Weiberfastnacht im Zülpicher Viertel von Köln. | Foto: Bopp

Köln | KOMMENTAR | Der Vorschlag der Stadtverwaltung zu den Straßenkarnevalsfeierlichkeiten 2023 rund um das Kwartier Lateng liegt auf dem Tisch. Am Montag diskutiert ihn die kommunale Politik. Die Feiernden in ihrer Rücksichtslosigkeit, die politische Debatte und der Lösungsvorschlag werfen Fragen auf: Welchen gesellschaftlichen Umgang pflegen wir untereinander, gegenüber unserer Umwelt, in der wir leben und was muten wir uns und dieser zu? Es geht um Zumutbarkeiten, die nüchtern betrachtet gar keine sind. Ein Kommentar von Andi Goral.

Zur Berichterstattung von report-K

Jetzt soll also im Bauzaun-Käfig auf der Uniwiese gefeiert werden. Die wird abgedeckt mit Platten. Alles muss transportiert werden und es wird ein gigantischer Aufwand getrieben, um eine Party auf einer wichtigen Grünfläche der Stadt zu ermöglichen. Erinnert sei: Die Stadt Köln hat den Klimanotstand ausgerufen. Die Sommer werden heißer. Flächen, wie die Uniwiese tragen dazu bei, dass es nicht noch heißer wird in der Stadt. Es gibt Gesetze zum Landschaftsschutz. Niemand kann garantieren, dass die Uniwiese nach der Abdeckung nicht ramponiert ist.

Es gibt in der Stadt Flächen, die sind bereits versiegelt, wie die Messeparkplätze, um nur eine zu nennen. Diese schließt die Stadtverwaltung für die Party aus, weil deren Erreichbarkeit vom Kwartier Lateng aus zu Fuß schlecht ist. Ja, das ist der Grund warum diese bereits versiegelte Fläche herausfällt. 45.000 Menschen könnten dort feiern. Die Infrastruktur ist dort vorhanden, das Umfeld Messe oder die Zoobrücke und auf der nördlichen Seite Wohnumfeld.

Für eine Partyfläche in Deutz „draußen und umsonst“ wäre also ein wesentlich geringerer Aufwand nötig, um diese für diesen Zweck herzurichten. Was ist die Zumutbarkeit, die den Feiernden abverlangt würde? Die wenigsten von ihnen dürften im Kwartier Lateng selbst wohnen. Die meisten reisen an. Aus der Stadt, der Region oder aus der gesamten Bundesrepublik. Sie müssten also an einen anderen Platz in der Stadt reisen. Der ist ÖPNV technisch mindestens genauso gut angebunden wie das Kwartier Lateng: S- und Regionalbahnen am Deutzer Bahnhof oder die KVB-Linien 1,9, 3, 4 und die 7 kann auch hinzugerechnet werden. Wer dies nicht glaubt sollte sich die jungen Menschen ansehen, die zum Partymachen ins Bootshaus pilgern.

Das Hauptargument der Stadtverwaltung ist: Die Feiernden kommen ins Kwartier Lateng, da können wir nichts machen. Ist das wirklich so? Riesige Festivals wurden verlegt und die Fans kamen dennoch. Ist es nicht so, dass die Menschen dorthin gehen wo – altertümlich gesprochen – der/die Bär:in steppt und tanzt?

Wir reden nicht von einem Verbot, sondern einer anderen Anreise

Ist es Feiernden allen Alters nicht zuzumuten eine Fläche zu nutzen, bei der sie durch ihre Feier wahrscheinlich einen geringeren ökologischen und sozialen Schaden hinterlassen, bei fast keinen Einschränkungen? Es steht ja nicht die Debatte eines Verbotes im Raum, sondern es geht lediglich darum an einem anderen Ort das zu tun, was man vorher im Kwartier Lateng tat. Draußen und umsonst feiern.

Nach der Studie „Jugend in Deutschland“, die nach dem Elften im Elften 2021 erschien, ist klar, dass zwar 56 Prozent der jungen Menschen in Deutschland sich wegen des Klimawandels sorgten, aber die meisten von ihnen nicht bereit sind ihren Lebensstil auf Nachhaltigkeit umzustellen. Eine Erkenntnis aus der Studie ist: Die Politik muss handeln.

Bildungsforscher Klaus Hurrelmann erklärte in seinem Fazit der Studie zum Verhalten der jungen Menschen in Deutschland: „Die große Mehrheit ist noch nicht bereit, die lieb gewordenen Gewohnheiten in den Bereichen Konsum, Mobilität, Ernährung aufzugeben und wartet erst einmal auf Entscheidungshilfen durch die Politik. … Unter diesen Umständen kann der von jungen Leuten mehrheitlich befürwortete Klimaschutz nur mit klaren Regeln und Vorgaben durch die Politik gelingen.“

Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis, müsste eine Stadt, die den Klimanotstand erklärte, eigentlich nicht durch abdecken einer wichtigen Grünfläche zum Erhalt liebgewordener Gewohnheiten reagieren, sondern lenkend wirken. Dazu müssten Stadtverwaltung und städtische Politik sich von der Idee einer Stadt, die selbst fürs Feiern nur Komfortzonen schaffen muss, verabschieden.  

Es ist keine Zumutbarkeit bequem an einen anderen Ort zu reisen

Das ist gar nicht so schwer: Einfach Anreise und anderer Feier-Ort mit dem Versprechen „draußen und umsonst“ definieren. Vorteile kommunizieren: Besser für den Natur- und Umweltschutz, keine Verbote, sondern einfach an einem anderen Ort genauso gut feiern.

Ein bis zwei Jahre denen, die das nicht verstehen, klar machen, dass jetzt im Kwartier Lateng anders gefeiert wird und dort für sie kein Platz mehr ist. Ihnen kommunizieren, dass sie jederzeit, wenn sie sich 20 Minuten durch die Stadt mit den Öffis bewegen – also eines zumutbaren Weges – supergut draußen und umsonst mit den feiern können, mit all denjenigen mit denen sie feiern wollten.

Ganz nüchtern betrachtet geht es also um folgende Zumutbarkeit: Mit der Linie 9 in die andere Richtung bis Deutzer Bahnhof fahren, aussteigen und maximal 10 Minuten zu Fuß auf den Messeparkplatz laufen. Thats all!

Ist es so schwierig als Politik und Verwaltung diese Zumutbarkeit zu kommunizieren und regelnd umzusetzen? Das würde dem gegen den Klimanotstand, für den Umwelt- und Naturschutz, dem sozialen Frieden in den Veedeln, den kommerziellen Interessen der Kneipiers und dem vaterstädtischen Fest den größtmöglichen Nutzen bringt.

Es ist also eine Frage von Zumutbarkeit: Können wir von jungen Leuten und auch Älteren nicht erwarten und ihnen zumuten, dass sie lediglich ihre Anreise anders planen oder ist das schon eine Forderung, die Komfortzone zu verlassen?

Und die Zumutung für Stadtverwaltung und Politik: Eine Namen für einen möglichen neuen asphaltierten Feier-Hotspot im Rechtsrheinischen zu finden der einen Hauch mehr Sexyness verspricht als „Messeparkplatz“.

Im übrigen gibt es Beweise in der Stadt, dass die Verlagerung von Massen von Menschen, die feiern wollen gelingt: Die Sessionseröffnung am Tanzbrunnen, die weitestgehende Befriedung der Altstadt nach Karneval 2017 mit den Folgen von Verdrängung ins Kwartier Lateng.