am Ende gab es den dezenten Hinweis auf 3 x 11 Johr Pänz vun Gereon, mittels Megatransparent. Der Auftritt paßte harmonisch zur Kindergruppe und auf Experimente und Ausflüge in die große Politik, wie etwa vergangenes Jahr, wurde verzichtet. Am Ende gab es rote Rosen für das Publikum.

Der "Tuppes" up to date
Aktuelle Themen frech verreimt, so präsentierte sich der "Tuppes vom Land". Ob Schneechaos, früher genannt Winter, Griechenland, EHEC, Kachelmann oder Facebook nichts Aktuelles das nicht unter die Lupe genommen und kommentiert wird. Aktuelles Zeitgeschehen eingebettet in ein "Och wie wor et früher schön doch in Colonia", sehr charming für ein Mehrgenerationenpublikum aufbereitet. "Tuppes" bindet dabei interaktiv das Publikum ein, in dem er dieses immer wieder Sätze ergänzen lässt. Das ist clever, sauber gesetzt und das Publikum freut sich, wenn es die Lösung richtig errät. Die Ergänzungen sind so gewebt, dass man dies auch noch nach einer zweistelligen Zahl Kölsch schaffen kann.  Fazit: Exzellente Rede, professionell auf die Bühne gebracht. Wer glaubte der "Tuppes vom Land" sei eine Eintagsfliege, ist spätestens nach dem gestrigen Abend eines Besseren belehrt.

Der Mann mit der Gitarre und dem Orchester von der CD
Der "Kölsche Harry" kommt mit einer Gitarre und dem Orchester von der CD auf die Bühne. Er  erklärt uns warum man Alaaf und nicht Helau ruft. Der kölsche Harry verkauft Stimmung, auch mit seiner Mitmachnummer: "Wo sind die Hände". Der "Kölsche Harry" holt sich dafür zwei blonde Damen mit auf die Bühne die mit pinken Riesenhänden bei der Animation behilflich sind.

"Ne kölsche Köbes" ausgestopft
Kölscher Verzäll vom Nacktbadestrand bis zum ostdeutschen Suppenhuhn, gemeint ist Frau Kanzler und Geschichten aus dem Brauhaus, die lose aneinander gereiht werden. Das Publikum reagierte eher verhalten, manch eine der Neckereien glänzte nicht gerade durch Ästhetik und war eher in der unteren Körperhälfte angesiedelt. Derb, Kölsch. Optisch hat sich Axel Höfel stilecht als Köbes aufgestylt, die Leibesfülle persiflierend durch Ausgestopfung. Entdeckt wurde er, so schreibt man, 2003 von den "3 Colonias".

"Zwei Hillije" Pistoleros
Bernd & Wolfgang Löhr auf der Bühne der "Kajuja". Kenner verbinden damit in den letzten Jahren in der breiten Öffentlichkeit mehr "Dabbelju Music". Der Damenwelt huldigte das Duo mit ihren Stücken dieses Jahr ganz besonders. Dabei schwärmen sie über den Tellerrand des Domes hinaus bis in die Regionen wo Agaven wachsen. Und dort werden aus den "Hillijen" aus Kölle dann mal ganz schnell zwei Pistoleros. Das dritte Stück übers Bohren in der Nase und der Entsorgungsproblematik eines "Mümmes" ist musikalisches Kino und auch ungewöhnliche Gegenstände zur Erzeugung musikalischer Töne kommen zum Einsatz. Sie selbst bezeichnen sich als "eineiige Kusängs", die seit frühester Jugend gemeinsam Musik machen. Daher stammt das aktuelle Cover mit einem Foto aus den Siebzigern des letzten Jahrhunderts, dass die Musiker auf einer Freibadrutsche zeigt. Bei der Kajuja ist man seit 1980 engagiert und gehört damit zum aktuellen Urgestein.

Die "Rheinmatrosen" deutlich verjüngt
Eine stattliche Zahl Kinder, die fast die gesamte große Bühne des Tanzbrunnes füllt, können die Rheinmatrosen der "Großen Mülheimer Karnevalsgesellschaft" aufstellen. Von Mini bis Midi tanzen mit großer Freude. Auch bei den "Großen" hat eine deutlich sichtbare Verjüngung stattgefunden, die sich auch in den Tänzen widerspiegelt. Da baut man und das ist neu, auch mal eine Comedy-Szene mit ein, die den jungen Tänzern sichtlich Spaß macht. Auch optisch gibt es eine Auffrischung. Neue Kostüme hat die Gesellschaft den Rheinmatrosen gestiftet, die sogar funkeln. Tänzerisch trägt man flott vor, baut kleine akrobatische Nummern, wie zwei Salti ein und bietet einfache Hebungen. Dabei orientiert man sich nicht mehr so stark am klassischen Ballettvorbild sondern mehr in Richtung Jazzdance und Gardetanzelemente.

"Edno Bommel" sächselt sich mit huhu zur Zugabe…
… und witzelt sich über Frauenfußball, Abbs (Apps), Schmartphones und vorbeifliegende Piraten selbst in Extase. Die FDP bekommt smart ihr Fett fett weg und davon nicht zu wenig, der Papst und Ehejubiläen an Tankstellen, da leckt sich "Edno Bommel" am Besen. "Edno Bommel" ist ein begnadeter Geschichtenerzähler der mit eloquenter Zunge, die er so hat man den Eindruck noch während des Vortrages mit dem Spitzer schärft,  manchmal  bösartig seine Beobachtungen etwa von einer Kreuzfahrt, sehr zur Freude des Publikums sprachlich aufpiekst. Und wer genau hinhört, zwischen den zotigeren Elementen die auf eine karnevalistische Rede gehören, findet nicht nur das ein und andere sprachliche Bonmot. "Edno Bommel" kann aber nicht nur reden, sondern auch herrlich "sächsisch säxy" singen…  Für "Edno Bommel" gab es Standing Ovations und die Forderung nach Zugabe, die sogar erfüllt wurde . Ein Novum auf einem Vorstellabend.

"Cat Ballou" mainstreamt
Bei "Cat Ballou" freut man sich, dass man es schon im zweiten Jahr auf die Karneval der Stars CD geschafft hat. Beschleunigter Pop mit leichten kölschen sprachlichen Einsprengseln bringen die vier Jungs zunächst auf die Bühne. Man mixt hippe Begriffe wie Social Media mit den Standards kölscher Musik, a la "Kölsch is jot", "Grundgesetz" oder "Kölsch Hätz" um nur einige zu nennen. Es sind Verbeugungen vor dem Karneval, die irgendwie blutleer bleiben und nicht wirklich von den jungen Musikern mit  Leben gefüllt werden. Bei ihren Deutschpoprockummern dagegen überzeugen sie mit Spiellust und Authentizität. Bei ihrem Hit "Achterbahn" flippen die jungen Damen aus den Reihen der Tanzgruppen und Freunde aus und kreischen sich die Seele aus dem Leib. Diese Stimmung ist aber nicht für eine klassische Karnevalssitzung mit einer anderen Publikumsmischung representativ. Es hat noch gefehlt, dass eine von den jugendlichen Fans in Ohnmacht fällt. Dennoch es bleibt das Gefühl, dass "Cat Ballou" eigentlich gestern auf die Bühne der Lanxess Arena beim Bundesvision Contest gehört hätte, statt auf eine karnevalistische Bühne…  

Die "Schlebuscher" jetzt mit Teens…
… reisen mit Udo Jürgens nach New York  und  setzen in diesem Jahr auf Showtanzelemente bevor sie am Ende mit den Titeln der „Höhner“ ihr Herz verschenken. Die Jugendtanzgruppe in der ein einziger Junge gestern der Hahn im grün-weiß-pinken Korb ist, zeigte sich tänzerisch gut aufgestellt und verband Schowtanzelemente mit modernen Jazz-Tanzelementen.  Die großen "Schlebuscher" setzen auf ein Potpourri aus kölschen und Schlagerthemen. Akrobatik und Hebefiguren werden integriert. Visuell sind die Schlebuscher sehr harmonisch aufgestellt und auch der große Anteil junger Männer fällt auf.  Die Tanzgruppe ist ein fester Bestandteil der letzten Kajuja-Vorstellabende.

Die "Kölschfraktion" stellt sich mit Evergreens vor …
… und der Saal schunkelt nach der zweiten Liedzeile. Der Liedtitel: "Bloodwosch, Kölsch und a lekker Mädche…" perfekt performt. Aber die "Kölschfraktion" bekommt ja auch mehr als 5.000 Jecken auf dem "Kölschfest" innerhalb von Sekunden in Links-Rechts-Bewegungen… "Kölschfraktion" spielt Musik-Bundesliga mit einer sehr sympathischen Note. Denn die Musiker sind sich treu geblieben, eine Qualität die man heute eher selten findet. Sympathisch auch, dass man sich selbst als Nachwuchsband mt Evergreens bezeichnet und dann einen der absoluten Ohrwürmer des kölschen Fastelovends anstimmt… ich bin ene Räuber…

"Harry und Achim" gegenseitige Veräppelung ist Trumpf
Zwiegespräch. Einer zieht den anderen auf und dann swingt man sich noch ins sexuell Verwirrte und rollt die Szenerie in voller Breite aus, ohne konkret zu werden. Dazu handeln die Herren Männerproblem ab, etwa wie man eine Frau kennenlernt, Blinde Dates managed in der Höhle oder im Internet. "Harry und Achim" präsentierten 2011 ihr Programm bei "Karnevalissimo".

Die "Flöckchen" sorgen für Stimmung
… wollen gerne Fotos geschenkt bekommen und singen "Schätzje schenk m´r e Foto" und der Saal singt mit. Die "Flöckchen" haben nach eigenen Angaben als erste den holländischen Schlager ins Kölsche gecovert. Die "Flöckchen" machen Stimmungsmusik, die im Karneval, im Bierzelt, auf Mallorca funktioniert. Denn die Titel laden ein zum Flirten und helfen Barriereschranken bei der zwischenmenschlichen Kommunikation abzubauen…

"Die Kölschen Domputzer" mit Besen
sind mittlerweile wieder zu einer stattlichen Gruppe angewachsen, auch wenn der Frauenanteil deutlich überwiegt. Klassisch bringt man die obligatorischen Besen mit auf die Bühne, die man auch in das Programm einbaut. Konsequent kölsche Musik untermalt den bunten Mix aus Hebungen und tänzerischen Elementen.
 
Die  Legende um die "Kajuja"-Facebook „Entdeckung“ von "Kasalla"
Sieben Mädels stehen im Mittelgang bevor „Kasalla“ beginnt. Auf der Bühne eine neue Band, die die Kajuja im Internet, genauer gesagt vor zwei Wochen per Zufall in Facebook gefunden haben will, so  Moderator Lukas Wachten. Wer weiß, dass die junge Band bei „Pavement“ unter Vertrag ist, glaubt die Legenbildung nicht so ganz* [Lesen Sie hier unten ein Zitat aus einer E-Mail des Moderators an die Redaktion heute Nachmittag]. Gefunden vor zwei Wochen und von da an ging es straight auf die Bühne der Kajuja, so Wachten. Man trägt Hütchen (wie „Cat Ballou“) und macht föhlichen Deutschpop mit kölschem Zungenschlag, der in den balladigen Stücken an frühe BAP Nummern erinnert, da der Gesang expressiv in Szene gesetzt ist. Das die Anlage dabei ein wenig rappelt stört weniger, macht den Sound noch bluesiger. Das was "Cat Ballou" in einem Jahr schon abgeschliffen hat, klingt hier noch authentisch. Sänger Bastian Campmann, Sohn des 2007 verstorbenen „Räuber“-Gtarristen Nobby Campmann, bringt kölsches Musikerblut ein und natürlich auch beste Verbindungen. Als Vorbilder nennt man die "Bläck Fööss". Nach nur einem Auftritt so schreibt es die junge Band-Historie nahm das kölsche Label "Pavement" die Band unter ihre Fittiche.  Auch "Kasalla" kommt gleich auf die Karneval der Stars mit ihrem Song "Pirate", den sie auch auf dem Vorstellabend präsentierten. Eine Strophe heißt: "Rette sich wä kann, mer läje an".

"Bajaasch" – Coverband mit Bläsersatz
Ganz in strahlendem Weiß und leuchtendem Rot stürmte "Bajaasch" die Bühne bei der "Kajuja". Mit zwei Höhner-Coversongs bespielte man den Tanzbrunnen. Man bietet eine 20 – 60 minütige Show an, die wie man selbst sagt "das feinste und Beste" des Kölschen Fasteleer vereint.

Leserzuschrift:
* Lukas Wachten hat zu "Kasalla" per E-Mail an die Redaktion von report-k.de heute Nachmittag noch einmal klargestellt: "Ich musste bei der Kasalla-Story schmunzeln. Denn auch wenn es verrückt klingt, das erste Mal habe ich die Jungs von Kasalla in nem Facebook-Video gesehen. Ein Freund hat mir den Link geschickt, nachdem die sich im MTC vorgestellt hatten. Am nächsten Tag habe ich dann Kontakt zu Basti aufgenommen, noch vor Pavement. Sie wissen doch, Katholische Jugend, wir dürfen gar nicht auf der Bühne lügen…"

Über sechs Stunden Vorstellabend, der zweimal Neues und sonst Bekannte mit neuem Programm zeigte. In der Präsentation und der Vorstellung der Künstler steht die „Kajuja“ den „Großen“ Karnevalistenvereinigung in Nichts nach.

Anmerkung der Redaktion: Wie gewohnt werden wir auch über die Vorstellabende der anderen Kölner Karnevalistenvereinigungen berichten.


[ag]