Köln | Seit dem Elften im Elften wird eine Debatte auf die Spitze getrieben, die es unterschwellig schon immer gab: Es geht um die Deutungshoheit was ist Karneval, was ist Brauchtum und was ist Ballermann. Wer diese Debatte zuspitzt, spaltet, vergisst „Jeck loss Jeck elans“ und zeigt nur mit dem Finger auf andere, um von sich selbst abzulenken. Ein Kommentar von Andi Goral zur aktuellen Debatte.

Der Grundgedanke ist, dass Karneval in Köln als vaterstädtisches Fest gesehen und gefeiert wird mit all seinen Facetten, von der Galasitzung, Umzug bis zum wilden Treiben des Straßenkarnevals.

Köln ist weltweit in den Schlagzeilen mit Videos und Bildern von der Zülpicher Straße und Feiernden. Auf der Zülpicher Straße feiern vor allem die Jungen, die Schüler*innen, die Student*innen, die Azubis und natürlich feiern sie wild und ausgelassen zu kölschen Tönen. Auf dem Heumarkt und der Kölner Altstadt feiern vor allem die Älteren und Tourist*innen von Nah und Fern, mitunter nicht viel weniger wild als die, die auf der Zülpicher Straße feiern. Kommentare gab es übrigens auch zu den Bildern vom Heumarkt.

Jetzt gibt es Stimmen in Köln, die zeigen mit dem Finger auf die Feiernden in der Zülpicher Straße und behaupten: Das ist kein Karneval. Wie bitte? Gilt jetzt in Köln nicht mehr „Jeck loss Jeck elans“? Gilt nicht mehr das kölsche Grundgesetz, dessen 11 Artikel eigentlich Variationen oder Entfaltungen des Toleranzedikts sind? Ist der Betrunkene in der Zülpicher Straße der schlechtere Jeck als der Betrunkene am Heumarkt? Oder der/die eine Karnevalist und der/die andere Ballerfrau/mann. Und für alle die, die es nicht wissen: In der Kölner Altstadt und dem Kwartier Lateng galt 2G!

Straßenkarneval ist Enthemmung, drüben wie hüben. Wer jetzt anfängt zu spalten und mit dem Finger auf die jungen Karnevalist*innen zeigt, der erweist dem Karneval und dem vaterstädtischen Fest einen Bärendienst. Denn die Faszination Karneval ist sein Facettenreichtum und dass er für jedes Alter, für jede Vorliebe ein Plätzchen vorhält und die oder den anders Feiernden toleriert. Und man möchte gar nicht wissen, wie viele Karnevalskarrieren gerade hier im wilden Straßenkarneval begannen und später im Ehrenamt einer ehrenwerten Gesellschaft weitergingen. Also stoppt die Spalterei! Und ertragt, dass es Stimmen gibt, die Straßenkarneval in Zeiten der Pandemie kritisch sehen und stellt Euch als Karnevalisten gemeinsam der Kritik und lernt daraus.