Köln | Das Kölner Landgericht bewertet die Beschneidung kleiner Jungen aus religiösen Gründen als Körperverletzung. Dies gelte auch für den Fall, dass die Eltern dem Eingriff zustimmten, heißt es in einem am Dienstag verbreiteten Urteil. Der Zentralrat der Juden in Deutschland reagierte empört.

Die Richter argumentierten, in der Bewertung überwiege das Grundrecht eines Kindes auf körperliche Unversehrtheit. Die Religionsfreiheit und das Erziehungsrecht der Eltern würden nicht unzumutbar beeinträchtigt, wenn sie abwarten müssten, ob sich das Kind später selbst für eine Beschneidung entscheide. Der Zentralrat der Juden hingegen bewertete das Urteil als „beispiellosen und dramatischen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften“. Dessen Präsident Dieter Graumann sagte: „Diese Rechtssprechung ist ein unerhörter und unsensibler Akt. Die Beschneidung von neugeborenen Jungen ist fester Bestandteil der jüdischen Religion und wird seit Jahrtausenden weltweit praktiziert. In jedem Land der Welt wird dieses religiöse Recht respektiert.“ Der Zentralrat rief den Bundestag als Gesetzgeber dazu auf, „die Religionsfreiheit vor Angriffen zu schützen“. Nach jüdischer Tradition werden Jungen bereits beschnitten, wenn sie acht Tage alt sind. Damit werde an den heiligen Bund erinnert, den Gott mit dem Stammvater Abraham geschlossen habe, erläuterte der Zentralrat der Juden. Durch die Beschneidung des männlichen Geschlechtsteils werde das Kind in diesen Bund aufgenommen.

Gericht spricht Arzt trotzdem frei

Im vorliegenden Fall, über den die Kölner Richter zu entscheiden hatten, hatte ein Arzt einen Vierjährigen mit der Einwilligung der Eltern beschnitten. Trotz ihrer grundsätzlichen Verurteilung des Rituals an kleinen, nicht selbst bestimmten Kindern, sprachen die Richter den Mediziner jedoch vom Vorwurf der Körperverletzung frei. Er habe sich in einem „unvermeidbaren Verbotsirrtum“ befunden und daher angenommen, dass sein Handeln rechtmäßig sei, hieß es zur Begründung. Das Urteil bestätigt den Richterspruch aus erster Instanz.

Ins Rollen gekommen war der Fall, weil es nach dem Eingriff zu Komplikationen gekommen war, wie ein Gerichtssprecher sagte. Die Staatsanwaltschaft habe daraufhin Ermittlungen eingeleitet. Gegen den Freispruch des Arztes wolle die Staatsanwaltschaft aber keinen Einspruch mehr einlegen.

Autor: Tonia Haag | dapd | Foto: Hugo Berties/ fotolia
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