Köln | Der Wagenbach-Verlag Berlin, dem auch sonst viele schöne Bücher über Italien zu verdanken sind, bringt in deutscher Übersetzung ein Turin-Buch besonderer Art auf den Markt.

Wer Kölns Partnerstadt Turin ein wenig kennt, wird in Giuseppe Culicchias „Reise durch die zwanzig Zimmer der Stadt“ Dinge und Stadtviertel entdecken, in die er nie gekommen ist. Wer Italien liebt, wird hier mit einem Italien fernab aller deutschen (Ideal-)Vorstellungen und Sehnsüchte konfrontiert und einer Stadt, die keine Touristenschönheit aber ein Laboratorium ist.

Autor Giuseppe CULICCHIA, 1965 in Turin geboren, ist so etwas wie ein überzeugter Turiner. Seine Geburts- und Heimatstadt durchstreift er immer wieder für die Turiner Tageszeitung „La Stampa“ (für die er auch eine Chronik „Ho visto cose“ (etwa: Ich habe Sachen gesehen…) führt.

Turin ist oft auch die Kulisse seiner Romane – von denen einige wie „Tutti Giù per terra“ (1994, deutsch „Knapp daneben“ (dtv, 1998) „Paso doble“ (1995), deutsch „Kommt gut“ (dtv, 2002) und „Bla Bla Bla“ (1997; deutsch dtv 2000) auch ins Deutsche übersetzt wurden.

Das Buch ist kein Stadtführer. Die bekannten Orte der Stadt, die Postkarten-Wahrzeichen und die touristischen Hot spots kommen so gut wie nicht vor. Giuseppe Culicchia „schafft“ es sogar, mit keinem Wort die Mole Antonelliana zu erwähnen, diesen kuriosen Riesenbau, ursprünglich Synagoge, heute Heimstatt des nationalen italienischen Filmmuseums, der in seiner Entstehungszeit (1863 – 1889) das höchste Gebäude der Welt werden sollte und damit auch den nur wenige Jahre zuvor vollendeten Kölner Dom übertrumpfen wollte.

Es entsteht das Bild einer Stadt, die sich durch den durch die Olympischen Winterspiele von 2006 bewirkten Transformationsschub sehr verändert hat, vielleicht in ihrem Selbstverständnis noch mehr als in ihrem Straßenbild.

„Turin – einst erste Hauptstadt Italiens und dann Hauptstadt des Autos – ist die italienische Stadt, die es in den vergangenen Jahren am besten verstanden hat, sich neu zu erfinden“, schreibt Giuseppe Culicchia. „Nun, da die Stadt jene Identität, die sie bis zu den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts kennzeichnete, los ist, kann man heute mehr denn je sagen, dass Turin wirklich das ist, was eines der hartnäckigsten Klischees behauptet, eine Stadt wie ein Laboratorium.“

Es ist oft auch ein Bild des Turin „von unten“, das man als Besucher der Stadt meistens nicht sieht – oder nicht sehen will.

Auch einige Deutsche, die in Turin das Abenteuer der Existenzgründung eingegangen sind, erwähnt Giuseppe Culicchia, so etwa Sabine Schumacher und Claudia Franzen mit ihrem Restaurant „La Deutsche Vita“ oder Judith Hohnschopp und Julia Buttkenitz mit ihrem Modelabel „Born in Berlin“.

Offenkundig freut sich der Autor über solche Neuzugänge aus Berlin. Größer noch aber ist sein Staunen darüber, dass es nun in Turin nicht nur wie in den Boom-Jahren der Autoindustrie (Fiat) in der Nachkriegszeit Arbeitsmigranten aus Süditalien gibt, sondern – unglaublich aber war – italienische Touristen. Italienische!

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Giuseppe CULICCHIA

Turin ist unser Haus
Reise durch die zwanzig Zimmer der Stadt
Wagenbach WAT 2020 (220 S.) 14€

Italienische Originalausgabe

Giuseppe CULICCHIA
Torino è casa nostra
Bari: Gius. Laterza & Figli, 2015

Autor: Von Christoph Mohr
Foto: Die Symbolbild zeigt die Piazza Vittorio in Turin