Köln | Niedersachsens Ministerpräsident warnt vor der Wahl des Duos Walter-Borjans/Eskens und die wiederum behaupten Bundesfinanzminister und Vizekanzler Scholz schwäche die SPD. Zudem stellen sie Bedingungen für die Fortsetzung der Großen Koalition.

Weil warnt SPD-Mitglieder vor Wahl von Esken und Walter-Borjans

Eine Woche vor Ende der Stichwahl um den SPD-Vorsitz hat Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) die Parteimitglieder davor gewarnt, sich für das Duo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans als neue SPD-Spitze zu entscheiden. Der „Welt am Sonntag“ sagte Weil, er selbst habe anfangs erwogen, den beiden eine Chance zu geben, inzwischen habe aber insbesondere Esken Dinge von sich gegeben, „bei denen sich mir die Nackenhaare sträuben“. Eskens „pauschale Abwertung von vielem, wofür die SPD in den letzten Jahren gekämpft“ habe, sei ihm „völlig fremd“.
So sei die Einführung des Mindestlohns ein wichtiger Schritt gewesen und auch bei der von Esken heftig kritisierten Reformpolitik Gerhard Schröders sei nicht alles schlecht gewesen. Ihr Vorwurf, das Klimapaket der Bundesregierung sei aus „Angst vor dem Volk“ zu zögerlich ausgefallen, sei ebenfalls unangebracht. „Man darf gerne mal zuspitzen, aber plumpe Schwarz-Weiß-Betrachtungen hielte ich nicht für förderlich an der SPD-Spitze“, so Weil.
Er selbst halte den von der Bundesregierung derzeit vorgesehenen Einstiegspreis für CO2 von zehn Euro zwar ebenfalls für zu gering um eine ausreichende Lenkungswirkung zu erzielen, dennoch sei „das Klimapaket das bislang größte und engagierteste Programm dieser Art“ und er trage es deshalb „aus Überzeugung mit“, sagte Weil der „Welt am Sonntag“.

Esken und Walter-Borjans stellen Bedingungen für GroKo-Fortetzung

Das Kandidatenpaar für den SPD-Vorsitz Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken macht den Verbleib der SPD in der Großen Koalition von Milliardeninvestitionen in Infrastruktur und Klimaschutz, einem Mindestlohn von 12 Euro und der Ausweitung von Tariflöhnen abhängig. Esken fordert in „Bild am Sonntag“: „Wir brauchen ein Update des Koalitionsvertrages. Damit die Große Koalition noch Sinn macht, braucht es zusätzliche Milliarden-Investitionen in Straßen, Brücken, Schulen und Klimaschutz, eine sofortige Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde, und wir müssen durchsetzen, dass Arbeitgeber nicht mehr Tariflöhne blockieren können.“
Sollte die Union nicht zu Nachbesserungen bereit sein, will Walter-Borjans dem SPD-Parteitag raten, den Ausstieg aus der Bundesregierung zu beschließen. „Wenn der Preis für die Fortsetzung der Großen Koalition ist, dringende Investitionen auf die lange Bank zu schieben und Aufgaben wie den Klimaschutz und unsere Verpflichtungen im Pariser Klimaabkommen zu vernachlässigen, dann sollten wir diesen Preis nicht bezahlen“, so der ehemalige NRW-Finanzminister. Esken ergänzte: „Natürlich wird die SPD dafür sorgen, dass kein Chaos entsteht. Sollte sich die Union in diesen wichtigen Fragen aber nicht bewegen, werden wir der Partei den geordneten Rückzug vorschlagen.“ Nach der nächsten Bundestagswahl strebt das Kandidatenpaar ein rot-rot-grünes Bündnis an. Esken: „Die SPD kann über 30 Prozent erreichen – mit der richtigen Führung, der richtigen Haltung und dem richtigen Programm. Da solche Zugewinne nicht zulasten von Grünen und Linkspartei gehen müssen, sehe ich große Chancen für eine linke Mehrheit.“ Für Walter-Borjans ist wichtig, dass die SPD eine solche Regierung führt: „Trotz vieler Übereinstimmungen haben Grüne und Linke Defizite. Die einen achten zu wenig auf die soziale Ausgewogenheit, die anderen auf die Bedeutung einer starken Wirtschaft. Das muss die SPD mit Führungsanspruch zum Wohl der Menschen auf einen gemeinsamen Nenner bringen.“ Im Falle ihrer Wahl will sich Esken vorrangig um soziale Gerechtigkeit kümmern: „Jeder Sozialdemokrat und jeder SPD-Wähler, den man nachts um drei weckt, wird wieder sofort sagen können, wofür die SPD steht: soziale Gerechtigkeit.“ Dafür will Walter-Borjans die Steuern für Topverdiener erhöhen: „Von den Zeiten Adenauers bis Kohls galt: Menschen mit besonders hohen Einkommen müssen die Hälfte an das Gemeinwesen abgeben. Umgerechnet auf die heute Preis- und Lohnentwicklung bedeutete das damals: Ab einem Einkommen von rund 750.000 Euro für ein Ehepaar waren 50 Prozent fällig. Warum soll das heute unzumutbar sein?“

Scholz schwächt SPD

Das Kandidatenpaar für den SPD-Vorsitz Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken hat ihrem Konkurrenten Olaf Scholz vorgeworfen, mit seinem politischen Stil die SPD zu schwächen. In „Bild am Sonntag“ griff Esken den Vizekanzler scharf an: „Olaf Scholz gibt sich mit den GroKo-Kompromissen zu schnell zufrieden. Er geht in Verhandlungen nur mit Positionen, die er auch durchsetzen kann. Damit nimmt er doch schon den Kompromiss vorweg und schwächt die SPD.“ Auch Walter-Borjans kritisierte die Verhandlungsstrategie seiner Partei in der Regierung: „Die SPD macht viel zu oft den Kompromiss zur Verhandlungsbasis und behauptet nach weiteren Abstrichen, das Ergebnis sei 100 Prozent SPD. Mich wundert es nicht, dass das vielen Menschen zu wenig ist.“
Als Beispiele für mangelnde Durchsetzungsstärke nannte Esken das Klimapaket und die Grundrente, die Scholz „unbedingt als großen Erfolg feiern“ wolle. Für sie würde die Grundrente nur reparieren, dass die SPD einen Niedriglohnsektor geschaffen habe, in dem die Beschäftigten keine ausreichende Rente erwirtschaften könnten. Das Klimapaket sei weder ausreichend noch sozial gerecht.
„Uns unterscheidet die Grundhaltung“, so Esken. Auch Scholz` Ko-Kandidatin Klara Geywitz warf Esken mangelnde Haltung vor: „Klara Geywitz will, dass die SPD im Wahlkampf nichts fordert, was sie nicht halten kann. Das ist der Scholz-Ansatz: Von vorneherein die Bedenken möglicher Koalitionspartner berücksichtigen. Aber dann versteht keiner mehr, wofür die Sozialdemokratie steht.“ Trotz der harten Kritik an ihren Konkurrenten betonten Esken und Walter-Borjans, dass sie im Fall ihrer Niederlage Scholz und Geywitz als SPD-Vorsitzende unterstützen werden. „Das haben wir uns gegenseitig fest versprochen“, so Esken. Walter-Borjans ergänzte in Anspielung auf die Machtkämpfe in der CDU: „Von uns macht keiner den Friedrich oder die Friederike Merz.“

Autor: dts