Das Gedächtnis der Stadt hat wieder einen Ort

Köln | Der Einsturz des Historischen Archivs am 3. März 2009 an der Severinstraße in Köln hat bis heute seine Spuren hinterlassen. Drei Menschen verloren ihr Leben, dutzende Bürger verloren ihr Zuhause und Köln drohte sein jahrtausendealtes Gedächtnis, das im Archiv lagerte, zu verlieren. Mittelalterliche Urkunden und Handschriften lagen genauso unter dem Schutt wie kommunale Akten und Nachlässe bekannter Persönlichkeiten. „Beim Blick in den Abgrund wurde vielen vielleicht bewusst, was ein Archiv für eine Gesellschaft bedeutet. Es dient der Selbstverortung und der Selbstvergewisserung“, sagt Oberbürgermeisterin Henriette Reker.

Die Einsturzstelle

Inzwischen wurden an der Unglücksstelle in der Südstadt die Arbeiten für die Nord-Süd-Stadtbahn wieder aufgenommen und gestern ist der Archivneubau am Eifelwall unweit der Kölner Uni eröffnet worden. Viereinhalb Jahre hat der Bau gedauert. Die Stadt hat rund 90 Millionen Euro in eines der modernste kommunalen Archive Europas investiert. Das Gebäudeensemble besteht aus einer dreistöckigen Mantelbebauung, in der unter anderem der Lesesaal mit 45 Arbeitsplätzen, ein Ausstellungs- sowie ein Vortragsraum, die Restaurierungswerkstätten und die Verwaltung untergebracht sind. Das Herzstück ist das „Schatzhaus“ – ein Magazin, in das ab dem 20. September die ersten der ausgelagerten Archivalien auf den sieben Ebenen untergebracht werden.

Rund 95 Prozent des verschütteten Archivgutes kann wiederhergestellt werden. Das wird aber noch einen langen Zeitraum beanspruchen. Aktuell sind etwa 17 bis 18 Prozent wieder nutzbar. Vor zwölf Jahren waren die geborgenen Archivalien auf bis zu 20 Standorte in Deutschland verteilt worden. Zuletzt waren die noch drei Orte – zwei in Köln und einer in Düsseldorf. Im November soll der Umzug ins neue Gebäude abgeschlossen sein. Zugänglich ist das Archiv ab sofort.

Beim Einsturz befanden sich 27 laufende Kilometer Akten m alten Gebäude. Dazu gehörten 62.000 Urkunden, 329.000 Karten, Pläne und Plakate, etwa 500.000 Fotos und 2500 Tonträger. Die Schätze reichten vom mittelalterlichen Verbundbrief bis zum Goldenen Buch mit dem Eintrag des früheren US-Präsidenten John F. Kennedy beim Besuch 1963 Inzwischen ist der Bestand auf 30 laufende Kilometer angewachsen. Bis zu 50 Regalkilometer stehen im neuen Gebäude zur Verfügung. Darin ist neben dem Stadtarchiv auch das Rheinische Bildarchiv untergebracht, zu dem über 5,5 Millionen Fotoaufnahmen gehören.

Das neue Kölner Stadtarchiv

Das neue Archiv verfügt im mit Bronzelamellen verkleideten Magazin über neun verschiedene Klimazonen. Diese ermöglichen es, den konservatorischen Ansprüchen der verschiedenen Archivalien von der Frostzone bis zu einer Standardtemperatur von 18 Grad gerecht werden. Das komplexe Klimakonzept umfasst einen eigenen im Erdreich verbauten Eisspeicher, eine Wärmepumpenanlage und eine Photovoltaikanlage auf dem Magazindach. Der Eisspeicher kann Energie sowohl abgeben als auch aufnehmen, wodurch die Gebäudetechnik besonders energieeffizient arbeiten kann.

Das neue Stadtarchiv mit seinen 150 Mitarbeitern versteht sich als Bürgerarchiv und steht sowohl Wissenschaftlern als auch allen interessierten Bürgern offen, die das barrierefreie Gebäude über den Haupteingang an der Luxemburger Straße betreten können.

Bis zum 10. September gibt es eine Eröffnungswoche, bei der das Gebäude nach Einbruch der Dunkelheit mit eine spezielle Lichtchoreografie illuminiert wird. Täglich gibt es mehrere öffentliche Führungen durch das Gebäude (Anmeldung: www.archiveroeffnung.koeln). Künftig soll es im Archiv regelmäßig Ausstellungen mit einem umfassenden Begleitprogramm geben. Als nächste Ausstellung ist ab dem 19. Oktober unter dem Titel „Vergiss es nicht“ geplant. Darin geht es um das menschliche und kulturelle Vergessen und Erinnern.

Autor: Von Stephan Eppinger
Foto: Der neue Lesesaal