Kritik an der Politik ist in Russland nicht gewünscht
„Perestroika. Twenty years after. 2011-1991“, so nannte das Künstlerkollektiv aus Russland ihre Ausstellung. Mit sarkastisch-humorvollen Videoinstallationen und einem russischen Märchenwald, versuchte Chto Delat? die Geschehnisse nach der Perestroika 1991 aufzuarbeiten. Wie haben sich Gesellschaft und Wirtschaft in Russland nach der Perestroika, also der Auflösung der Sowjetunion und der damit einhergehenden Gründung der Russischen Förderation, entwickelt? Das Kollektiv selbst hat es in ihrem Heimatland nicht einfach Ausstellungen zu präsentieren. „Einige Kuratoren und Künstler wurden vom Staat verurteilt oder bekamen Probleme mit der Polizei“, berichtet Anastasia Marukhina, Kuratorin der Ausstellung. „Für uns ist es in Russland einfacher in Seminaren mit geschlossenen Gruppen zu arbeiten“, erklärt Dmitry Vilensky von Chto Delat?.

Schon aus dem Titel der Ausstellung kann abgeleitet werden, dass die Installationen in chronologisch umgekehrter Reihenfolge angeordnet sind. Begonnen wird im Kino mit dem jüngsten Werk von 2010, dem Film „Tower: A Songspiel“. Hier wird über den geplanten Bau eines 403 Meter hohen Turmes in St. Petersburg durch Gazprom diskutiert.

Märchenwaldbewohner, Kalaschnikows und Gaspipelines
In dem nächsten Ausstellungsraum erstreckt sich ein Wald aus Illustrationen, die auf Holztafeln geklebt wurden. Zwei Häschen aus dem russischen Märchenwald kauern in der Ecke, während sich auf der gegenüberliegenden Seite ein Drache in einen Erdölbohrturm verwandelt. „Das Häschen ist eine populäre Figur im russischen Wald. Stets ist es in Gefahr, von den anderen Tieren gefressen zu werden. Feige und verbittert. Immer auf der Hut“, erklärt Kathrin Jentjens, Direktorin des Kölnischen Kunstvereins. Ein paar Meter weiter streckt sich ein Weihnachtsbaum empor, behangen mit einer Kalaschnikow, einer Spritze, einem Öltanker und nationalen Symbolen. Ganz am Ende des Waldes kann der Besucher drei verhüllte Witwen vor einer Metrostation entdecken, die Station, in der 2010 der Anschlag stattfand. Hinter den hölzernen Skulpturen installierten die Künstler Videos, die sich jeweils auf die Illustrationen beziehen und dokumentarischen Charakter besitzen. Hinter der Metroskulptur mit den Witwen beispielsweise lief ein Film über den Alltag der Obdachlosen in der Moskauer Metro. „Der Wald ist eine Allegorie, er ist wie ein Märchen mit gut und böse“, erklärt Anastasia Marukhina.

Am Ende des Waldes führt der Weg zu den letzten beiden Filmen, die einen Einblick in den Volksaufstand und den Demonstrationen im August des Jahres 1991 geben.

Was tun?
Russische Philosophen, Künstler, Dichter und Musiker taten sich 2003 zusammen und gründeten das Künstlerkollektiv Chto Delat?, zu deutsch "Was tun?". Den Namen entlehnte man dem Titel eines Werkes von Nikolay Chernyshevsky. In diesem beschreibt der Autor einen Plan für den Aufbau einer sozialistischen Arbeiterorganisation. In ihren Arbeiten verbinden Chto Delat? Aktivismus, Kunst und politische Theorie miteinander.

Infobox:
„Perestroika. Twenty years after. 2011-1991“
Zeit: 27.08.2011-18.09.2011
Ort: Die Brücke, Hahnenstr. 6, Köln
Öffnungszeiten:
Dienstag –Freitag 13-19 Uhr
Samstag-Sonntag 11-18 Uhr

[vis]