Köln | Politik in einer Demokratie muss sich in kurzen Abständen dem Votum der Wähler:innen stellen. Das ist gut so und gar nicht zu beanstanden, denn so lebt Demokratie. Was aber wenn gewählte Kommunalpolitiker:innen versuchen, über langfristige Instrumente wie den Regionalplan ihre heutigen Entscheidungen abzusichern – also das Überübermorgen bestimmen? Genau das passiert gerade in Köln. Ist das ein neuer Politikstil? Ein Kommentar von Andi Goral.

Zum Hintergrund

Der Regionalplan ist ein strategisches Verwaltungsinstrument für den die aktuelle Politik einer Wahlperiode langfristig den Rahmen absteckt, in dem eine regionale Entwicklung ermöglicht wird. Da dieses Instrument langfristig wirkt, entwickelt es auf der einen Seite eine bindende Wirkung und auf der anderen Seite lässt es den jeweiligen politischen Entscheidungsträgern in den Wahlperioden die Hoheit über die letztendliche Entscheidung – also die Einzelfallentscheidung – in ihren Kommunen.

Die Kölner Grünen und die CDU der aktuellen Wahlperiode haben sich entschieden, dem Regionalplan ihren Stempel so aufzudrücken, dass Entscheidungen in der Zukunft einschränkt sind. Sie regieren aus dem Hier, Heute und Jetzt. Dafür finden Grüne und CDU und die Befürworter:innen Argumente und machen den Verfechtern einer offeneren Regionalplangestaltung den Vorwurf sich nicht auf die Seite des Klimaschutzes zu stellen. Ist politisch geprägte Rhetorik kluge und verantwortungsvolle Politik von gewählten Mandatsträger:innen?

Die politisch strategische Frage hinter einer solchen Vorgehensweise ist, warum Grüne und CDU so einengend Köln regieren, obwohl sie doch in den folgenden Wahlperioden die Option haben, ihre jetzige Entscheidung mit Leben zu füllen. Im Klartext: Warum berauben sich Grüne und CDU selbst ihrer Optionen in der Zukunft? Es muss bei einer offeneren Gestaltung des Regionalplanes keine Wiese, über die ein Kaninchen hoppelt, bebaut werden. Wenn die Kommunalpolitiker:innen dies auch in Zukunft nicht wollen.

Regieren Grüne und CDU Köln aktuell so, weil sie befürchten, dass ihnen ein Machtverlust bei der nächsten Kommunalwahl droht? Sie also befürchten die Follow-up-Entscheidungen nicht mehr selbst in der Hand zu haben? Das könnte eine Erklärung und Ursache sein. Aber dies manifestiert eine Position der Schwäche, der Unsouveränität und nicht der Stärke und des Selbstbewusstseins. Es ist auch eine Politik, die nicht vertraut: auf demokratische Strukturen, auf das bessere Argument in der Zeit, in der eine Einzelfallentscheidung fallen muss. Und sie nimmt zukünftigen Ratsmitgliedern die Entscheidungshoheit, in einem Feld, in dem die Kommune federführend ist. Die unoffene Entscheidung zum Regionalplan dokumentiert auch einen neuen Politikstil, der sich als egoistischer abzeichnet und weniger Vertrauen offenbart.

Zugleich stellt sich hier die Frage, ob die Ratsmitglieder von Grünen und CDU ihren Verpflichtungen aus der Gemeindeordnung nachkommen? So beschreibt Paragraf 1 der Gemeindeordnung NRW (GONRW) das Wesen der Gemeinde: „Die Gemeinden sind die Grundlage des demokratischen Staatsaufbaues. Sie fördern das Wohl der Einwohner in freier Selbstverwaltung durch ihre von der Bürgerschaft gewählten Organe. Sie handeln zugleich in Verantwortung für die zukünftigen Generationen.“ Auch Paragraf 43 der GONRW ist eindeutig: „Die Ratsmitglieder sind verpflichtet, in ihrer Tätigkeit ausschließlich nach dem Gesetz und ihrer freien, nur durch Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung zu handeln; sie sind an Aufträge nicht gebunden.“ Dies bedingt auch parteipolitische oder parteiideologische Interessen nicht an erste Stelle zu setzen. Wenngleich dies erfahrungsgemäß Mandatsträger:innen zugegebenermaßen auf allen politischen Ebenen schwerfällt.

Vor diesem Hintergrund müssen sich die Fraktionen von Grünen und CDU fragen lassen, warum sie jetzt mit ihrer Entscheidung auf den langfristig wirkenden Regionalplan einen so deutlichen Einfluss nehmen, obwohl Bürger:innen und Interessensverbände die Situation anders einschätzen und einen offeneren Umgang mit dem Regionalplan fordern. Der Fraktionsvorsitzende der SPD im Rat Christian Joisten warf den beiden Parteien vor, eine stagnierende Stadt zu wollen. Wenn dem so ist, dass Köln keine wachsende Stadt bleiben soll, dann sollten Grüne und CDU auch die Chuzpe haben, dies öffentlich klar und deutlich zu formulieren. Zudem ist zu hinterfragen, ob dieser neue Politikstil, gut für Köln ist?