Das Kölner Justizzentrum wird umgebaut. Foto: Bopp

Köln | Aus dem Kölner Justizzentrum hat sich 2020 schon mal eine Betonplatte mit einem Gewicht von 5 Tonnen gelöst. Jetzt gibt es ein Eckpunktepapier zum Justizzentrum und dessen Neubau, das am Dienstag dieser Woche unterzeichnet wurde. Dabei hat die Stadtverwaltung schon seit dem 8. April 2014 einen Ratsauftrag. Damals war noch Jürgen Roters Oberbürgermeister, bevor Henriette Reker 2015 übernahm.

Neben der langen Plan- und Bauzeit von 16 Jahren wirft die Energiebilanzierung unter Einbeziehung der Grauen Energie bei einem gerade einmal 41 Jahre alten 105 Meter hohen Gebäude die Frage nach der Ernsthaftigkeit, mit der Stadt und Land nachhaltig planen und bauen auf. Und warum wurde diese Frage in den vergangenen 8 Jahren nicht gestellt vor dem Hintergrund von Klimanotstand und Zero-Waste-Konzepten?

Es war ein breites Bündnis, das am 8. April 2014 einen Dringlichkeitsantrag in den Kölner Rat einbrachte. SPD, CDU, Grüne und die FDP-Fraktion trugen diesen. Der Beschluss eindeutig: „Der Rat der Stadt Köln spricht sich dafür aus, das neue Justizzentrum in Köln in unmittelbarer Nähe des Altstandorts nun am Standort Hans-Carl-Nipperdey-Straße zu errichten. Die für den Neubau vorgesehene Fläche ist so zu planen, dass die an dieser Stelle vorgesehene Fortführung des inneren Grüngürtels mindestens in einer Größenordnung erfolgen kann, den der Masterplan Innenstadt vorsieht.“

Das ist acht Jahre her und jetzt soll es noch einmal acht Jahre dauern bis ein neues Justizzentrum steht. 16 Jahre sind ein beachtlicher Zeitraum. Der Rat gab der Stadtverwaltung mit seinem Beschluss damals auch klare Vorgaben in den Verhandlungen mit der Landesgesellschaft BLB, die für das Bauen in NRW zuständig ist, mit. Die Carl-Nipperdey-Straße sollte überbaut werden und der Baukörper unterhalb der Hochhausgrenze angesiedelt werden, aber höher als sechs Stockwerke werden. Unter anderem sollte auch eine angemessene Platzgestaltung zur Luxemburger Straße ermöglicht werden.

Im Eckpunktepapier, das Oberbürgermeisterin Henriette Reker, Peter Biesenbach, Minister der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen, Dr. Bernd Scheiff, Präsident des Oberlandesgerichtes Köln, und Gabriele Willems, Geschäftsführerin des Bau- und Liegenschaftsbetriebes (BLB) Nordrhein-Westfalen, am Dienstag, 10. Mai, im Historischen Rathaus für das neue Justizzentrum unterzeichnet haben, findet sich dieser Ratsbeschluss von 2014 nicht mehr wieder.

So heißt es jetzt: Das heute unterzeichnete Eckpunktepapier hält dazu fest: „Als lediglich hilfsweise Option kommt bei im Übrigen identischen Rahmenbedingungen neben dem Abriss und Neubau des Hochhauses auch dessen Erhalt und eine Kernsanierung in Betracht. Diese Option stellt keine Alternative dar. Im für das Projekt beabsichtigten städtebaulichen Wettbewerb wird lediglich das Ziel eines Neubaus vorgesehen.“ Hier findet sich das Wort „Hochhaus“. Nun darf die Öffentlichkeit gespannt sein, wie der zweiphasige Wettbewerb ausgeschrieben und ausgehen wird. Es soll zunächst ein städtebaulicher und dann ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben werden. Nach dem Städtebauwettbewerb will die Stadt Köln die Öffentlichkeit beteiligen.

Berechnen Land und Stadt die Graue Energie und wie nachhaltig bauen sie eigentlich?

Noch einmal zurück zur herabgefallenen Betonplatte: Warum brauchen Stadt Köln und Land NRW 16 Jahre vor einem solchen Hintergrund für die Planung und den Bau oder der Sanierung eines Gebäudes, dass in einem Rechtsstaat eine Pflichtaufgabe des Staates erfüllt? Das ist eine Frage, die zu Recht aus der Bürgerschaft an die Verantwortlichen in der Stadtverwaltung und der Landesregierung gestellt wird.

Die Absage an eine Kernsanierung des Hochhauses wirft 8 Jahre nach dem ersten Ratsbeschluss eine weitere Frage auf: Die Stadt Köln hat inzwischen den Klimanotstand ausgerufen. Wird bei dem Neubau des Justizzentrums auf Nachhaltigkeit geachtet unter Berücksichtigung der Grauen Energie? Davon war zumindest bisher nicht die Rede. Graue Energie spielt zunehmend eine Rolle bei der Gesamtbilanzierung von nachhaltigem Bauen.

Die Stiftung Baukulturerbe stellt unter anderem in einem Artikel zu Grauer Energie und Nachhaltigkeit von Gebäuden fest: „Vor dem Hintergrund, dass dem Umweltbundesamt zufolge der Bausektor zu den ressourcenintensivsten Wirtschaftssektoren gehört, ist eine Ressourcenschonende und nach Nachhaltigkeit ausgerichtete Kreislaufwirtschaft und damit die Minimierung von Bau- und Abbruchmaterialien essentiell. Die Erhaltung durch Um- und Weiternutzung der bestehenden Bausubstanz vermeidet dabei effektiv die Entstehung solcher Abfälle und die aufgewendete Menge an Primärenergie.“

So kann etwa ein Bestandsgebäude verglichen mit einem Neubau, häufig trotz geringerer Energieeffizienz im Betrieb, eine bessere Energiebilanz aufweisen als beispielsweise ein neugebautes Passivhaus. Vor allem der Lebenszyklus eines Gebäudes hat hier entscheidenden Einfluss: So verliert ein relativ geringer Energieaufwand im Betrieb an Bedeutung gegenüber dem Aufwand, der in den Phasen Bau und Rückbau entsteht. Erst mit zunehmender Nutzungsdauer relativieren sich die Anteile für die eingebrachte Primärenergie, die graue Energie. Und das Justizzentrum ist jüngeren Baudatums. Denn das rund 105 Meter hohe Gebäude war am 30. April 1981 bezugsfertig und ist damit seit fast genau 41 Jahren in Betrieb. Auch spricht der Rat ständig über Konzepte wie Zero-Waste und muss sich die Frage gefallen lassen, ob damit lediglich der Yoghurt-Becher gemeint ist und warum hier die Verringerung von Abfällen nicht gilt?

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