Das Symbolbild zeigt Stolpersteine

Köln | 19 Orte in Köln erhalten 56 neue Stolpersteine, die der Künstler und alternative Kölner Ehrenbürger Gunter Demnig in der kommenden Woche verlegen wird. Drei Orte greift die Stadt Köln besonders heraus. So wird zum ersten Mal in Köln-Ostheim ein Stolperstein verlegt.

Demnig verlegt Stolpersteine als keine Denkmäler für Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt wurden. Die Steine werden in den öffentlichen Straßenraum vor den Gebäuden eingelassen, die die verfolgten Menschen als letzten freiwilligen Wohnort wählten. Ein Stein wird verlegt, wenn sich Paten aus der Bürgerschaft finden, die die Kosten für den Stein und seine Verlegung übernehmen. Für alle 56 Stolpersteine haben Kölner Bürger:innen, Vereine oder Schulen eine Patenschaft übernommen.

Schwerinstraße 4

Vor dem Haus in der Schwerinstraße 4 in Köln Nippes wird ab Dienstag, 18. Oktober, ein Stolperstein für Regina Boksch verlegt. Patin ist eine Angehörige. Boksch, am 25. Juni 1898 geborene Kahlenberg, kam in einem katholischen Elternhaus zur Welt. Mit 46 Jahren wurde sie ermordet. Boksch erkrankte psychisch, woran und wann genau ist heute nicht mehr nachzuvollziehen. Sie kam 1930 zunächst in die Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Galkhausen. Sie konnte die Einrichtung allerdings bald wieder verlassen und kehrte zu ihrer Familie zurück. Ihr dritter Sohn wurde geboren. Kurz nach der Geburt wurde sie erneut eingewiesen und 1935 zwangssterilisiert. 1936 starb ihr Mann und ließ die junge Frau mit drei Kindern zurück. Auch die Eltern starben und die Stadt übernahm die Fürsorge. 1937 scheiterte ein Selbstmordversuch. Sie wurde dauerhaft in die Heilanstalt Galkhausen eingewiesen und am 20. März 1943 in die Landesanstalt Großschweidnitz in Sachsen verlegt. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurden hier über 5.000 Menschen Opfer der „wilden Euthanasie“. Die Menschen starben an Hunger, Vernachlässigung oder der Überdosierung von Beruhigungsmitteln. Zehn Tage nach ihrer Ankunft in Großschweidnitz starb Regina Boksch am 30. März 1943.

Godesberger Straße 8

Die Familie Silberbach konnte Ende der 1930er Jahre in die USA fliehen und dort den Holocaust überleben. Sie flohen am 15. November 1938 nur wenige Tage nach der Pogromnacht und emigrierten am 5. Dezember über Southampton nach Chicago. Mitarbeiter der Stadt Köln räumten die Wohnung der Silberbachs wenige Tage nach ihrer Emigration vollständig aus und konfiszierten ihr Auto. Nur durch die Flucht überlebten: Sibilla Silberbach, geb. Herz, Markus Paul Silberbach, Margarethe Silberbach, geb. Silberbach, Gisela Silberbach und Ingelore Silberbach.

Sibilla Silberbach wurde im Bergischen in Nümbrecht am 3. Juli 1862 geboren. Ihr Vater war dort Metzger. Auch ihr späterer Ehemann gehörte dem Handwerk an. 1890 zog das Paar nach Köln und eröffnete im Perlengraben 34 eine Metzgerei. Nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich aus der Metzgerei ein Unternehmen: Eine Aktiengesellschaft für Darm-, Fett- und Fleischwaren. Die Familie zog nach Marienburg in die Godesberger Straße 8. Auch wenn das Unternehmen aufgelöst wurde blieb die Familie in Marienburg wohnen. Der Sohn des Paares mittlerweile ebenfalls verheiratet erlernte das Handwerk, blieb diesem aber nicht treu. Anfang der 1930er Jahre findet sich sein Name als Geschäftsführer eines Immobilienunternehmens der Silberbach’schen Verwaltung. Diese wurde Ende 1930 von der Lohmerschen Haus- und Grundbesitzer AG übernommen.

Die Gedenksteine sind für Sibilla Silberbach, geb. Herz, Markus Paul Silberbach, Margarethe Silberbach, geb. Silberbach, Gisela Silberbach und Ingelore Silberbach. Gestiftet von Kölner Bürger:innen und US-Bürger:innen.

Neunkircher Straße 6

Der Gedenkstein erinnert an Jakob Brock und wird von einem Kölner Bürger gestiftet. Am 26. Juni 1922 wurde Jakob Brock geboren. Als Soldat wurde er mehrfach verwundet und an der Ostfront eingesetzt. Anfang März 1945 zum Ende des Zweiten Weltkriegs – die Amerikaner standen bereits auf der anderen Rheinseite, die sie seit 6. März eingenommen hatten – hat Jakob Brock Heimat- und Genesungsurlaub. Er heiratete und bezog mit seiner Frau eine Wohnung in der Neunkirchener Straße in Köln-Ostheim. Seine Einheit ließ nach ihm fahnden als er nicht zurückkam. Seine Familie berichtet, dass er eine Genehmigung besaß länger im Urlaub zu bleiben. Aber nur mündlich. Am 7. April wird er aufgegriffen. Ein Standgericht in Köln-Höhenhaus verurteilt ihn wegen des „Verdacht auf Fahnenflucht“ zum Tode. Am gleichen Tag wird er mit 23 Jahren vermutlich in einer Kiesgrube am Flachsacker in Köln erschossen. Ein Abschiedsbrief an seine schwangere Frau ist erhalten. Sie gebar im November 1945 eine gemeinsame Tochter.  Mit dem Gedenkstein für Jakob Brock wird der erste Stolperstein in Köln-Ostheim verlegt. Er geht auf die Initiative eines Anwohners zurück, der auch die Patenschaft für den Stein übernommen hat.

Die Termine der Verlegungen:

Dienstag, 18. Oktober 2022, ca. 10 Uhr
Vor dem Haus Schwerinstraße 4
Köln-Nippes

Dienstag, 18. Oktober 2022, ca. 14.30 Uhr
Vor dem Haus Neunkircher Straße 6
Köln-Ostheim

Mittwoch, 19. Oktober 2022, ca. 9 Uhr
Vor dem Haus Godesberger Straße 8
Köln-Marienburg