„Bemerkenswertes, Erstaunliches und Erschreckendes“
Die Ahnen-Galerie im Foyer der Kölner Bezirksregierung hat nun ein neues Gesicht. Die drei Regierungspräsidenten während der Jahre 1933 bis 1945 sind ab sofort nicht mehr bloß mit einem Bild dargestellt. In einem Text wird zudem kurz ihre Rolle während der NS-Zeit erläutert. Möglich machte dies Dr. Robert Becker. Er erforschte im Auftrag der Bezirksregierung deren eigene Vergangenheit. Dabei legte er seinen Fokus auf die Biographien der Behörden-Leiter. „Dies ist ein erster Impuls, sich auch künftig in unserem Haus mit der NS-Vergangenheit auseinanderzusetzen“, betonte Regierungspräsidentin Gisela Walsken. Denn schon diese erste Annäherung an die Rolle der Behörde während dieser Zeit habe „Bemerkenswertes, Erstaunliches und Erschreckendes“, so Walsken, hervorgebracht. Wichtig sei eine geschichtliche Aufarbeitung, um für die Zukunft zu lernen. „Wir müssen hellwach sein, damit sich so etwas nicht wiederholt“, betonte Kölns Regierungspräsidentin. Denn nur wer seine Vergangenheit kenne, könne auch die Zukunft meistern.

Ergebnisse haben „immer wieder zutiefst erschreckt“
Dabei nahm sie ihre drei Amtsvorgänger ganz in die Verantwortung. „Wir sind nicht nur für das verantwortlich, was wir tun, sondern auch für das, was wir geschehen lassen“, sagte Walsken. Als Leiter der Behörden seien alle drei Regierungspräsidenten somit für die Vorgänge in ihrer Behörde verantwortlich gewesen. Initiiert hatte Hans Peter Lindlar, Regierungspräsident a.D. die geschichtliche Aufarbeitung. Nach mehreren Jahren Recherche legte die Bezirksregierung nun eine kurze Broschüre auf, in der die Lebensgeschichten der drei Behörden-Leiter untersucht werden. Ziel der Analyse war es dabei insbesondere aufzuhellen, warum sie zu Regierungspräsidenten bestellt wurden und welchen Anteil sie an den Untaten des nationalsozialistischen Regimes hatten.

Bei der Vorstellung seiner Ergebnisse zog Becker dabei ein trauriges Fazit: „Was ich bei meinen Forschungen aufgedeckt habe, hat mich immer wieder zutiefst erschreckt.“ So sei, schreibt Becker in seiner Veröffentlichung, Rudolf zu Bonsen (1933 – 1934) für die Kirchenpolitik und die Beschränkung kirchlicher Rechte mit verantwortlich gewesen, Rudolf Diels (1934 – 1936) für die Verfolgung politischer Gegner und Eggert Reeder (1936 – 1945) für die Besatzung und Judenverfolgung in Belgien.

Rudolf Bonsen – Kirchenmann aus Überzeugung
Bonsen trat der NSDAP am 1. Mai 1932 bei. Er war „praktizierender Katholik“ und sollte so bei den Bürgern der Stadt Sympathien für das Regime erwerben. Er selbst sah seine Aufgabe vor allem darin zu beweisen, dass Katholizismus und Nationalsozialismus sich vereinbaren lassen. Als er erkannte, dass das Regime immer wieder auch antikirchliche Aktionen durchführte, beantragte er aus Protest seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand. Im Entnazifizierungsverfahren nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er unter anderem auch deshalb als „entlastet“ eingestuft. Das Fazit von Becker: „Es bleibt aber bestehen: Er hat längere Zeit Partei und Staat in höheren Funktionen gedient und so an dem Weg in die Diktatur mitgewirkt.“

Rudolf Diels – Eine schillernde Persönlichkeit
Becker beschreibt Kölns Regierungspräsidenten von 1934 bis 1936 als „Schillernde Persönlichkeit“. Er gehörte zu den ersten, die von der im Juli 1932 gebildeten Kommissariatsregierung befördert wurden – insbesondere weil er ein enger Vertrauter von NS-Reichstagspräsidenten Göring war. Der hielt bis zuletzt seine Hand über Diels und verhalf ihm unter anderem zu seinen Posten. So wurde Diels der erste Leiter der Gestapo. Becker schreibt ihm zu, als solcher zwar das Regime mäßigen zu wollen. Vielleicht sogar unbeabsichtigt habe er jedoch durch sein organisatorisches Geschick die Gestapo für ihren Einsatz gerade effektiv gemacht. Und auch unter seinem Befehl seien politische Gegner überwacht, verfolgt und in „Schutzhaft“ genommen worden.

Eggert Reeder – verurteilt als Kriegsverbrecher
Mit der Besetzung Belgiens übernahm Reeder neben seinem Amt als Regierungspräsident von Köln auch Militärbefehlshaber für Belgien und Nordfrankreich. Als solcher hatte Reeder auch die Judenverfolgung in Belgien zu verantworten. Bereits im Herbst 1940 sei es zu ersten anti-jüdischen Maßnahmen gekommen. Ab August 1942 wurden Juden in Konzentrationslager deportiert. 1951 wurde Reeder wegen Kriegsverbrechen in Brüssel  zu 12 Jahren verurteilt, allerdings wurde er wenig später nach Deutschland abgeschoben. Hier empfing ihn Bundeskanzler Konrad Adenauer und dankte ihm für sine Haltung im Prozess. Damit habe er die deutsch-belgischen Verhältnisse nicht getrübt. Becker bilanziert in seinem Text: „Ungeachtet des Bemühens um Mäßigung hat er die Eroberungspolitik des Regimes gestützt, und abgesehen von temporären Widersprechen, hat er antisemitisches Vernichtungsprogramm umgesetzt.“

Cornelia Schlößer für repotr-k.de/ Kölns Internetzeitung