Blick über Magdeburg

Berlin | Führende Ökonomen in Deutschland messen den Standort-Entscheidungen des US-Elektroautobauers Tesla für Grünheide und des US-Chipherstellers Intel für Magdeburg große Bedeutung bei. Es sei eine „Reindustrialisierung“ in den neuen Bundesländern abseits von Sachsen zu beobachten, sagte IW-Chef Michael Hüther dem „Handelsblatt“. Man erlebe derzeit in den neuen Bundesländern, „dass die Ausreifung von Ballungsräumen zu Wachstumskernen auch die ländlichen Regionen erfasst“.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, wertet die jüngsten Ansiedlungen zwar noch nicht als eine „Trendumkehr“, er sieht aber gute Chancen, wenn Ostdeutschland eigene Stärken entwickele und nicht versuche, andere Regionen in Deutschland oder Europa zu kopieren. „Erneuerbare Energien und nachhaltige Technologien könnten eine solche Stärke und ein vielversprechendes Erfolgsmodell für den Osten werden“, sagte Fratzscher dem „Handelsblatt“. Allerdings müssten ostdeutsche Regionen „dringend Reformen voranbringen“, fügte der DIW-Chef hinzu.

„Sie müssen Bürokratie abbauen, öffentliche Investitionen in Infrastruktur, Forschung und Bildung erhöhen und eine Willkommenskultur mit hoher Toleranz für Vielfalt und Offenheit entwickeln“, sagte Fratzscher. Angesichts des offiziellen Starts der Tesla-Fabrik in Grünheide bei Berlin am Dienstag hoben unterdessen Politiker von SPD, Grünen und FDP die Bedeutung solcher Industrieprojekte für Ostdeutschland hervor. „Nur über solche Investitionen und den sich daraus entwickelnden Struktureffekten kann es zu einer Angleichung von Ost und West kommen“, sagte der Vizepräsident des SPD-Wirtschaftsforums, Matthias Machnig, dem „Handelsblatt“.

Der Grünen-Wirtschaftspolitiker Dieter Janecek sieht den Osten vor allem wegen des dortigen Angebots an Ökostrom im Vorteil. „Es wird immer deutlicher, dass der Osten und der Norden Deutschlands durch die hohe Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien einen zunehmend wichtigeren Standortvorteil haben“, sagte er der Zeitung. „Gerade für Bayern mit seiner Windkraftblockade wird das ein Problem.“

Der US-Konzern Intel zum Beispiel habe sich gegen einen möglichen Standort in Oberbayern entschieden und wolle stattdessen ein großes Chip-Werk bei Magdeburg hochziehen. Auch das Bundesverkehrsministerium zieht eine positive Bilanz der Tesla-Ansiedlung. „Die Geschwindigkeit, mit der die Tesla-Fabrik genehmigt und gebaut wurde, zeigt, was geht, wenn der Wille da ist“, sagte FDP-Staatssekretärin Daniela Kluckert dem „Handelsblatt“.

Dass diese „Erfolgsgeschichte“ aus Ostdeutschland komme, sei umso schöner. Kluckert bekräftigte zugleich die Pläne der Ampel-Koalition, die Dauer von Planungs- und Genehmigungsverfahren zu halbieren. „Tesla und Brandenburg zeigen uns nun, dass das auch geht“, sagte sie.

Der SPD-Politiker Machnig ergänzte, dass das bisherige Genehmigungsrecht grundlegend überarbeitet und zu einem „Ermöglichungsrecht“ werden müsse.