Köln | Bereits zum dritten Mal hat das Prognos-Institut die Kultur- und Kreativwirtschaft von Köln und seinem Umland unter die Lupe genommen. In kaum einer anderen deutschen Metropole ist diese Branche so breit und facettenreich aufgestellt. Allerdings gibt es auch Schatten über der ansonsten so robusten Wachstumsbranche.

„Wir sind deutlich besser als wir manchmal tun. Wir wollen mit dieser Studie auch ein Zeichen setzen als Nummer 1 der großen Medienstädte Deutschlands“, so der Anspruch der hiesigen Industrie- und Handelskammer IHK, die zum dritten Mal als Auftraggeber für die Studie fungierte. Dank einer klaren Definition von Kultur- und Kreativwirtschaft und ihrer elf Teilbranchen lassen sich so auch exakt Vergleiche zu den entsprechenden Kennzahlen auf Landes- und Bundesebene ziehen. Ergebnis: Die Bedeutung der Kreativwirtschaft ist in Köln deutlich größer als in NRW oder im Bund. Und weil der Anteil der Medienwirtschaft in diesem Segment jenseits der 80 Prozent liegt, gilt dies auch für diese Branche.

Unternehmen aus dieser Branche und dem Kölner IHK-Bezirk beschäftigen insgesamt etwas mehr als 50.000 Menschen, ein Anteil von rund 5,1 Prozent an der Gesamtwirtschaft. Mit rund 9,9 Milliarden Euro strebt der erzielte Gesamtumsatz der Branche auf die magische Schwelle von zehn Milliarden Euro zu. „Die Zahlen zur Umsatz- und Wertschöpfungsstatistik stammen aus dem Jahr 2016. Wir denken, dass die Schallmauer bereits im vergangenen, spätestens aber in diesem Jahr durchbrochen wird“, erläuterte Dr. Olaf Arndt, Projektleiter der Prognos AG.

Auch beim Wachstum über den Zeitraum zwischen 2009 und 2016 hängt die IHK-Region Köln mit durchschnittlich 2,7 Prozent das Land NRW (+ 1,3 Prozent) und das Bundesgebiet (+2,3 Prozent) mehr oder weniger deutlich ab. Vor allem in NRW – und hier besonders im Ruhrgebiet – spüre man die enorme Zugkraft der Kölner Medienwirtschaft. Die Bruttowertschöpfung der Branche stieg mit durchschnittlich 2,8 Prozent (von 4,4 auf 5,3 Milliarden Euro) sogar noch etwas dynamischer als die Umsätze. Auch hier liege man deutlich vor dem Land NRW, aber etwas hinter dem Bundesdurchschnitt (+ 3,1 Prozent). Bei der Beschäftigungsentwicklung geht es mit einem durchschnittlichen Anstieg um 2,4 Prozent genauso dynamisch nach oben wie im Bundesdurchschnitt.

Wachstumsdynamik 2014-16 verlangsamt sich

So positiv die Zahlen auch auf den ersten Blick erscheinen, das Bild der Kultur-, Kreativ- und Medienwirtschaft in Köln und seinem Umland ist nicht ungetrübt. Vor allem die rückläufigen Kennzahlen in den Branchen Film- und Rundfunkwirtschaft bereiten den Verantwortlichen Sorgen. Zumindest im Filmgeschäft führt Projekleiter Arndt das auf die veränderte Nutzung sowie das Aufkommen der neuen Plattform-Ökonomie und ihrer US-Giganten wie Netflix, Amazon & Co. zurück. Trotzdem bleiben diese Teilbranchen deutlich stärker – bezogen auf die gesamte Wirtschaft am Standort – als anderenorts. Dies gilt für den Teilbereich Film mit dem Faktor fünf und für die Rundfunkwirtschaft immer noch mit dem Faktor vier.

Die Teilbranche mit dem höchsten Beschäftigungsstand ist in Köln die Gamesbranche (rund 12.100 Erwerbstätige), gefolgt von der Filmwirtschaft (8.400), dem Werbemarkt (7.700), der Designwirtschaft (6.300) und dem Pressemarkt (5.300). Erst an Nummer 6 erscheint die Rundfunkwirtschaft mit rund 4.500 Erwerbstätigen. Diese Branche kommt jedoch mit rund 1,4 Milliarden Euro Umsatz auf Rang 1 der Bruttowertschöpfung, ein Hinweis auf die überdurchschnitliche Produktivität dieser Teilbranche. Auf den weiteren Rängen hier folgen Werbemarkt (1,1 Milliarden), der Pressemarkt (670 Millionen) sowie die Software- und Gamesbranche mit 610 Millionen Euro. Erst hinter der Designwirtschaft (540 Millionen) kommt die Filmwirtschaft mit einer Bruttowertschöpfung von 510 Millionen Euro.

Drei Handlungsempfehlungen für die Kammer

Für Dr. Ulrich Soénius, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer, ergeben sich aus der Studie drei Stränge für Handlungsempfehlungen. Zumindest zwei dieser drei strategischen Felder sind bereits bekannt und schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten in der Diskussion. So gilt die Medienwirtschaft als Pionier, also Vorreiter für Innovationen. Das müsse man nicht nur stärker herausheben, sondern auch für den Austausch mit anderen Branchen nutzen. „Da ist viel Musik drin“, so Soénius weiter.

Auch den Standortfaktor Medien stärker als bisher zu kommunizieren, ist keine neue Förderung. Schon vor fast zwei Jahrzehnten gehörten die Medien zu den zehn erklärten Leitbranchen der Domstadt. Neben WDR, RTL, der örtlichen Zeitungsgruppe und anderen Großen war Köln aber auch damals schon ein Eldorado für Kreative und Selbständige. Soénius sieht es deshalb mit Sorge, wenn – wie im Fall Brüsseler Platz – die Stadt mit dem Mittel des Bebauungsplans genau die Freiräume „totberuhigen“ will, die für die Kreativwirtschaft der so wichtige Nährboden sind. Auch in anderen Stadtteilen wie Ehrenfeld, Mülheim (Gebäude 9) oder Zollstock müssen die Freiräume erhalten werden. Kreative „ansiedeln“ zu wollen, sei der falsche Ansatz, so die Schlussfolgerung des IHK-Verantwortlichen.

Ein weiterer Handlungsansatz ist die Förderung und Stärkung der Digitalkompetenz. Hier besteht unverändert Bedarf und das in allen Bereichen. Die IHK, zuständig für die duale Ausbildung, ist hier mit neuen Lehrangeboten bereits eingestiegen. Doch angesichts der fortschreitenden Digitalisierung und der Notwendigkeit von IT-Kompetenz müsse mehr passieren, so Soénius durchaus selbstkritisch. Und in Sachen Standortmarketing habe Köln ohnehin „irres Potenzial“, geraude auch im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft. Deren Vertreter brennen geradezu, den Standort hier nach vorne zu bringen, ob in der Musik (c/o pop), der Mode oder der Designwirtschaft. Mit der Einführung neuer Formate und Foren wie 2009 dem Branchenforum Medien oder als Gastgeber und Mitveranstalter der 3. Designkonferenz sei die Kammer vielfältig involviert.

Risiken und Chancen der Digitalisierung

Dass die Kultur- und Kreativwirtschaft in den Jahren 2014 bis 2016 anderenorts stärker als in Köln gewachsen ist, erklärt Studienleiter Arndt mit dem „statistischen Effekt“. Auch der Ausgangspunkt 2009 sei keinesfalls wegen der damaligen Wirtschaftskrise so gewählt. Vielmehr habe die Medienbranche einen gänzlich anderen Konjunkturzyklus. „Das kritische Jahr hier war eher 2011“, so der Prognos-Mann. Allerdings drohe die Digitalisierung für immer mehr Teilbranchen zu einer ernsthaften Herausforderung zu werden. Derzeit sei das vor allem in der Film-, aber auch in der Werbewirtschaft spürbar.

Ein Blick in die Untiefen der Statistik zeigt, dass der Bereich Werbegestaltung mit einem Minus von neun Prozent besonders stark betroffen ist. Hier mache sich die zunehmende Etablierung weltweiter Crowd-Sourcing-Plattformen bemerkbar, die enormen (vor allem preislichen) Druck auf die hiesigien Kreativen ausüben. Doch die Abkehr vom Medium Fernsehen, das vor allem bei Jüngeren zu beobachten ist, berge auch Chancen. So ist Köln einer der führenden Standorte für Youtuber. Diesen Standortfaktor könne man ausbauen, so eine weitere Empfehlung aus der Studie.

Autor: Ralph Kruppa
Foto: Der Einzug der Digitalisierung verändert die Medienlandschaft, und damit auch die Kultur- und Kreativwirtschaft. Die ist in Köln besonders facettenreich und hochspezialisiert aufgestellt.