Das Pressefoto der StEB zeigt Peter Esch, Dr. Dieter Steinkamp, Ulrike Franzke, Dr. Volker Erbe und Michael Dreschmann bei der Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrages von „Klar“. | Foto: StEB Köln/Sabine Grothues

Köln | aktualisiert | Das Thema Energieversorgung dürfte derzeit niemanden kalt lassen. In Köln wurde gestern das neu gegründete Unternehmen Klar vorgestellt, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Geschäftszweck: Die Verwertung und Nutzung von Klärschlamm im Rheinland zur Gewinnung von Energie im Rheinenergie-Kraftwerk in Köln-Merkenich. Das ist nicht ganz selbstlos, denn unter anderem ist die Verwertung von Klärschlamm etwa als Dünger in der Landwirtschaft problematisch und ab 2029 verboten. Dazu kommt der Kohleausstieg, der eine thermische Mitverwertung von Klärschlämmen in der Kohleverstromung, unmöglich machen wird.

Klärschlammverbrennungsanlage in Köln-Merkenich soll 2029 in Betrieb gehen

Der Kölner Energieversorger Rheinenergie soll im Jahr 2025 den Block 6 seines Kraftwerkes in Köln-Merkenich stilllegen. Dort wird derzeit Braunkohle verfeuert und mit dieser konnte auch Klärschlamm verbrannt werden. Die geplante Klärschlammverbrennungsanlage soll dies substituieren. Dies ist Teil des Meditationsergebnisses mit der Klimawende Köln, die über 30.000 Unterschriften sammelte und natürlich auch des Kohleausstieges, da in absehbarer Zeit keine Braunkohle mehr zur Verfügung stehen würde. Das Meditationsergebnis floss in eine Entscheidung des Kölner Stadtrates ein. Teil dieses Meditationsergebnisses ist auch der Bau einer Klärschlammverbrennungsanlage in Merkenich. Diese soll ganzjährig in der Anlage anfallende „überschüssige“ Energie CO2-neutral als Fernwärme ins Rheinenergienetz einspeisen. Zudem wird Strom erzeugt. Die Rheinenergie rechnet damit, 1.700 Haushalte im Kölner Norden und Industriebetriebe mit Fernwärme versorgen zu können. Im Meditationsergebnis mit der Klimawende Köln war die Rede von einer Inbetriebnahme der Klärschlammverbrennung 2028, das neue Unternehmen „Klar“ spricht jetzt von 2029.

Die Gründer von „Klar“

Dafür benötigt die Anlage aber Klärschlamm, um diesen verbrennen zu können. Die neugegründete Gesellschaft wird die Anlage in Merkenich errichten und die Rheinenergie wird diese betreiben. Der Name der Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist „Klar“. Er setzt sich aus den Anfangsbuchstaben von „Klärschlammverwertung am Rhein“ zusammen.

Gegründet wurde das Unternehmen von folgenden Gesellschaftern:

• Stadtentwässerungsbetriebe Köln, AöR (StEB Köln)
• Stadtwerke Köln GmbH (SWK)
• Bundesstadt Bonn
• Klärschlammkooperation Poolgesellschaft mbH (KKP)

Die KKP gründeten einige kleinere Städte und Umlandgemeinden im Rheinland extra zu diesem Zweck.

Das plant „Klar“

Das Ziel ist der Bau und Betrieb einer Klärschlammverbrennungsanlage in Köln-Merkenich. Bis Ende 2023 sollen die technischen Rahmenbedingungen für die neue Anlage geplant und festgelegt sein. Anschließend sollen die Genehmigungen eingeholt werden. Das neue Unternehmen „Klar“ verspricht eine umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit. Der Beginn der Bauarbeiten in Merkenich soll 2025 starten. 2029 soll die Anlage ans Netz gehen können.

Das Klärschlamm-Problem

Seit 1992 gibt es in Deutschland eine Klärschlamm-Verordnung, die zuletzt 2017 novelliert wurde. Bisher wurde mit Klärschlamm gedüngt, da Kompost und Klärschlamm wertvolle Pflanzennähr- und Humusstoffe enthalten, wie etwa Stickstoff, Phosphor und andere. Allerdings enthalten Kompost und Klärschlamm und besonders letzterer umwelt- und gesundheitsgefährdende Schadstoffe wie Chemikalien, Schwermetalle und Pharmaka. Unter den Schadstoffen finden sich: Blei, Quecksilber, Cadmium, Kupfer sowie organische Schad- und Fremdstoffe wie ⁠Dioxine⁠, Polychlorierte Biphenyle (⁠PCB⁠), Perfluorierte Tenside (⁠PFT⁠), Arzneimittelrückstände, Krankheitserreger, aber auch Nanopartikel, Mikroplastik und vieles mehr. Daher soll gerade die Düngung mit Klärschlamm eingeschränkt werden.  Denn diese können zum einen über die Pflanzen in die Nahrungskatte gelangen und zum anderen besteht die Gefahr, dass sie ins Grundwasser eingetragen werden.

So schreibt das Umweltbundesamt zu dieser Problematik: „Über die Mengen der aus landwirtschaftlich verwertetem Kompost und Klärschlamm diffus in die Umwelt eingetragenen Schadstoffe und Schwermetalle gibt es in Deutschland keine Schätzungen. Die Gefahren für Umwelt und Gesundheit sind ebenfalls nur schwer einzuschätzen, da Wechselwirkungen und Transformationsprozesse der Schadstoffe häufig nicht bekannt und Möglichkeiten der Überwachung, insbesondere für neue Stoffe, oft nicht vorhanden sind.“

Neue rechtliche Regelungen und eine Zunahme des Ökologischen Landbaus erschweren das Ausbringen von Klärschlamm in der Natur. Zudem gibt es mit der der novellierten Verordnung über die Verwertung von Klärschlamm, Klärschlammgemisch und Klärschlammkompost (AbfKlärV) die Pflicht zur Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlämmen, die nicht mehr landwirtschaftlich ausgebracht werden dürfen. Dazu schreibt das Umweltbundesamt: „Vorraussichtlich müssen alle Klärschlämme mit einem bestimmten Gehalt an Phosphor einer Phosphorrückgewinnung unterzogen werden. Die Rückgewinnung kann direkt auf der Kläranlage aus Klärschlamm oder Schlammwasser, aber auch aus Klärschlammasche nach der Monoverbrennung erfolgen. Eine vorrübergehende Ablagerung auf Monodeponien soll ebenfalls möglich sein. Verhindert werden soll die Mitverbrennung phosphorreicher Klärschlämme, wenn so der wertvolle Phosphor dem Stoffkreislauf entzogen wird.“

Dazu kommt, dass ab 2029 Klärschlamm nicht mehr als Dünger eingesetzt werden darf.

Das soll verbrannt und so nach Merkenich geliefert werden

Die Anlage in Merkenich soll Trockensubstanz verbrennen. Die Kapazität der Anlage soll bei 39.000 Tonnen pro Jahr liegen. Damit so die Gesellschafter von „Klar“ könne die geplante Anlage die Klärschlämme von rund 2 Millionen Einwohnern verwerten. Der Großteil des Klärschlammes werde aus Köln, ein Fünftel aus Bonn und rund 30 Prozent aus den Nachbarkommunen stammen. Angeliefert werden soll der Klärschlamm durch eine Rohrleitung, Schiff und LKW oder potenziell per Bahn. 42 Prozent der Menge, die aus dem Großklärwerk Stammheim der StEB stammen, sollen durch eine Rohrleitung nach Merkenich transportiert werden.

Das sagen die Gesellschafter

Ulrike Franzke, Vorständin der StEB Köln, sieht in dem neuen Zusammenschluss „Klar“ die nachhaltige und bezahlbare Entsorgung der Klärschlämme gesichert.

Dr. Dieter Steinkamp, Vorsitzender der Geschäftsführung der SWK und Vorstandsvorsitzender der RheinEnergie, betont die gebündelte Kompetenz der Partner: „Die Stadtentwässerungsbetriebe finden in der SWK mit ihren Gesellschaften einen Leistungspartner, der das Projekt in dieser Form überhaupt erst ermöglicht. Die Facherfahrungen der AVG spielen da eine gewaltige Rolle, ebenso die logistische Kompetenz einer HGK oder einer AWB. Die RheinEnergie als ein zentraler Partner stellt den Standort für das Herzstück, die Verbrennungsanlage, und kann dafür einen sicheren Betrieb gewährleisten. Ebenso schafft sie Synergien, weil sich bestehende Komponenten am Standort ebenso mitnutzen lassen wie die vorhandenen Netzanschlüsse für Wärme und Strom, in die sich die erzeugte Energie nahtlos einspeisen lässt.“

Alle Bonner Projektbeteiligten sind froh, dass es zu dieser sehr guten, umweltfreundlichen und nachhaltigen Lösung gekommen ist. Besonders herausragend ist aus Bonner Sicht die Möglichkeit, den Klärschlamm per Schiff von Bonn nach Köln zu transportieren. Unser Ziel ist es, dabei zukünftig Schiffe mit Elektro- oder Wasserstoffantrieb einzusetzen“, sagt Peter Esch, Leiter des Tiefbauamtes der Stadt Bonn.

Michael Dreschmann und Dr. Volker Erbe haben als Geschäftsführer der KKP viel Pionierarbeit im Rheinland geleistet: „Wir haben die Interessen und Kräfte einiger umliegender Städte und Gemeinden gebündelt und erstmalig beim Thema Klärschlammverwertung eine Kooperation mit den Großstädten Köln und Bonn auf die Beine gestellt. Damit schaffen wir die Basis für weitere Kooperationsmöglichkeiten – nicht nur bei der Abwasserbehandlung, sondern vielleicht sogar noch bei anderen Aufgaben der Daseinsvorsorge“, so Dr. Volker Erbe.

Klärschlamm als klimaneutral eingestuft

Die Klärschlammverbrennungsanlage in Merkenich gilt als ein Baustein Köln klimaneutral zu gestalten. Der Rat der Stadt Köln beschloss nach der Mediation zwischen Klimawende Köln und Rheinenergie, dass Köln bis 2030 bei Strom und 2035 bei Wärme klimaneutral werden solle. Die StEB wollen ihre Dienstleistungen bis 2030 klimaneutral gestalten. Klärschlamm wird gesetzlich als klimaneutraler Rohstoff gesetzlich derzeit eingeschätzt, das er zum Großteil aus natürlichen Rohstoffen besteht.

Die neue „Klar“ wird zunächst von Heinz Brandenburg als Geschäftsführer geleitet. Er ist Geschäftsbereichsleiter Technischer Betrieb der StEB Köln.